Zitronen-Thymian-Huhn mit dem tollsten Weißwein aller Zeiten

Wenn mich ein Fleischrezept anspringt, muss es schon verdammt gut sein, denn ansonsten lasse ich mich ja neuerdings eher von vegetarischen Rezepten anspringen. Das hier habe ich über Björn Freitag gefunden, dem ich auf Twitter folge, und es sprang mich völlig zu Recht an. Ganz simpel zuzubereiten, wenige Zutaten, kein Schnickschnack. Perfekt für einen entspannten Sommerabend.

Ein Bio-Huhn füllen mit
2 Bio-Zitronen, geviertelt,
1 Bund Thymian,
1/2 Knolle jungem Knoblauch,
Meersalz und
schwarzem Pfeffer.

Im Originalrezept stand was von einer halben Zehe, aber ich behaupte, Knolle passt besser. Das Huhn auf einem Gitter in den Ofen schieben und in der Schiene darunter ein tiefes Blech einschieben, das mit

500 ml Wasser

gefüllt ist. Im auf 180° vorgeheizten Ofen für circa 90 Minuten braten; bei uns waren es 15 Minuten mehr. Das Huhn tranchieren und währenddessen ein Sößchen zaubern. Dazu den aufgefangenen Bratensaft mit

200 ml Weißwein und
200 ml Geflügelfond (bei uns Gemüsebrühe) auf ein Drittel einkochen lassen und mit
1 EL Butter aufmontieren.

Das Originalrezept wollte dazu Polenta mit Pinienkernen, gerösteten Zwiebeln und Pecorino – habe ich gemacht, fand ich aber zu geschmacksintensiv zum Huhn. Ich war absolut glücklich nur mit ein bisschen Fleisch, das herrlich duftete und ganz sanft nach Zitrone und Thymian schmeckte, und einem Klecks Sauce, bei der die Zitrone so richtig durchknallte.

Dazu gab’s meinen liebsten Weißwein, den ich in London im St. John Bread and Wine das erste Mal getrunken habe. Ich zitiere mich mal eben selbst: „Ein Muscat sec von Domaine Boudau 2010. Die Nase sagt: Bergamotte-Tee, der unter gelben Bäumen serviert wird. Und der Gaumen sagt gar nichts mehr, sondern wirft sich ergeben dem Stoff zu Füßen: viel, viel Frucht, ohne süß zu sein, viel, viel Kraft, ohne den Kopf zu plätten, ein ganz großer Mund, eine ganz leichte Säure, und über allem eben diese Bergamotte-Note, die vom Gebirge runterweht und ein bisschen Schnee mitbringt. Sowas habe ich noch nie getrunken, aber davon brauche ich jetzt dringend eine Kiste.“

Diese Kiste ist inzwischen bei mir angekommen. Der Winzer liefert leider nur nach Frankreich und Monaco, aber Google verrät einem mehrere Shops in Deutschland. Ich persönlich bestellte bei Karl Kerler in Nürnberg* und bin mit Liefergeschwindigkeit und Service sehr zufrieden – bei meiner Adresse hatte sich ein kleiner Fehler eingeschlichen, weswegen die kostbare Kiste wieder zum Versender zurückging. Nach einem freundlichen Mailwechsel bekam ich den Schatz ohne erneue Kosten nochmals zugeschickt. Danke dafür.

Inzwischen kann ich den Geschmack auch noch etwas genauer definieren: Der Schnee vom Gebirge erinnert mich an Eisbonbons. Ganz kühle, klare Eisbonbons, die nach Earl Grey schmecken, ohne die Klebrigkeit von Bollos zu haben oder die lauwarme Langeweile von Teebeuteln. Stattdessen duftet einem eine eisige Glasplatte entgegen, auf der das Aroma aufgetragen scheint, und genauso schmeckt der Wein dann auch. Klar definierte, deutliche Geschmacksnoten, nicht das üblich diffuse „irgendwas mit tropischen Früchten“ oder „mineralisch“. Der Wein bleibt nicht übermäßig lange am Gaumen, macht den Mund aber ganz groß und steigt bis in die Nase. Und: Er verändert sich nicht großartig, ganz egal, ob man dazu Zitronenhuhn isst oder – gerade beim Tippen ausprobiert – Honigbrötchen.

Ich kriege mich seit gestern abend nicht mehr ein über diesen Wein, denn er ist der einzige, den ich – behaupte ich mal – aus allen anderen Weißweinen, die ich in den letzten zwei Jahren getrunken habe, herausschmecken würde, so einzigartig finde ich seinen Geschmack.

(Wir brauchen kein Duftfernsehen. Wir brauchen Geschmacksblogs!)

* Wie mir ein freundlicher Leser gerade (Dienstag mittag) mitteilt, ist bei Herrn Kerler der Muscat übers Wochenende ausverkauft worden. Was mich in die knifflige Lage bringt, entweder weiter über meine Lieblinge zu schreiben und sie dann selber nicht mehr zu kriegen, weil meiner Leserschaft sie ordert, oder alle Kostbarkeiten für mich zu behalten, was total asig wäre.

O-Ton Niggemeier: „e-kel-haft, wie dir deine leser einfach blindlings folgen, e-kel-haft. einen wein- und fressmob kommandierst du da!“

Ich signiere meine Mails jetzt nur noch mit „Geliebte Führerin“

Klatschrose

Wenn Sie sich bitte mal das Blog von Frau Klatschrose angucken mögen? Das ist nämlich ziemlich schön. Bisheriger Favorit (ich lese das gerade von vorne nach hinten durch) sind diese wunderbaren zehn Ratschläge, mit denen man prima durchs Leben kommt.

„Interesse am System“

Interview von n-tv mit Hans-Ullrich Grimm:

Gibt es denn angesichts der wachsenden Weltbevölkerung eine Alternative zur massenhaften Produktion von Lebensmitteln?

Ich war in China, um genau dieser Frage nachzugehen. Zu meiner Überraschung stellte sich heraus, dass die dort zu größten Teilen von einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft ernährt werden. Ich war in Peking auf dem Großmarkt, der die Stadt mit ihren 15 bis 18 Millionen Einwohnern beliefert. Der Markt wird, sagte mir der Leiter, von 80 Millionen Kleinbauern beliefert. Man kann die Menschheit der Zukunft durchaus kleinbäuerlich ernähren. Die Frage ist, ob das jemand will. Vom jetzigen System profitieren halt unglaublich viele. Allein die spanischen Gemüsebauern haben jetzt angeblich einen Schaden von 200 Millionen Euro pro Woche. Nur mit Gurken und dergleichen. Wer 200 Millionen umsetzt pro Woche, hat ein massives Interesse an diesem System.“

(via Lus Gefacebooke)

Ein verlinkendes Dankeschön …

… an Sven, der mich mit Unbroken: A World War II Story of Survival, Resilience, and Redemption von Laura Hillenbrand überrascht hat. Das Buch fand ich in einem meiner Feelgood-Blogs; ich hatte den Titel noch nie gehört, packte das Buch aber nach kurzem Reinlesen sofort auf den Wunschzettel. Im „Anschreiben“ erwähnt Sven, dass mein Blog ihm quasi Mut gemacht habe, ein eigenes zu eröffnen – gucken Sie doch mal bei ihm vorbei. Nochmals vielen Dank für das Geschenk; ich habe mich sehr gefreut.

(Ihr seid im Moment sehr freigiebig – vielen Dank dafür. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber so ein Wunschzettel ist tausendmal toller als Flattr. Alleine für den Standarddialog, den meine derzeitige Agenturempfangsdame und ich seit Monaten führen. „Anke, da ist ein Amazon-Päckchen für dich.“ — „QUIETSCH!“)

Unbezahlte Werbung

Wo ich gerade einige Mails kriege, die sich nach Studiosus erkundigen, mit denen ich in Rom ja augenscheinlich extrem zufrieden war: Ich schrieb schon einmal (weitaus kürzer) über meine drei bisherigen Reisen mit dieser Organisation nach Ägypten, China und Israel.

Ich weiß, dass das nicht für jede/n was ist, mit einer Gruppe rumzureisen, es ist nicht ganz billig, und ich kenne auch das (nicht ganz falsche) Vorurteil, dass bei Studiosus gerne besserwisserische Studienrät_innen mitreisen. Und natürlich gibt es bei Gruppenreisen immer das Risiko, dass mindestens eine totale Nervensäge dabei ist (war bis jetzt auch immer so). Trotzdem empfehle ich den Laden allen Menschen, die mich danach fragen, bedenkenlos weiter. Die Studienreisen waren immer ausgezeichnet organisiert – andere Reiseformen wie City Lights, Sprachreisen etc. habe ich noch nicht ausprobiert –, und die Reiseleitungen waren, bis auf einen Ausrutscher in Israel (siehe alter Blogeintrag), fantastisch. Meine Eltern sind noch deutlich öfter als ich mit Studiosus unterwegs gewesen, und auch sie meinen, Israel sei die einzige Reise, wo sie mit der Reiseleitung nicht ganz so glücklich waren.

Worauf man sich einstellen muss: Wer in meinem Alter ist, ist durchschnittlich 25 bis 35 Jahre jünger als der Rest. Das hat Vor- und Nachteile. Die Mitreisenden haben zum Beispiel 25 bis 35 Jahre Vorsprung, was die Bildung angeht. So meinte unser Reiseleiter in Rom des Öfteren, diesen Baustil/diesen Malstil/diese Deko kennen Sie ja sicher alle, Florenz, Uffizien und so weiter. Und alle nickten total wissend, während ich mir eine mentale Notiz machte, dass ich das nachher im Hotel dringend mal googeln müsste. Gleichzeitig mag ich das an Studiosus: dass man ein bisschen Wissen voraussetzt und die Reiseleitung nicht erklärt, wer eigentlich dieser komische Konstantin war, dem wir in Rom ab und zu begegnen. Ich habe im Nachhinein aber gemerkt, dass es mir nicht geschadet hätte, vor Reiseantritt nochmal kurz den Wikipedia-Eintrag zur Renaissance zu überfliegen.

Die meisten Teilnehmer_innen haben, auch bedingt durch ihr Alter, schon die halbe Welt gesehen, und wenn man Pech hat, erzählen sie einem das dauernd. Was ziemlich nervt, während man vor einer Kirche steht und eigentlich was über diese Kirche hören möchte. Was aber toll ist, wenn man beim gemeinsamen Abendessen ein Gesprächsthema sucht. Ich bin jedenfalls immer mit der Frage „Und was machen Sie so beruflich?“ gescheitert, weil so gut wie alle Mitreisenden ihr berufliches Leben schon hinter sich hatten.

Die ganzen Marotten, die ich von meinen Eltern kenne, erlebt man hier potenziert. Meine Eltern fragen auch fünfmal nach, wann genau ich denn mit dem Zug komme und auf welchem Gleis er ankommt und ob ich wirklich den Weg alleine nach Hause finde und ob sie mich nicht doch lieber abholen sollten – von dem Bahnhof, in dessen Nähe ich 25 Jahre lang gelebt habe. So ähnlich laufen auch Verabredungen auf den Reisen: Wenn die Reiseleitung sagt, Sie haben jetzt 30 Minuten für sich, dann gehen zehn Minuten dafür drauf, dass der Treffpunkt genauestens beschrieben werden muss. Man könnte sich ja sonst verlaufen. Selbst wenn es heißt, wir treffen uns genau hier wieder, kann man darüber nochmal reden. Das sind dann die Momente, wo man selbst auf sein Smartphone mit Google Maps guckt und schon mal losgeht. (Wobei man gerade mit Google Maps richtig Eindruck schinden kann. Mit Foursquare eher weniger; das konnte der Kerl wirklich niemandem erklären, was daran so lustig ist, im Petersdom einzuschecken.)

Andere seniorige Marotte, die mich wahnsinnig gemacht hat: beim Essen gnadenlos auf Deutsch zu bestellen und davon auszugehen, dass der Italiener an sich Deutsch bestimmt versteht, wenn man es nur laut genug nutzt. Auch das übliche „Bei uns gäb’s das ja nicht“ hört man manchmal, und bei sowas frage ich mich dann schon, wie das damit zusammenpasst, dass die meisten schon die halbe Welt kennen. Gerade dann sollte man doch wissen, dass es verdammt vieles „bei uns nicht so gibt“.

Den Quatsch kann ich aber ausblenden, denn es wird ausgeglichen durch die schon angesprochene Organisation, die durchweg tollen Hotels und eben die Reiseleitungen, bei denen ich fast immer das Gefühl hatte, sie wüssten nicht nur, wovon sie reden, nein, sie tun das auch noch gerne. Außerdem: Wenn ich Reisen buche, bei denen ich weiß, dass sie hauptsächlich von Senior_innen gebucht werden, weiß ich auch, dass das Tempo nicht so wahnwitzig hoch ist. Ich weiß, dass es genügend Pinkel- und Fotopausen gibt und dass die körperlichen Anforderungen nicht übermäßig fies sind; so bin ich gerade mal bei den 300 Stufen in die Kuppel des Petersdoms herausgefordert worden, und wenn ich mich richtig an die Menschenschlange vor und hinter mir erinnere, war das auch für schlanke und jüngere Menschen nicht zu bewältigen, ohne etwas außer Atem zu kommen. (Sowas beruhigt mich ja immer.)

Das geringe Tempo heißt nicht, dass man sich im Schneckentempo zu zwei Aussichtspunkten pro Tag bewegt, ganz im Gegenteil. Es heißt stattdessen, dass man für fünf Kirchen keine fünf, sondern acht Stunden einrechnet. Was ein bisschen zu Lasten von Freizeit geht, aber dafür können alle Fragen dieser Welt gestellt und beantwortet werden. Wobei wir in Rom schon recht viel freie Zeit hatten. Ich erinnere mich an einen Tag in China, der morgens um 7 losging und abends um 23 Uhr endete. Ein gemütlicher Strandurlaub ist eine Studienreise nicht. Aber, und ich hoffe, das ist bei meinen Einträgen auch rübergekommen, man nimmt unglaublich viel wieder mit nach Hause.

Geröstete Pastinaken und Süßkartoffeln mit Kapernvinaigrette

Ratet, aus welchem Kochbuch das Rezept ist … ja, genau. Ich habe das Ofengemüse schon vor längerer Zeit zubereitet, aber nie verbloggt, was doof ist, denn jetzt ist die Pastinakenzeit rum. Aber wenn ich meiner iPhone-App glauben darf, geht die heimische Saison Mitte Juli schon wieder los. Also das Rezept hier bookmarken und in sechs Wochen nachkochen. Kann man prima abends auf dem Balkon verzehren, während man die Füße über die Brüstung hängt und der Butler einem Wein nachkippt.

Für zwei Personen

2 mittelgroße Pastinaken (ca. 350 g) schälen, der Länge nach halbieren und nochmal vierteln. (Ich habe dabei das holzige Innere entfernt.)
2 rote Zwiebeln schälen und sechsteln. Das Gemüse mit
60 ml Olivenöl (nen Tick weniger tut’s auch),
2 Zweigen Thymian,
2 Zweigen Rosmarin und
1/2 Knoblauchknolle, quer halbiert,
1/2 TL Salz und
schwarzem Pfeffer

in eine Schüssel geben und alles gut vermischen. In eine Auflaufform umsiedeln und im auf 190° vorgeheizten Backofen für 20 Minuten rösten. Währenddessen

1 Süßkartoffel (ca. 300 g) ungeschält in schmale Spalten schneiden und ebenfalls in die Form geben. Nochmals 40 bis 50 Minuten rösten. Wenn alles schön gebräunt ist, noch

15 halbierte Kirschtomaten dazuwerfen und weitere zehn Minuten rösten. In der Zeit aus

2 EL Zitronensaft,
4 EL Kapern, wer mag, hackt sie grob,
1/2 TL Ahornsirup,
1/2 TL Dijonsenf,
2 EL Olivenöl und
1/2 TL Salz

eine Vinaigrette herstellen. Das Gemüse aus dem Ofen nehmen und sofort die Vinaigrette unterrühren – vielleicht nicht gleich alles auf einmal, denn die Kapern schmecken ziemlich stark durch. Genau das hat mir allerdings so gut gefallen: die Kombi aus mummeligwarmweichen Gemüse mit dem säuerlichfrischen Dressing. Dazu der Kontrast aus heiß und kalt – passt mal wieder alles. Beim nächsten Mal würde ich allerdings die Kartoffeln nicht ganz so lange mitrösten lassen, denn sie werden sehr weich.

Peeping Tom

“Whatever I photograph, I always lose.”

Peeping Tom (1960)

“If we don’t, remember me” – sehr schlaues Blog mit Film-Gifs und schönen Sätzen, via Don Dahlmann.

Roma discedens

„Roma vale; tibi debeo plurima; quod mihi per te
partum est ingenuis artibus, unde habeam
nec iam egeam, addictus nulli, mihi id est satis abs te.
Cetera quae poteras me dare, linquo aliis.
Plusque meis oculis absens te semper amabo,
et procul, ut colimus numina sancta, colam.“

Beim Abschied von Rom

„Rom, lebe wohl! Dir schulde ich vieles; was mir durch dich
ward zuteil in den schönen Künsten, wo ich besitze
und nicht mehr entbehre, keinem verpflichtet,
das ist von dir und ist genug.
Was du sonst noch konntest mir geben, das lass ich für andre.
Mehr als mein Augenlicht werde ich stets aus der Ferne dich lieben,
und von weitem dich ehren, so wie wir ehren heiliges Wesen.“

Marco Girolamo Vida, Bischof von Alba (1490–1566)

aus: Hanns-Josef Ortheil, Rom. Eine Ekstase, Sanssouci 2009

Ein handgezeichnetes Dankeschön …

… an Wilhelm, der mich mit dem dritten Teil der Sandman-Saga von Neil Gaiman überrascht hat: Dream Country. Nachdem mir die ersten beiden Teile sehr gut gefallen haben, gehe ich davon aus, dass mir auch der dritte gefällt. Vielen Dank für das Päckchen, ich habe mich sehr darüber gefreut.

Ein kunstbeflissenes Dankeschön …

… an Juliane, die mich mit Raffael überrascht hat – auf dem Titel schreibt sich der Mann mit zwei F, in der Amazon-Voransicht mit PH. Ich prangere das nebenbei mal an. Das Werk ist ein relativ schmales Büchlein, aber ein guter Einstieg. Meine ich nach dem ersten Durchblättern jedenfalls. Seit ich die von ihm bemalten Zimmer im Vatikan gesehen habe – die natürlich auch im Buch stehen –, wollte ich ein bisschen mehr wissen. Jetzt weiß ich immerhin schon, dass die armen Engel, die für unzählige verkitschte Weihnachtsdekos herhalten müssen, von ihm sind. Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut.

Twitter-Lieblinge Mai 2011

Yahoo-Suchanfrage „ein Tag essen ein Tag nichts essen“

Bücher Mai 2011

Herta Müller – Atemschaukel

Sehr, sehr beeindruckend. Und wieder eins von den Büchern, die ich persönlich so gerne mag, weil sie kreativ mit Sprache umgehen. Wobei „kreativ“ hier nicht putziges Werbedeutsch heißt, sondern: Sprache macht Dinge fühlbar, die ich vom Verstand her nicht erfassen kann. In diesem Fall das Leben in einem russischen Gefangenenlager nach Ende des 2. Weltkriegs. Müller erschafft Bilder, die den Hunger beschreiben, das Heimweh, die Zwangsarbeit, die ungeschriebenen Regeln, die Läusebisse, die Angst und wieder und wieder den Hunger und das Heimweh („als ob ich es bräuchte“). Das Buch teilt sich in diverse Vignetten, die zusammen ein sehr deutliches und intensives Gesamtbild ergeben. Man weiß von Anfang an, dass der Erzähler nach fünf Jahren wieder nach Hause, nach Siebenbürgen kommt –

„Auf dem Holzgang, genau dort, wo die Gasuhr ist, sagte die Großmutter: ICH WEISS DU KOMMST WIEDER.

Ich habe mir diesen Satz nicht absichtlich gemerkt. Ich habe ihn unachtsam mit ins Lager genommen. Ich hatte keine Ahnung, dass er mich begleitet. Aber so ein Satz ist selbständig. Er hat in mir gearbeitet, mehr als alle mitgenommenen Bücher. ICH WEISS DU KOMMST WIEDER wurde zum Komplizen der Herzschaufel und zum Kontrahenten des Hungerengels. Weil ich wiedergekommen bin, darf ich das sagen: So ein Satz hält einen am Leben.“ –,

aber trotzdem verliert man auf den Buchseiten zwischen Gefangennahme und Heimkehr sehr oft den Mut, so eindringlich und einzigartig sind die Beschreibungen. Ich habe mich oft an Celans Todesfuge erinnert gefühlt, nur eben auf deutlich mehr Seiten. Manchmal schwer erträglich, trotzdem oder genau deswegen eine ganz große Empfehlung.

„Kleine Schätze sind die, auf denen steht: Da bin ich.
Größere Schätze sind die, auf denen steht: Weißt du noch.
Die schönsten Schätze aber sind die, auf denen stehen wird: Da war ich. (…)

Ich weiß mittlerweile, dass auf meinen Schätzen DA BLEIB ICH steht. Dass mich das Lager nach Hause gelassen hat, um den Abstand herzustellen, den es braucht, um sich im Kopf zu vergrößern. Seit meiner Heimkehr steht auf meinen Schätzen nicht mehr DA BIN ICH, aber auch nicht DA WAR ICH. Auf meinen Schätzen steht: DA KOMM ICH NICHT WEG. Immer mehr streckt sich das Lager vom Schläfenareal links zum Schläfenareal rechts. So muss ich von meinem ganzen Schädel wie von einem Gelände sprechen, von einem Lagergelände. Man kann sich nicht schützen, weder durchs Schweigen noch durchs Erzählen. Man übertreibt im Einen wie im Anderen, aber DA WAR ICH gibt es in beidem nicht. Und es gibt auch kein richtiges Maß.“

(Leseprobe bei amazon.de)

Siri Hustvedt (Uli Aumüller, Übers.) – Der Sommer ohne Männer

Die drei weiteren Hustvedts, die ich bisher gelesen habe (1, 2, 3), haben mir besser gefallen – ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich sie auf Englisch gelesen habe und ich mich dabei von der Sprache über den manchmal mageren Inhalt habe hinwegtäuschen lassen. Der Sommer ohne Männer kam mir ein bisschen wie eine unfertige Fingerübung vor. Schön, dass mal so gut wie nur Frauen und Mädchen was zu sagen haben, aber blöderweise geht es eben doch um die Kerle. Die Hauptperson und Ich-Erzählerin versucht einen Sommer lang, über die Trennung von ihrem Ehemann hinwegzukommen, der sich mit einer Jüngeren vergnügt. In dieser Zeit gibt sie einen Lyrik- und Creative-Writing-Kurs für Mädchen und besucht gleichzeitig ihre Mutter in ihrer betreuten Wohnsiedlung und trifft Freundinnen ihrer Mutter. Neben ihrem gemieteten Haus wohnt eine kleine Familie, von der wir nur die Mutter und die beiden Kinder kennenlernen … aber hier beginnt dann auch mein Genöle: „kennenlernen“ ist einfach zu hoch gegriffen. Alle Figuren bekommen ein bisschen Platz und eine kurze Hintergrundgeschichte, aber wirklich viel weiß ich über keine von ihnen. Jede scheint nur aus einer Eigenschaft zu bestehen, an deren Oberfläche wir manchmal kratzen, aber nie tief genug, um die Figur für mich interessanter zu machen. Und was mich richtig genervt hat, war die persönliche Ansprache der Ich-Erzählerin an den oder die Leser_in auf Seite 152 von 300, die sinngemäß lautet: „Es passiert wirklich noch was, schön, dass Sie bis hierhin bei mir geblieben sind; dafür möchte ich Sie küssen.“ So wenig Zutrauen in die eigene Story? Pffft.

Julia Albrecht/Corinna Ponto – Patentöchter. Im Schatten der RAF – ein Dialog.

Da zitiere ich faul den Klappentext, den ich für sehr gelungen halte – genauso gelungen wie das Buch, das sehr persönlich und nachvollziehbar einlöst, was der Umschlag verspricht:

„30. Juli 1977: Jürgen Ponto empfängt Susanne Albrecht, die Tochter seines Jugendfreundes Hans-Christian Albrecht, in seinem Haus in Oberursel. Ihre Begleiter Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar schießen auf Jürgen Ponto. Corinna, seine Tochter, ist zu diesem Zeitpunkt 20 Jahre alt, Julia, Susannes Schwester, 13 Jahre.

Nach dem Mord war das Band zwischen den Familien durchschnitten. 30 Jahre danach nimmt Julia Albrecht – die Patentochter von Jürgen Ponto – Kontakt auf zu Corinna Ponto – der Patentochter von Hans-Christian Albrecht. Ein Briefwechsel entspinnt sich, eine erste Begegnung findet statt. Im Mittelpunkt ihres Buches stehen die Geschichte der RAF und der Umgang damit, die Fragen nach Schuld und den Hintergründen der Täterschaft, nach den Möglichkeiten von Aufarbeitung und Versöhnung. Und beide Frauen tauschen sich darüber aus, wie man mit den eigenen Kindern über diesen Teil der deutschen Geschichte spricht, der doch auch Teil der Geschichte ihrer Familien ist.“

Thomas Pletzinger – Bestattung eines Hundes

Großartig. Genau meins. Zwei Geschichten in einer, wobei die eine an nur vier Tagen spielt, die andere sich über Jahre hinzieht, es gibt Rückblenden und Vorgriffe und Postkarten und Zeichnungen und alles passt zusammen. Der Journalist Daniel Mandelkern soll ein Porträt über den Kinderbuchautor Svensson schreiben und fährt dazu an den Luganer See. Schon auf dem Flug dorthin trifft er Tuuli mit ihrem kleinen Sohn, die beide das gleiche Ziel haben. Und am See wartet nicht nur der Autor, sondern auch ein dreibeiniger Hund. Mehr will ich gar nicht erzählen, denn das Buch hat mich nicht unbedingt mit der Geschichte umgehauen, sondern mit seinem Stil. Die zwei Storys klingen nämlich auch anders, und erst zum Schluss läuft alles gefühlt auf eine Sprache hinaus. Und was für eine Sprache! Voller Kraft und Herzblut und ohne Furcht. Ja, genau: Die Furchtlosigkeit hat mir so gefallen, die Kompromisslosigkeit, und die bewundernswerte Fähigkeit, sowohl grob und derbe als auch unglaublich zärtlich zu klingen. Meine zweite große Empfehlung. (Und da unten kommen noch zwei. War ein guter Monat.)

Experiment: auf Empfehlungen von Buchhändlerinnen hören. Normalerweise suche ich mir meinen Lesestoff zusammen, indem ich Blogs abklappere oder den immer gleichen Rezensent_innen traue, aber diesmal bin ich zu stories! marschiert und habe gesagt: „Ich hätte gerne eine deutschsprachige Familiengeschichte, und ich lese gerne Franzen und Hustvedt.“ (Da hatte ich den männerlosen Sommer noch nicht gelesen.) Vier Bücher wurden mir empfohlen, drei habe ich schon durch:

Rolf Lappert – Nach Hause schwimmen

Nachdem ich den Lappert zugeklappt hatte, habe ich mal rumgeguckt, was der Rest der Welt so von dem Buch hält. Sehr oft bin ich über die Formulierung „erinnert an John Irving“ gestolpert. Daran hat mich das Buch ehrlich gesagt nicht erinnert, aber ich erkenne im Nachhinein Parallelen. Nach Hause schwimmen erzählt von Wilbur, einem Quasi-Waisenjungen (Mutter stirbt bei der Geburt, Vater macht sich aus dem Staub), der von Amerika nach Irland verpflanzt wird. Das Buch beginnt fast mit dem Ende, wo wir Wilbur als jungen Erwachsenen in einer noch nicht näher definierten Institution kennenlernen; anscheinend hat er versucht, sich umzubringen. Der zweite Erzählstrang springt in die Vergangenheit, und dort erleben wir alles, was Wilbur seit dem Tag seiner Geburt auch erlebt. Zum Schluss treffen sich die beiden Erzählstränge – und ich wusste immer noch nicht, ob mir das Buch gefällt oder nicht.

Ich mochte die Hauptfigur mit all ihren Macken und Talenten, aber gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass so ziemlich alle Eigenschaften Wilburs völlig vergeudet werden. Da hat man einen angeblich hochbegabten, musikalischen Knirps, und dann macht die Story nichts draus. Da geht er ewig ins Kino und schreibt ein Buch über Bruce Willis – und es versandet einfach. Die vielen Menschen, denen Wilbur begegnet, haben auch alle ihre Story, und viele von ihnen klingen großartig – und dann hören sie einfach auf oder werden in zwei Sätzen abgehandelt. Und das war für mich der große Unterschied zu Irving, der nicht davor zurückschreckt, mal eben 50 Seiten für eine Nebenfigur aufzuwenden und damit auch der Hauptfigur oder der Handlung mehr Tiefe zu verleihen. Nach Hause schwimmen hat eine schöne Geschichte, aber für mich hat sie sich gelesen wie ein langes Drehbuchexposé und nicht wie ein Roman. Ich ahne, dass ich den wegen Herrn Franzen empfohlen bekommen habe, denn in seiner epischen Breite ähnelt das Buch schon ein bisschen an Freedom. Leider nicht in der Tiefe. Daher eher ein Fragezeichen als eine Empfehlung.

(Leseprobe bei amazon.de)

Stephan Thome – Grenzgang

Dafür war das hier ein Volltreffer. Grenzgang hat mir sowohl von der Sprache als auch von der Geschichte gefallen, obwohl es etwas zäh anfängt. Diese Zähigkeit stellt sich relativ schnell als das Hauptkriterium heraus – die Buchstaben scheinen in Honig vor sich hinzufließen, aber genau diese Trägheit passt hervorragend zum Inhalt.

In einem hessischen Dorf wird alle sieben Jahre für drei besoffene Tage Grenzgang gefeiert. Die Hauptfigur Kerstin hat an einem dieser Grenzgänge ihren Mann kennengelernt, und sieben Jahre später erfährt sie, dass er gerade dabei ist, sich eine jüngere Frau anzulachen. Die Geschichte erzählt vom Eheleben, von Leben nach der Scheidung, von Geschwistern, Eltern, Kindern und neuen Partner_innen. Klingt alles sehr unaufregend, aber mich persönlich hat genau diese Alltäglichkeit so in den Bann gezogen. Thome seziert ganz gerne mal das Gefühlsleben seiner Protagonist_innen, aber es ufert nie aus, sondern lässt den Figuren immer noch Raum, sich weiterzuentwickeln – und gleichzeitig stellen wir mit ihnen Wesenszüge an ihnen fest, die sich seit vier Grenzgängen halten. Schöne Dialoge, gelungene Beschreibungen, und trotz der Mattigkeit, die über allem liegt, hat das Buch einen unwiderstehlichen Sog.

(Leseprobe auf amazon.de)

Hanns-Josef Ortheil – Die Erfindung des Lebens

Wenn ich mich recht erinnere, meinte die Buchhändlerin: „Ich weiß nicht, ob das was für Sie ist.“ Jetzt kann ich sagen: aber sowas von. Lebens war mein liebstes Buch der Empfehlungen, was wirklich nicht daran liegt, dass es teilweise in Rom spielt und ich genau da angefangen habe, es zu lesen. Die Geschichte ist autobiografisch inspiriert: Ortheil war die ersten sieben Jahre seines Lebens stumm, und es hat mich sehr fasziniert, ihm und seiner ebenfalls verstummten Mutter dabei zuzusehen, wie sie ihre Worte wiederfinden. Die Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend vermischt Ortheil mit einer Geschichte im Hier und Jetzt, die eben in Rom stattfindet und natürlich auf Dinge zurückgreift, die in der Vergangenheit passiert sind. Die Sprache ist ziemlich schlicht, die Dialoge wirken dagegen sehr geschrieben, aber seltsamerweise hat mich das hier überhaupt nicht gestört. Das ganze Buch fühlt sich allein durch seine Prämisse sehr fremdartig an, und deswegen passen auch die eingestreuten gedrechselten Sätze. Sehr schönes Ding.

forty-sixth at grace

Da hat mir die liebe Anne doch einen schönen Link zu einem noch schöneren Foodblog geschickt: forty-sixth at grace schreibt gefühlt eher Gedichte als Rezepte und hat genau die Art Foodfotografie im Blog, an der ich mich nie sattsehen kann.

Safrantagliatelle mit Gewürzbutter

Irgendwie keine Überraschung, dass ich nach dem Italienurlaub erstmal alles an Pastarezepten versammelt habe, was in meinen Kochbüchern bzw. Bookmarks rumliegt. Hier eins von Ottolenghi aus seinem Genussvoll-vegetarisch-Kochbuch. Sieht nach mehr Arbeit aus als es ist und schmeckt köstlich.

Erstmal die Nudeln machen (wobei die Gewürzbutter natürlich auch mit gekaufter Pasta schmeckt). Für vier Personen

2 TL Safranfäden mit
4 EL kochendem Wasser übergießen und mindestens zehn Minuten ziehen lassen. Mit
4 EL Olivenöl und
4 Eiern verquirlen. Dazu
440 g Pastamehl (oder Type 550 plus Hartweißengrieß zu gleichen Teilen) und
1 TL Kurkuma geben und alles zu einem glatten Teig verkneten. Notfalls noch Mehl oder Öl dazugeben (ich habe etwas mehr Mehl gebraucht). Die Teigkugel in Klarsichtfolie hüllen und für mindestens eine halbe Stunde im Kühlschrank parken. (Hält sich laut Buch bis zu einem Tag.)

Nach der Ruhezeit mit einer Nudelmaschine Tagliatelle herstellen und trocknen lassen. Ohne Nudelmaschine geht’s natürlich auch: dann den Teig sehr dünn ausrollen und mit einem scharfen Messer in Streifen schneiden.

Während die Nudeln trocknen, die Gewürzbutter herstellen. Dazu (Ottolenghi haut immer sehr viel Butter in seine Rezepte, aber hier muss das sein)

200 g Butter mit
4 EL Olivenöl in einer Pfanne schmelzen. Bei niedriger Hitze
8 Schalotten, fein gehackt, leicht anbraten. Wenn alles gebräunt ist, einen Berg an Gewürzen dazugeben, nämlich
1 TL Ingwer, gemahlen.
1 TL Paprikapulver edelsüß,
1 TL Koriander, gemahlen,
1 TL Zimt,
1 TL Cayennepfeffer,
1/2 TL Chiliflocken,
1/2 TL Kurkuma,
1 TL Salz und
schwarzen Pfeffer. Vom Herd nehmen und warmhalten. Die Nudeln in sprudelndem Salzwasser bissfest kochen und mit der Gewürzbutter vermischen. Zum Servieren

80 g geröstete Pinienkerne,
4 EL gehackte Minze und
4 EL gehackte Petersilie über die Nudeln geben.

Ich hatte etwas zu wenig Safran, daher kann ich zu den Nudeln kaum was sagen, außer dass sie schön gelb sind. Die Gewürzbutter und die Kräuter sind allerdings der Kracher. Gleichzeitig mild und süßlich – der Zimt kommt ein winziges bisschen durch –, eine angenehme, ganz leichte Schärfe, und dazu die Frische von Minze und Petersilie: toll. Wie gesagt, gekaufte Pasta tut’s wahrscheinlich auch, und dann dauert das ganze Essen gerade mal ne Viertelstunde in der Zubereitung. Und wer öfter was von Ottolenghi kocht, hat auch alle Gewürze im Haus. (Ich kann ja immer noch nicht glauben, dass ich Kurkuma besitze.)