Von Praktikanten und Prostituierten
Wie schwierig es sein kann, einen ausländischen Praktikanten einzustellen, erzählt ein alter Kollege von mir, über dessen Weblog ich soeben gestolpert bin:
Dann wurde mir aber erstmal erklärt, dass es so viele Deutsche gäbe, die ich zuerst einstellen solle. Auf meine Nachfrage hin konnte er mir aber keinen vermitteln und Profile für „so was“ gäbe es auch keine. Da ich merkte, dass wir so nicht weiterkommen und habe ihm angeboten die üblichen 3 Plätze mit deutschen (wie das klingt) Praktikanten zu besetzen und für den Ausländer Matti aus dem Neu-Mitgliedstaat einen weiteren Platz einzurichten. Schließlich ist er ja qualifiziert, hat eine europäische Ausbildung, spricht einwandfreies deutsch und wartet hier in Deutschland auf die Möglichkeit sich ein praktisches Berufsbild zu machen. Das fand (der Sachbearbeiter der Agentur für Arbeit) Herr T. so toll, dass er das schriftlich haben wollte, plus eine Erklärung seitens Matti, dass er auf keinen Fall Sozialhilfe beantragen würde, falls ihm sein Praktikanten-Gehalt nicht ausreichen würde. Okay, ich fand’s seltsam, aber habe ich dann auch noch am gleichen Tag gemacht. Zusätzlich ist Matti dann zur Agentur für Arbeit gefahren und hat dem Herrn T. seine Sparbücher (!!) gezeigt, um zu unterstreichen, dass er kein Geld vom Staat, sondern nur eine Praktikum bei e7 haben wollte.
Das ist Standardpraxis in vielen Ländern – versuch mal in der Schweiz oder den USA eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, die wollen noch ganz andere Dinge sehen als nur dein Sparbuch. Und auch wenn man sich dann in Einzelfällen wie diesem ganz toll darüber lustig machen kann, ist die zugrundeliegende Idee sehr sinnvoll: dass man nämlich bei 5 Millionen Arbeitslosen im Lande erstmal genau schaut, ob es wirklich notwendig ist, bei der Besetzung einer Stelle “in die Ferne zu schweifen”.
Netterweise hat man sich innerhalb der EU geeinigt, dass hier alle Menschen in allen Ländern gleich behandelt werden, d.h. ich als Deutscher gleich morgen ein Praktikum in Portugal oder Italien anfangen könnte. Das ist eben keine Selbstverständlichkeit, sondern einer der ganz konkreten Vorteile der EU, die jeder Bürger genießt, und die bei der ganzen Diskussion um EU-Verfassungen Agrar-Subventionen und Brüssel-Bürokratie viel zu selten von den Menschen als etwas Wertvolles wahrgenommen wird. – besagter Matti ist halt leider etwas zu früh dran, da für die neuen EU-Mitglieder hier noch Ãœbergangsfristen gelten.
enk am 08. June 2005
Ich glaube nicht, dass sich der Eintrag darüber lustig machen wollte. Ich finde es aber einfach absurd, jemanden nicht arbeiten lassen zu wollen, der den Job nun mal haben möchte im Gegensatz zu viel zu wenig Bewerbern, die ihn anscheinend nicht wollen.
Anke am 08. June 2005
Ach, solche Situationen sind einfach immer eine schöne Geschichte wert. Ich erinnere mich da an den Schweizer Manager, den mein Unternehmen vor sechs Jahren auf einen Spitzenposten engagierte. Der musste sich damals für seine Arbeitserlaubnis ganz brav auf dem Arbeitsamt unter “Nicht-EU-Länder” zwischen die Nigerianer, US-Amerikaner und Vietnamesen einreihen (nachdem unser Personalchef wochenlang bewiesen hatte, dass kein deutscher Arbeitsloser dadurch arbeitslos blieb).
kaltmamsell am 08. June 2005
…Der musste sich damals für seine Arbeitserlaubnis ganz brav auf dem Arbeitsamt unter “Nicht-EU-Länder†einreihen…
Und – wo liegt das Problem?
Die Schweiz ist “Nicht-EU”. Soweit alles korrekt.
(Oder sollte das was zu tun haben mit Nigerianern, US-Amerikanern, Vietnamesen und sonstigen Menschen, die um eine Arbeitserlaubnis anstehen?)
iko-chan am 08. June 2005
im originalposting steht, dass der avisierte praktikant aus estland ist. also eu-mitglied. ich kannte diese praxis mit der arbeitserlaubnis bisher auch nur von leuten, die nicht aus der eu waren.
(mir wurde als österreicherin übrigens damals im jahre 2000 meine aufenthaltsgenehmigung für deutschland nur auf ein jahr befristet ausgestellt. genauso lang wie mein arbeitsvertrag (den ich zum glück schon problemlos in der tasche hatte) lief. ich fragte damals nach warum, weil östereich eu-mitglied etc.pp. und ernte folgende antwort: “da sparen Sie sich die gebühren (für den aufenthaltswisch). wenn Sie länger bleiben wollen, müssen Sie Ihre sparbücher vorbeibringen”. das hatte ich mir in meiner naivität damals auch anders vorgestellt.)
das wohnzimmer am 08. June 2005
Mit dem EU-Beitritt haben die Staatsangehörigen der Beitrittstaaten (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Malta und Zypern) grundsätzlich die gleichen Freizügigkeitsrechte wie alle anderen EU-Bürger.
Sie können sich in jedem EU-Staat niederlassen, wenn sie ausreichende Geldmittel haben und krankenversichert sind. Dies gilt für Selbstständige, Studenten, Rentner und auch andere Personen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Auf Grund der noch bestehenden Lohnunterschiede zwischen den Mitglieds- und Beitrittsländern wurden allerdings für Arbeitnehmer und bestimmte Dienstleistungsunternehmen Übergangsregelungen vereinbart. Erst nach deren auslaufen besteht auch hier die volle Freizügigkeit.
Quelle: http://www.rp-freiburg.de/servlet/PB/menu/1116434/
enk am 09. June 2005