Ach, wenn’s doch jetzt etwas kühler wäre … und dann mit einer Decke und frischen Büchern aufs Sofa … oh, Moment.

Der Schweinehund und Gabi, die Giraffe, freuen sich über meinen neuen Quilt, unter dem sie auch mal kuscheln dürfen. Nachts, wenn ich schlafe und nicht mitbekomme, was sie so treiben.

Die Geschichte zum Quilt habe ich hier schon mal erwähnt, und die Fotos bei Ringelmiez (bitte folgen Sie den Links) sind auch etwas aufschlussreicher als meine. Und wenn Sie bei der Entstehungsgeschichte schon denken, meine Fresse, sieht das nach Arbeit aus, kann ich inzwischen sagen: der fertige Quilt erst recht. Ich traue mich kaum, ihn achtlos aufs Sofa zu werfen, was ich sonst mit meiner Decke tue, wenn ich mal vom Sofa runter will (kommt nicht oft vor), weil er eben nach Handarbeit aussieht und nicht nach Chinaproduktion.

Ich bin in jedes einzelne Stoffgeviert verknallt – natürlich besonders in die Teddybären –, und ich habe gestern eine wahrscheinlich zu lange Zeit damit verbracht, mit Augen und Fingern den geschwungenen Quiltnähten zu folgen, um zu gucken, ob da irgendein Muster verborgen ist. Ich hab keins gefunden, aber ich weiß jetzt, wo die Bundeslade liegt und wer JFK erschossen hat.

Auf dem obenstehenden Bild sieht man die einzelnen Nähte etwas besser, hoffe ich. Ich hatte mich ja schon nach Ringelmiez’ Fotos in die einzelnen Stoffquadrate verknallt, aber jetzt, wo ich sie vor der Nase habe, kann ich mich gar nicht entscheiden, welches mir am besten gefällt. Heute morgen ist es das braunrotgepunktete, gestern abend war es irgendeins mit den Libellen, morgen finde ich wahrscheinlich wieder das rote mit dem weißen Wellenmuster am schönsten.

Nachdem ich den Quilt lange genug bewundert hatte, hab ich mein zweites Päckchen von gestern aufgemacht. Das kam von Amazon (hab ich doch gewusst) und hat mir den vorletzten Band der Recherche geliefert. Unter anderem *hust*. Den habe ich auf die vier ausgelesenen und den fünften, der gerade in Arbeit ist – siehe Lesezeichen –, gelegt, um den netten Beigaben, die im Quiltpaket waren, einen würdigen Rahmen zu verleihen. Denn der Quilt war nicht nur in einen Wäschesack gehüllt, sondern es lag auch noch eine Tafel leckerste Schokolade dabei, eine Postkarte mit persönlicher Nachricht, und an der baumelte eine Eule, für die ich jetzt noch einen schönen Platz finden muss. Ich habe sie probeweise Gabi um die Hals gehängt, aber leider hat die Frotteegiraffe einen ziemlich miserablen Schwerpunkt, weswegen sie mit Athena nicht viel anfangen kann. Ich suche weiter.

Und irgendwann erzähle ich mal, warum ich Stofftieren keine vernünftigen Namen geben kann.

Rossi.

the breakfast blog

Alison Byrne Fields hatte als Teenager einen besonderen Brieffreund: John Hughes:

“I wrote back to John, explaining in no uncertain terms that, excuse me, I just poured my fucking heart out to you and YOU SENT ME A FORM LETTER.

That was just not going to fly.

He wrote back.

“This is not a form letter. The other one was. Sorry. Lots of requests. You know what I mean. I did sign it.”

(via Vinoromas Gezwitscher)

Das Wall Street Journal hat kurz mit Alison gesprochen:

“Did your interaction with him have an impact on your life?

Yes, I really do think so. Having an adult give you attention and encouragement who is not your mother or your father – who doesn’t have to do that for you – it gave me a level of confidence. Even with the presumptuousness of youth, I somehow thought it was okay to send a letter to the president of Paramount asking, ”Why hasn’t John Hughes written me back?”! I love the idea of adults responding and knowing “I should give attention to a kid.” It compelled me in my career. It makes me really care about listening to young people. It was about me as a kid having a voice, and I try to give kids a voice now.”

Meine Lieblingsantwort aus der ganzen Interviewreihe mit Nichtfußballfans bei „Du gehst niemals allein“ (ich erwähnte sie bereits) kommt von Madame Modeste:

„DGNA:
Wer wird Deutscher Meister 2009/2010?

Modeste:
Wer spielt denn so mit?“

Bei meinen Lesern ist anscheinend schon Weihnachten. Find ick jut, denn Hammwanich hat mir nicht nur einen Comic empfohlen, den ich mir brav auf den Wunschzettel gepackt habe, sondern ihn mir dann auch gleich geschenkt. Vielen lieben Dank dafür, ich habe mich sehr über Strangers in Paradise von Terry Moore gefreut.

(Keep it coming. Hab ich mir nach gestern ALLES VERDIENT.)

John Hughes ist gestorben.

Vielen lieben Dank an den Hühnerschreck für ein überraschendes Amazon-Päckchen. Darin befand sich Vertraute Fremde von Jiro Taniguchi. Wie’s mir gefallen hat, lest ihr wie immer Anfang nächsten Monats. Nach kurzem Reinblättern würd ich sagen: gutes Geschenk. Nochmals vielen Dank.

Dooce hat ihre zweite Tochter bekommen und sich für eine natürliche Geburt entschieden. Teil 1, Teil 2, Teil 3.

In der Klinik

Am Sonntag habe ich einen kleinen Ausflug auf die schönste Insel der Welt gemacht und mir im Zuge dessen die neue Show der wundervollen Geschwister Pfister angeschaut, die ich euch hiermit wärmstens und dringend ans weiche Herz legen möchte.

Jedes Programm der Pfisters hat einen roten Faden, und diesmal befinden wir uns in einer Klinik, in der arme, ausgebrannte Prominente wieder zu Kräften kommen. Ursli liest mit dramatischer Divasonnenbrille (“It’s for reading only”) aus einem Dankesbrief von Boris Becker vor, Frl. Schneider erinnert sich gerne an Iris Bourbon, und Toni hat – ganz der Organisator – bereits die Jubiläumskostümparty im Kopf, die in der Klinik stattfindet. Im ersten Teil der Show geht es musikalisch dann auch eher um verrückte Menschen und die guten Tipps, die die drei Doktoren für sie parat haben. Was mir persönlich besonders gut gefallen hat: Gleich der zweite Song ist Nat King Coles Lazy Hazy Crazy Days of Summer, der auf der gleichnamigen Langspielplatte drauf ist, die ich meinem Papa aus der Kellerbar geklaut habe, um sie mir an die Wand zu hängen. Also das Cover. Papa hat mir darauf erzählt, dass das seine erste Platte war, die er sich gekauft habe. Der dritte Song der Show ist Laurie Andersons Language is a Virus; ein Lied, das ich alleine des Titels wegen kaufen musste, ganz egal, wie die Musik war – die nebenbei großartig ist. Das Besondere an der Platte von Laurie Anderson: Sie war die erste CD, die ich mir gekauft habe. (Eat this, Dire-Straits-Käufer. Ihr habt die doch ALLE im Schrank stehen.)

Im zweiten Teil der Show versackt die Geschichte ein bisschen – aber dafür kommen endlich die großen Kostüme. Während vor der Pause nur Ursli mit seinem Outfit beschäftigt ist, dürfen danach alle drei zeigen, wie großartig sie aussehen, ganz gleich, was sie anhaben. Ich will jetzt überhaupt nichts verraten, weil alles so überkandidelt toll war und ich bei allem gelacht oder gesabbert habe. Es gibt wie immer viel zu gucken und noch viel mehr anzuschmachten – und nebenbei, auch wie immer, wundervolle Musik. Zwei Titel habe ich ja schon verraten, die meisten anderen stehen hier zum Kauf bereit.

Ich summe weiterhin In der Spelunke „Zur alten Unke“ vor mich hin und gucke mir die Show garantiert nochmal an. Vielleicht sehe ich dann ja den einen oder anderen von euch auch.

Bücher 2009, Juli

Eine kurze Erklärung, wie meine derzeit monatlichen Bücherlisten entstehen: Wann immer ich ein Buch durchgelesen habe, öffne ich den Blogeintrag, der ziemlich zu Anfang eines Monats entsteht und dann über vier Wochen fortgeführt wird, und ergänze ihn um mein neuestes Leseerlebnis. Daher klingen diese Einträge manchmal stilistisch etwas durcheinander, weil ich nicht alles in der gleichen Stimmung aufschreibe. Oder sie widersprechen sich selber – wie hier beim ersten und vorletzten Buch.

Marcel Proust – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 3: Guermantes

Von den drei ersten Bänden der Recherche der herausfordernste. Gefühlt die Hälfte der gut 800 Seiten spielt in zwei Pariser Salons, auf denen jede Person ausführlich vorgestellt wird – was mit all dem Innenleben, das Proust beschreibt, großartig ist. Aber: Dann geht es in die Gespräche, und diese drehen sich unter anderem um Maler, die ich nicht kenne, die Bilder gemalt haben, die ich nicht kenne, die in Schlössern hängen, die ich nicht kenne, in denen Hoheiten wohnen, die ich nicht kenne. Bei den ersten beiden Bänden habe ich recht wenig Zeit im Anhang verbracht, beim dritten Band habe ich gleich mein Lesezeichen im hinteren Teil des Buchs gelassen, weil ich alle drei Minuten was nachgucken musste. (In diesem Zusammenhang: whatever happened to the good old Fußnote?) Ob es nun politische Anspielungen aus der Zeit um die Jahrhundertwende sind, Metaphern, die ich alleine nicht deuten konnte, Straßennamen in Paris, Hutmacher, Opernsängerinnen oder Möbeltischler – alles, was Proust erwähnt, hat irgendeine Bedeutung, und die wäre ohne den Anhang völlig an mir vorbeigegangen*. Aber im Zusammenspiel mit den ausgezeichneten Randbemerkungen war es nicht nur der herausforderndste, sondern auch der bisher lohnendste Band. Es fühlt sich an, als ob man auf einem alten Speicher rumklettert und immer mehr verstaubtes Zeug findet, und je länger man darin herumwühlt, desto besser passt alles zusammen. Ich bin mir sicher, dass ich damit Proust aber sowas von gar nicht gerecht werde, aber ich mag diesen alten Speicher von Seite zu Seite mehr. Hab ja auch nur noch 2.723 vor mir.

* (See? FUSSNOTE!) Ich bin inzwischen im vierten Band Sodom und Gomorrha (Suhrkamp Taschenbuch 3644, 1999), und dort schreibt der Kommentator über diesen Satz „Ich glaube, ich täusche mich nicht, Sie sind doch auch aus Zürich, ich meine, ich bin Ihnen dort beim Antiquitätenhändler begegnet“ (Seite 13): „Der Umgang mit Proust lehrt, daß kaum etwas in seinem Roman zufällig ist. Um so ärgerlicher ist es für einen Proust-Kommentator aus Zürich, eingestehen zu müssen, daß er an dieser Stelle vor einem Rätsel steht.“ (Seite 798)

Jeph Loeb/Tim Sale – Wolverine/Gambit: Victims

Mein erster Comic aus der X-Men-Reihe. War nett. Und damit ist nicht die kleine Schwester von Scheiße gemeint, sondern: war nett. Die Zeichnungen fand ich nicht herausragend, aber nett, die Story nicht umwerfend, aber nett, und diese Kritik ist nicht umfassend, aber nett.

Paul Dini/Bruce Timm – The Batman Adventures: Mad Love

Kaspertheater auf Papier. Der Joker kriegt einen liebestollen Sidekick namens Harley Quinn (Harlekin), die für ihn Batman erledigen will, was der alte Macho natürlich nicht gelten lassen kann. Das ganze ist quietschigbunt gezeichnet und fühlt sich wie die 50er Jahre an, hat aber trotzdem Spaß gemacht.

flix – Sag was

Ach, wie oft soll ich’s denn noch sagen. Flix ist toll, seine Bücher sind toll, seine Geschichten sind toll, seine Sätze sind toll, seine Webcomics sind toll, und ich ziehe jetzt nach Berlin, kette mich an seiner Haustür fest und hoffe, dass er mir alle Bücher signiert, die ich von ihm habe. Sind erst drei, aber alle anderen kaufe ich genau: jetzt. Und ihr bitte auch. Vor allem das hier, das sich vordergründig um eine Beziehung dreht und hintergründig um viel mehr, und weil es so gekonnt die Balance hält zwischen Drama und Komödie und ganz schrecklichen Momenten und ganz wunderbaren Gesten. (Ein Buch gelesen. Geweint.)

David Mack – Kabuki: The Alchemy

Ein Tipp vom Teilzeitgiganten, der mich außerdem auf diesen Artikel von HD Schellnack hingewiesen hat, in dem es um Mainstreamcomics (= Superheldenzeug) geht, die ich bis jetzt hauptsächlich gelesen habe. Kabuki: The Alchemy ist demnach so gar kein Mainstream – und für mich eine Offenbarung gewesen. Ich kann mich immer nur wiederholen: Die Welt der Comics ist für mich noch so unübersichtlich, dass ich mich momentan auf Empfehlungen verlasse oder eben das Kerl’sche Comicregal. Ich suche in der Gegend rum und gucke, kaufe, wenn mir der Zeichenstil gefällt oder die Story spannend klingt. Eigentlich nicht viel anders als wenn ich DVDs aussuche oder Bücher, aber da habe ich wenigstens Ansatzpunkte, die ich kenne: Schauspieler, die ich mag, oder Schriftsteller, deren Stil mir zusagt. Bei Comics fehlt mir das alles noch, und deswegen freue ich mich über jeden Hinweis auf Perlen, die mir sonst entgehen *hint* und lese alles, was Comicgate schreibt.

Kabuki ist eine mehrteilige Serie – und warum mir ausgerechnet der letzte Teil empfohlen wurde, weiß ich nicht. Allerdings ahne ich, dass ich die anderen Teile jetzt nicht mehr lesen müsste, wenn’s mir nur um die Story ginge, denn die schwingt immer mit. Dass ich sie trotzdem lesen möchte, liegt an den Bildern. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, wirklich eine graphic novel im Wortsinne zu lesen. Also eine Geschichte, die sich grafisch entfaltet und zusammen mit dem Text einen sehr dichten Eindruck hinterlassen hat. The Alchemy arbeitet eher mit Collagen als mit klassischen Zeichnungen, obwohl die auch vorkommen. Meist sieht eine Seite aber aus wie eine Schreibtischoberfläche oder ein Skizzenblock: 3D-Elemente in Fotoform oder ausgeschnitten treffen auf Kritzeleien, ein zerbrochener Fächer begrenzt die Panels, Post-its kleben auf Aquarellbildern … und so kreativ und, ich möchte sagen: fließend die visuellen Eindrücke sind, so ist auch die Geschichte. Kabuki fängt ein neues Leben an, sucht nach einem neuen Namen und einer neuen Berufung. Die findet sie im Schreiben, und das ist dann auch im Prinzip die gesamte Geschichte. Die Story entfaltet sich eher in Überlegungen, Gedanken, Träumen, den Seiten eines Kinderbuchs und Briefen, die Kabuki an eine gewisse Akemi schreibt, deren Name ein Anagramm für I Make ist. Manche Sätze sind fiese Glückskeksweisheiten (dieser Kritik kommt Autor David Mack aber gleich am Anfang des Buches entgegen, wo er eine Seite fast ausschließlich mit Glückskekszetteln gestaltet), manche sind Zitate, wie sie auf jeder Aphorismenseite im Internet vorkommen, aber manche geben dem Kopf diesen gewissen Kick, der einen dann nicht schlafen lässt oder einen dazu bringt, das eigene Schaffen zu überdenken – und sich zu fragen: Was geht denn noch? Was kann ich noch machen? Und wieso warte ich darauf, bis mir jemand eine Erlaubnis dazu gibt anstatt einfach *jetzt* mit irgendwas anzufangen?

Uli OesterleHector Umbra

Noch eine große Empfehlung. DJ Osaka, ein Freund vom kettenrauchenden, jägermeisterschluckenden Hector, verschwindet eines Abends während eines Gigs. Hector macht sich auf die Suche und trifft dabei nicht nur eine scheinbar Geistesgestörte, die mit schwarzer Farbe „Portale“ verschließen will, sondern auch einen gerade verstorbenen Kumpel, einen kleinen Jungen, dessen Vater von Parasiten befallen ist, die nur er sehen kann, und viele weitere Menschen und … äh … Wesen, die alle eine Mission haben, zu der Osaka der Schlüssel ist. Hector Umbra vermischt sehr gekonnt das reale München (ich sage nur: Hubbsi) mit einer völlig irrwitzigen Geschichte von Wahnvorstellungen. Man kann sich nie sicher sein, was auf der nächsten Seite passiert, und das Ende setzt allem nochmal eine Krone auf. Ich fand die Zeichnungen und die Kolorierung sehr gelungen, die Dialoge noch viel mehr, und würde Herrn Umbra gerne durch weitere Bände begleiten.

Marcel Proust – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 4: Sodom und Gomorrha

Habe ich oben den Anhang gelobt? Ziehe ich hiermit zurück. Relativ zu Beginn des vierten Bandes so: „Vorahnung auf den Tod von xy.“ Ich so: „Waaah! Hey, Anhang, es gibt noch Leute, die wirklich nicht wissen, was in der Recherche passiert! Lass das Spoilern!“ Anhang so: „Warte, ich hab noch mehr Plotpoints zum Verraten. Also:“ Ich so: „Waaah!“ Hmpf. Das Tolle ist: Noch ist xy am Leben, das heißt, ich habe noch drei Bände mit Todesvorahnungen vor mir. Oder auch nicht. Vielleicht haucht er/sie ja schon im fünften Band sein/ihr Leben aus. Notfalls guck ich halt IM ANHANG nach.

Der vierte Band hat den Themenschwerpunkt Homosexualität. Der Titel ist dazu der Schlüssel: männliche Homosexuelle werden als Bewohner Sodoms bezeichnet, weibliche als Bewohnerinnen Gomorrhas. Proust skizziert die damals gängige „wissenschaftliche“ Erkenntnis, dass Schwule Zwitterwesen seien, die eigentlich lieber eine Frau geworden wären. Deswegen darf eine Hauptfigur auch auf einmal leicht weibliche Wesenszüge haben, während eine andere Figur – nämlich die Geliebte des namenlosen Erzählers – plötzlich ständig in Gefahr schwebt, von ihren Freundinnen verführt zu werden. Literarische locker room fantasies am Strand von Balbec. Ich gebe zu, dass ich bei diesem Band des Öfteren ungläubig geschnauft habe, so seltsam ist auf einmal der Umgangston Prousts mit seinen Figuren und so nervig die Verhaltensweise des Erzählers („Morgen halte ich um ihre Hand an. Oder ich mach mit ihr Schluss“). Natürlich klopfe ich mir dafür immer sofort auf die Finger und murmele, Weltliteratur, Weltliteratur!, aber ich gebe zu, dass ich mich durch diesen Band eher gequält anstatt lustvoll fortbewegt habe. Trotz der vielen angedeuteten Kussszenen. Hui.

Mary Ann Shaffer & Annie Barrows, The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society

Eine freundliche Zuwendung der Kaltmamsell, über die ich mich sehr gefreut habe. Guernsey ist ein Briefroman – oder eher: ein Roman, der in Briefen, Telegrammen und Notizen erzählt wird. Was eigentlich egal ist, denn die Form verschwindet sehr schnell hinter ihrem Inhalt. Die Journalistin und Autorin Juliet Ashton hat während des 2. Weltkriegs eine Kolumne und ein Buch geschrieben und ist nun, kurz nach Kriegsende, auf der Suche nach einem neuen Stoff. Eines Tages erhält sie einen Brief von der Insel Guernsey: Ein Mann schreibt ihr, er besäße ein Buch, das einmal ihr gehört habe. Sie fangen an zu korrespondieren, gleichzeitig erhält Juliet den Auftrag, eine Kolumne über die Liebe zum Lesen und zu Büchern zu schreiben, und so entspannt sich ganz unaufgeregt eine sehr vielschichtige Story. Es geht nicht nur um Bücher und wie sie uns retten, sondern auch um die Besetzung Guernseys durch die Deutschen, die Folgen für die Insel bzw. deren Bewohner, gute und schlechte Taten und ihre Folgen und wie scheinbare Kleinigkeiten große Auswirkungen haben. Guernsey ist eines von diesen charmanten Büchern, die einen warm umfangen und nicht mehr loslassen, bis man sie durchgelesen hat – und dann gleich nochmal von vorne anfangen möchte, weil einem die cleveren, liebevollen, unterhaltsamen Charaktere so ans Herz gewachsen sind. Ganz große Empfehlung für ein paar entspannte Stunden am Lieblingsleseplatz. Und nochmal ein dickes Danke für das schöne Geschenk.

World Science Festival 2009: Bobby McFerrin Demonstrates the Power of the Pentatonic Scale from World Science Festival on Vimeo.

“Regardless of where I am – anywhere – every audience gets that.” Via mein arschs Gezwitscher.

Oh, Craig Thompson hat ein Blog. (Via Liz)

Lecker Stöffschen

Cakewrecks, eins meiner Lieblingsblogs, hat mich auf einen Wettbewerb von Threadless, einem meiner liebsten T-Shirt-Lieferanten, aufmerksam gemacht: Threadcakes. Kuchen bzw. Torten, die nach Shirtmotiven gebacken wurden. Wie großartig ist das denn wieder?

Ich habe nur zwei meiner Shirts wiedergefunden, und beide Kuchen sind nicht ganz so der Bringer. Egal. Ich finde die Idee fantastisch: Bunny and Gopher (ShirtKuchen) und Nothing Rhymes with Orange (ShirtKuchen).

“Have you ever noticed that when your mind is awakened or drawn to someone new, that person’s name suddenly pops up everywhere? My friend Sophie calls it coincidence, and Reverend Simpless calls it grace. He thinks that if one cared deeply about someone or something new one throws a kind of energy out into the world, and ‘fruitfulness’ is drawn in.”

Mary Ann Shaffer & Annie Barrows, The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society. Eine kleine (wunderbare) Aufmerksamkeit der Kaltmamsell. Mehr darüber in meinem monatlichen Leserückblick, den ich am Samstag veröffentliche, denn ich habe das Büchlein fast durch. Muss nur kurz bloggen und kurz arbeiten, dann kann ich es zuende lesen.

Watchmen

Watchmen (Die Wächter, USA 2009, 162 min)

Darsteller: Malin Akerman, Billy Crudup, Matthew Goode, Jackie Earle Haley, Jeffrey Dean Morgan, Patrick Wilson, Carla Gugino, Matt Frewer, Robert Wisden
Musik: Tyler Bates
Kamera: Larry Fong
Drehbuch: David Hayter & Alex Tse (nach dem Comic von Alan Moore/Dave Gibbons)
Regie: Zack Snyder

Trailer

Offizielle Webseite

Lustig: Ich kann zum ersten Mal eine Kritik über eine Comicverfilmung schreiben, von der ich die Vorlage kenne. Weniger lustig: Ich glaube, der Film hat mir deshalb nicht ganz so gut gefallen, weil ich die Vorlage kenne.

Watchmen hat vieles richtig gemacht. Ich fand die Figuren größtenteils sehr gut umgesetzt; ich hatte bei keinem das Gefühl, näh, das passt jetzt so gar nicht mit dem Bild zusammen, das ich nach dem Comic im Kopf hatte. Jeder der Schauspieler und Schauspielerinnen hat die Essenz, das Besondere dieser bestimmten Figur, auf den Leib geschrieben bekommen, und netterweise sind keine Models gecastet worden, sondern Leute, die was können. Billy Cudrup gibt den seltsam entrückten und weltfremden Sätzen von Dr. Manhattan diesen gewissen Hauch an verlorener Menschlichkeit mit, der ihn davor rettet, als gefühlloser Supermann hinter seiner blaugen CGI-Gestalt zu verschwinden. Allen voran ist aber Jackie Earle Haley als Rorschach; er ist wirklich die fleischgewordene Zeichnung. Ich behaupte, ich habe seine Stimme im Ohr gehabt, als ich den Comic gelesen habe, noch bevor ich die ersten Trailer gesehen habe. Dieses Verächtliche, der Abscheu vor der Welt und allem, was sich auf ihr bewegt – das kommt in jeder Sekunde, in der Rorschach zu sehen ist, zum Ausdruck. Und nebenbei ist seine animierte Maske großartig.

Das Problem mit der Essenz ist natürlich: Der Film hat einfach keine Zeit, alle Details, die der Comic bereithält, auf die Leinwand zu übertragen. Mit über zweieinhalb Stunden ist Watchmen schon ganz ordentlich lang geworden, und er braucht auch jeden Augenblick. Naja, fast jeden: Auf die Sexszene in billigster Pornooptik mit der komplett fehlplatzierten musikalischen Untermalung durch Leonard Cohen hätte ich gerne verzichtet. Überhaupt hätte ich generell gerne etwas weniger wiedererkennbare Musik im Film gehabt: 99 Luftballons und All along the watchtower sind sicherlich tolle Songs, aber ich fand sie völlig sinnentleert eingesetzt. Und der Walkürenritt zum Vietnammassaker war dann auch extrem uninspiriert. (Apocalypse Now, anyone? Und nein, ich habe das nicht als Verbeugung vor dem Meisterwerk gesehen, sondern einfach als „Das gab’s schon mal, das fanden alle gut, das kopieren wir einfach.“)

Zurück zur Essenz: Was den Comic so besonders gemacht hat, war die extreme Detailverliebtheit in die Vergangenheit der Wächter. Da wurden eben nicht mal drei kleine Panels genutzt, um dem Charakter Tiefe zu verleihen, sondern dreizehn Seiten. Plus schriftliches Dossier am Ende jeden Bandes. Jeder einzelne der Wächter hatte eine ausgeklügelte Psychologie, aus der sich seine Handlungen ergaben. Die klangen zwar teilweise im Film an, waren aber natürlich längst nicht so ausführlich. Und das hat einige Figuren dann doch eher blass aussehen lassen, allen voran Nite Owl. Ihre Besetzung stimmte, die Kostüme sahen klasse aus, ihre Dialoge waren gut – und trotzdem habe ich mich die ganze Zeit gefragt, warum ich mit ihnen mitfühlen sollte. Obwohl ich ihre Vorlage kannte.

Der andere Punkt, an dem ich zu knabbern hatte, waren die Metzelszenen. Ich weiß nicht, warum Regisseur Zack Snyder so viel Wert darauf legt, in Zeitlupe und Großaufnahme zu zeigen, wie Messer in Hälse eindringen oder Knochen brechen, wenn man gegen sie tritt. Vor allem, weil es die Story so gar nicht weiterbringt oder den Figuren noch eine andere Seite mitgibt. Und vor allem: Sie minimieren das Ende in seiner Wirkung. (Achtung, Spoiler:) Wer gesehen hat, wie jemandem mit einer Flex die Unterarme durchtrennt werden, den erschüttern ein blauer Blitz und einstürzende Hochhäuser nicht mehr wirklich. Was sehr schade ist, denn das Ende sollte erschüttern. Die durchtrennten Unterarme natürlich auch, aber die waren ein winziges Detail und nicht das große Finale. Falsche Prioritäten, Snyder!

Was mir halb negativ, halb positiv aufgefallen ist: die im Endeffekt doch recht gradlinige Umsetzung. Natürlich muss ein Film eine Geschichte anders erzählen als eine literarische Vorlage, aber manche Filme suchen sich nur ihre Lieblingsversatzstücke raus und unterschlagen den Rest. Das musste Watchmen zu einem gewissen Teil auch: Die Story in der Story mit dem Jungen, der einen Comic liest (und eben der Inhalt des Comics), fehlt völlig – was den Film aber auch nicht besser gemacht hätte, wäre sie drin gewesen. Denn das Comiclesen hat ja nur Sinn gehabt, weil es in einem Comic stattgefunden hat. Bis auf dieses Detail, was im Comic sehr viel Platz bekommt, bewegt sich die Geschichte recht nah an der Vorlage – und versagt dabei, einen angemessenen filmischen Erzählstil zu finden. Das Tempo versackt ganz gerne mal, wenn die Rückblenden anstehen, um die Vergangenheit der Figuren zur beleuchten. Ganz besonders ungelenk passiert das bei der Beerdigung des Comedians, auf der verschiedene Figuren am Grab stehen, auf die die Kamera ranzoomt, um dann in der Vergangenheit zu verschwinden. Das hat sich doch sehr beliebig angefühlt, um auf Teufel komm raus die Beziehung der Charaktere untereinander klarzuzurren. Viel eleganter hat das bei Mr. Manhattan funktioniert, dem wir auf dem Mars zuschauen, wie ihm ein Foto aus der Hand fällt – soweit ich mich erinnere, eins zu eins aus der Comicvorlage übernommen und trotzdem mit ganz simplen filmischen Mitteln überzeugend umgesetzt.

Die Geschichte an sich hat aber trotz der Macken und Mängel des Films immer noch die gleiche Wucht wie im Comic. Der Entwurf einer Welt, in der Nixon seine fünfte Amtszeit ableistet und sich die USA und die UdSSR an der Schwelle eines Atomkriegs befinden, die Angst, die Mutlosigkeit, die Endzeitstimmung, die politische Kälte – all das kann der Film gelungen transportieren. Und: Er schafft es, in sehr kurzer Zeit – nämlich in den drei Minuten des absolut sehenswerten Vorspanns – die Ausnahmestellung der ehemaligen Superhelden zu verdeutlichen, die verschiedenen Karrieren, die sie hingelegt haben, warum es einigen von ihnen gut geht und anderen nicht. Das Gefühl, dass es eine Gruppe Menschen gibt, die mit dieser Welt nicht einverstanden sind, wird sehr deutlich, genau wie die Einsamkeit der Gruppenmitglieder, die nur sich selbst und ihre wenigen Vertrauten haben.

Watchmen ist leider nicht der Film geworden, den ich mir erhofft hatte, und er ist auch keine gelungene Alternativversion der Geschichte, die den Comic filmisch interpretiert. Er hat viele gute Momente, aber er schafft es nicht, einen vollständig in seinen Bann zu ziehen – trotz der grandiosen Geschichte, seiner vielen guten Ansätze und dem offensichtlichen Respekt vor der Vorlage. Er ist trotzdem ein Film geworden, den man sich gut anschauen kann – wahrscheinlich noch besser, wenn man das Original nicht kennt. Aber er hat mich weitaus weniger berührt und mit viel weniger Fragen zurückgelassen, als es der Comic getan hat.