Saw

Ziemlich ekliger Thriller, der sich als Se7en-Kopie versucht, aber an dem hehren Ziel scheitert. Die Ausgangssituation in Saw ist allerdings spannend: Zwei Männer erwachen in einem Raum und sind beide mit einer Kette an die Wand gefesselt. Zwischen ihnen liegt ein Toter, noch die Waffe in der Hand, mit der er sich den Kopf wegschossen hat. In seiner anderen Hand befindet sich ein Tonband, mit dem beide Männer erfahren, was sie zu tun haben: der eine soll den anderen umbringen, sonst müssen seine Frau und seine Tochter sterben.

Ich hatte ein bisschen das Gefühl, dass die Drehbuchschreiber diese Ausgangssituation im Kopf hatten und nun auf Teufel komm raus einen Film hinterherschieben mussten. Man hätte versuchen können, den Film wie Cube weiterzuführen: eine begrenzte Anzahl Personen, die versucht, aus einem Raum zu entkommen. Da die Bewegungsfreiheit der beiden aber arg eingeschränkt ist, nimmt der Film Rückblenden zu Hilfe, um die Vorgeschichte der beiden zu erzählen, damit wir uns nicht ganz so dabei langweilen, den beiden panischen Kerlen zuzugucken. Dabei lernen wir den Killer kennen, der bereits einige Morde auf dem Gewissen hat. Diese sind in ihrer psychopathischen Gewalttätigkeit und blutiger Raffinesse ganz deutlich nach Se7en-Muster gestrickt worden. Leider bietet die Auflösung von Saw keine so dichte und dabei doch so simple Geschichte wie die von John Doe und seinen Opfern, an denen der Killer die sieben Todsünden exerziert hatte.

Von Saw bleibt im Endeffekt nichts übrig als eine sehr verworrene Geschichte mit äußerst elaborierten Mordplänen, bei denen ich Blümchen-Gemüt mich immer frage, wieviel schlechte Slasher-Filme man zugekifft geguckt haben muss, um auf sowas zu kommen. Außerdem musste ich zwischendurch dann doch mal laut lachen, als mir der Film weismachen wollte, der Mörder würde die ganze Zeit – von der Umwelt unbemerkt – in einem weiten schwarzroten Cape rumrennen. Und das Motiv des Killers könnte wortwörtlich aus einer heulsusigen Mittags-Talkshow kommen („Die Welt ist so gemein und keiner hat den anderen lieb wäwäwä“) und hat mich persönlich ziemlich nölig zurückgelassen.

Abgesehen davon ist das Ende allerdings schön überraschend und ziemlich böse, was mich aber immer noch nicht mit Saw versöhnt hat. Denn gerade das Ende zeigt Plotlöcher so groß wie die Blutlachen, die wir dauernd zu sehen kriegen. Der Film war mir einfach zu sehr auf Show aus anstatt auf eine Geschichte, die mir, wie bei Se7en, noch tagelang im Kopf herumspukt und mich auch Jahre nach dem Filmstart noch fasziniert.

10 Antworten:

  1. Vielen Dank für diese Kritik. Eigentlich hatte die Ausgangssituation des Films mich ziemlich neugierig gemacht, aber nach der Lektüre bin ich sicher, daß ich doch nur wieder enttäuscht wäre.

    Dein positiver Vergleich mit Se7en hat mich jedoch überrascht, die Auflösung hatte ich damals als absolut unbefriedigend empfunden, jedenfalls im Verhältnis zu den grausamen Bildern, die ich mir dafür anschauen mußte. Nachdem ich aus dem Kino zurück war, stand ich ca. 15min im Eingang meiner Wohnung, völlig unfähig, auch nur einen Schritt zu machen. Bei manchen Szenen wünsche ich mir noch heute, ich hätte sie nie gesehen. Vielleicht ist mir wegen dieses Schocks aber auch ein wichtiges Detail entgangen. Was war es denn genau, was Dich so fasziniert hat, bzw. was bewirkt hat, daß offenbar ein Gleichgewicht hergestellt wurde zw. der Grausamkeit und dem Hintergrund der Geschichte?

  2. Ich “entschuldige” filmische Grausamkeit, wenn ich das Gefühl habe, sie ergibt einen Sinn bzw. ist eben nicht nur blutiges Beiwerk für eine Geschichte. Bei “Se7en” habe ich dem Täter, so krank er auch war, abgenommen, dass er mit dem Nachspielen der sieben Todsünden ein Exempel statuieren wollte, um die Menschen zum Nachdenken anzuregen. Deswegen wurden auch bestimmte Opfer ausgesucht, um bestimmte Sünden zu personifizieren. Das versucht “Saw” zwar auch, aber es bleibt bei blöden Schablonen bzw. völlig sinnlosen “Zusammenhängen” (wieso wird ein Arzt, der angeblich zu wenig Zeit für seine Familie hat, gezwungen, sich einen Fuß abzusägen?).

    Zudem habe ich “Se7en” als psychologisch sehr dicht empfunden. Sowohl der Täter als auch die beiden Cops haben eine gut ausgearbeitete Hintergrundgeschichte gehabt, die im Zusammenspiel aller drei genau das Ende ergeben musste, was wir gesehen haben. “Saw” hat ziemlich unmotivierte Charaktere, und die Brutalität, die ich mir anschauen musste, kam mir seltsam selbstverliebt vor, so nach dem Motto, guck mal, was wir uns ausdenken können. Die Brutalität in “Se7en” war dagegen der Schwere einer Todsünde “angemessen”.

  3. Hmmmm. Die Cops waren sicherlich gut charakterisiert, und für Brad Pitts Figur war es absolut logisch, am Ende die Beherrschung zu verlieren und den Täter zu erschießen. Aber es erbost mich doch immer sehr, wenn der Täter, dessen kranke Persönlichkeit mit all ihren Konsequenzen ich zwei Stunden lang ertragen habe, schließlich doch wieder den “easy way out” nehmen kann. Leider ist das bei dieser Art von Film fast immer der Fall. Und hat man wirklich so viel über ihn erfahren? Sohn aus reichem Hause, mußte nie arbeiten, konnte sein ganzes Leben seiner fixen Idee widmen. War da noch sehr viel mehr? Habe ich was verpaßt?
    Ich erinnere mich nur an ein einziges Mal, daß die Gleichung zwischen Grausamkeit und Hintergrundwissen über den Täter für mich wirklich aufgegangen ist, und das war bei der Lektüre von “Roter Drache” (Thomas Harris). Aber wahrscheinlich sollte ich nicht so viel erwarten, weil so etwas mit filmischen Mitteln eben nicht umsetzbar ist…. oder doch?

  4. Eigentlich OT: Persönlich halte ich ja “7” für überbewertet. Zwar gibt es eine Regel, die lautet, alle guten Filme spielen im Regen. Siehe Blade Runner. Deshalb fängt “7” auch großartig an (ähnlich wie “Road to Perdition”). Aber leider sind nur die ersten zwei, drei Morde wirklich originell durchkonstruiert. Das schlappe Ende (dessen Pointe man ja nun doch, sagen wir mal, fünf Minuten lang ahnt) spielt folgerichtig in der prallen Sonne (einer amerikanischen Literaturtheorie folgend). Diesen Fehler begeht ja im “Blade Runner” nur das angeklebte Ende.

    Die kruden misogynen Züge bei “7” (warum übrigens muß eine Hure beim Thema “Lust” sterben, zudem auf diese pubertär-omnipotent-gewaltvolle Weise, macht das Sinn?!?) stören, auch wenn das ein oder andere schon, äh, “abgefahren” ist (“Sloth”; muß ich immer dran denken, wenn ich ein Auto mit Wunderbäumen besteige).

    Am schönsten ist an solchen Filmen mittlerweile ja doch die Ausstattung (des Bösen). Was habe ich die Wohnung von John Doe geliebt. Diese Tagebücher! Dieses bric-a-brac an Fundstücken und Artefakten. Sicher ein Fest für Requisiteure. Ach ja: Die Titelsequenz! Großartig, wegweisend. War, glaube ich, dieselbe Firma, die auch die Titel für “Taking Lives” gemacht hat, das einzig Gute wiederum an diesem Film.

  5. Zitat: Und das Motiv des Killers könnte wortwörtlich aus einer heulsusigen Mittags-Talkshow kommen („Die Welt ist so gemein und keiner hat den anderen lieb wäwäwä“) und hat mich persönlich ziemlich nölig zurückgelassen. Zitat Ende!

    Ja ja, dass es aber tatsächlich solche Leute bzw. kranke Geister auf der Welt gibt, scheint dir entfallen zu sein. Ich wäre nur neugierig ob du immer noch lachen würdest, wenn auch du von solchen Menschen betroffen bist. Der Film sollte ja nur weismachen, dass in jeder unmittelbare Umgebung und unbemerkt sich ein Geistigkranker aufhalten könnte. Ach was rede ich. Entweder versteht man sowas oder nicht!

  6. Ne Menge “Geistigkranke” lesen mein Blog und schreiben komische Mails. Muss ich mir jetzt mein Bein absägen?

  7. Ich hatte mich fast angesprochen gefühlt, aber dann fiel mir auf, dass ich nie ein E-Mail geschrieben habe. Das Bein kann übrigens dran bleiben.

  8. Das sieht “arno” bestimmt anders :-)

  9. Finde deine Kritik nicht gut.
    Wäre Saw als erstes dagewesen, hättest Du sicher 7 zerrissen und Saw hochgelobt. Finde du siehst es etwas einseitig.

    Grüße, Nase

  10. Also ich war eigentlich ziemlich angetan von Saw. Das es hauptsächlich schmierendarsteller waren hat mich nicht wirklich gestört, dadurch verliert so ein Film für mich immer ein bischen Hollywoodglanz und wirkt dadurch ein bischen echter. Ich fand übrigens auch damals bei “7” schon, das er nicht ganz so gut wie “Das Schweigen der Lämmer” sei dafür aber ein Tick grausiger. Vielleicht ist es so wie mit dem Boygroups: Erst als die Backstreet Boys kamen, wusste man wie gut Take That doch wirklich waren…..