Meine letzte Woche in Berlin fängt an. Musikalische Einstimmung zum Abschied: Schwarz zu Blau von Peter Fox. Grandioses Video. Bitte in anständiger Auflösung angucken.
An alle deutschsprachigen Blogautoren: „Bildergallerie“ schreibt man in Wirklichkeit „Bildergalerie“. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
#Ruhig, Brauner
I still can’t believe he gets money for this. (Bin grün vor Neid.)
Gerade zwei Folgen 30 Rock geguckt, jetzt Late Night with Conan O’Brien. Keep it coming!
The Golden Globes 2009
2.00 Uhr. Die Golden Globes gehen los. Leider ohne großen roten Teppich, weil Pro7 erst Punkt jetzt einsteigt. Schnucki und Dauersingle Jeremy Piven ist wieder mit Mama da, und aus den Augenwinkeln habe ich erschrocken Miley Cyrus gesehen. KIEFER!
2.01. Jennifer Lopez in Gold fragt, ob alle eine gute Zeit haben. Bisschen früh, hm? Egal, erster Preis: Best Performance by an Actress in a Supporting Role in a Motion Picture geht an – endlich kriegt sie mal was! – Kate Winslet für The Reader. Leo gratuliert als erster. Elegant und schlicht in schwarz, Zettel aus der Handtasche … “You have to forgive me, I have a habit of not winning things.“ … Mitstreiterinnen, Crew, blablabla und der Dialektcoach für Deutsch, Maskenbildner – “Thank you for making me look so old.” Ehemann, Kinder, reicht.
2.06. Sting mit Bart und ungekämmt, sieht aus wie ein schlechter Vampir, präsentiert den Best Original Song. Clint Eastwoods Begleitung knipst die Bühne mit ihrem iPhone. Miley streckt mal wieder die Zunge raus (get a new signature pose, baby). Beyoncé mit viel zu viel Schmuck, dafür sieht Bruce Springsteen sehr entspannt aus. Kein Wunder, denn er kriegt den Preis für The Wrestler aus dem gleichnamigen Film. Springsteen: “This is the only time I will ever be in a competition with Eastwood.” Er bedankt sich bei Mickey Rourke, der ihn anscheinend angerufen hat, um ihn zu bitten, einen Song für den Film zu schreiben.
2.14. Eva Longoria in Rot, eng, glänzend, Sanduhrfigur, Schleppe, aufdringlichen Brüsten und Simon Baker mit blonden Highlights präsentieren Miss Golden Globe Rumer Willis. Demi und Ashton winken aus dem Publikum. Longoria/Baker kündigen die längste Kategorie an: Best Performance by an Actor in a Supporting Role in a Series, Mini-Series or Motion Picture Made for Television. Leider nichts für Neil Patrick Harris oder Jeremy Piven, Sieger wird Tom Wilkinson für John Adams. Ich mag Wilkinson. Mal sehen, ob ihn sein Produzent auch noch mag, denn er hat seinen Nachnamen vergessen.
2.17. Gleich den nächsten langen Preis hinterher: Best Performance by an Actress in a Supporting Role in a Series, Mini-Series or Motion Picture Made for Television geht an Laura Dern für Recount. Auch in Schwarz, sieht ein bisschen aus wie ein Kostüm aus Mad Men, bisschen petticoatig, aber hübsch. “Thank you to the brave and fearless HBO …” Ja, das kann man gerne mal so sagen. Sie beendet ihre Rede mit einem Hinweis auf den neuen Präsidenten (in Recount geht es um die Auszählung 2000 in Florida). Ralph Fiennes mit Fastglatze guckt genervt.
2.25. Don Cheadle, elegant wie immer, aber komplett haarfrei, sagt den Ausschnitt aus der ersten nominierten Komödie an. Aber erst beschwert er sich, dass die Coens ihn noch nie engagiert hätten. “I would have crushed Fargo! Macy was good, but I would have crushed it! Anyway … It’s a comedy about dumb people … Brad … this is Burn After Reading.”
2.27. Eva Mendez trägt schicken Türkisschmuck und ein weißes Kleid, das vorne so aussieht, als hätten einfach noch drei Meter Stoff verarbeitet werden müssen. Sie kündigt den Präsidenten der Hollywood Foreign Press Association an, der allen viel Spaß wünscht. Und das in weniger Zeit als Eva gebraucht hat, um ihn anzukündigen.
2.28. Hayden Pannettière und Zac Efron kündigen Best Performance by an Actor In A Television Series – Drama an und verleihen die Kugel an Gabriel Byrne in Abwesenheit für In Treatment.
2.30 Zachary Quinto und Captain Kirk (Chris Pine, danke, Google) aus dem neuen Star-Trek-Film verleihen Best Performance by an Actress in a Television Series – Drama an eine erblondete Anna Paquin für True Blood. Schlicht in ganz dunkelblau rattert sie viele Namen runter und findet alles awesome, sieht aber nicht so aus.
2.33. Schreibt man Farben groß oder klein? Ich schreib die jetzt klein. Mein Duden ist in Berlin. Hiermit entschuldige ich mich schon mal für alle Rechtschreibfehler. Wenn das hier gegen 5 zu Ende ist, geh ich ins Bett und korrigiere erst nach dem Aufstehen. Wir bitten um Ihr Verständnis. Thank you for travelling with …
2.36. Ricky Gervais kommt mit Drink auf die Bühne. “Shush! How rude are you? Just because you’re film stars … I’m not in charge tonight. I’m not even nominated. I’m staff. Kate Winslet, did I tell you? Do a Holocaust movie! … In Holocaust movies, there’s never a gag reel on the DVD … Again, I’m not nominated. I never have sex with middle aged journalists again … Europeans with wispy beards … and the men were worse.” Er stellt Happy-Go-Lucky vor.
2.39. Dürft ihr überhaupt noch aufbleiben? Die Jonas Brothers (WTF?) vergeben Best Animated Feature Film an – natürlich – WALL-E. Hach. Regisseur Andrew Stanton hat inzwischen Routine und spult auch nur Namen ab. Immerhin nennt er alle Stimmen, und Sigourney Weaver im Publikum freut sich.
2.42. Johnny Depp hat sich gewaschen und sieht fast ein bisschen Jump-Streetig aus. Er vergibt Best Performance by an Actress in a Motion Picture – Musical or Comedy an Sally Hawkins für Happy-Go-Lucky. Auch in schwarz! Ich krieg ja fast Sehnsucht nach Frau Longoria. Meryl Streep trägt auch Schwarz. Hab ich irgendwas nicht mitgekriegt? Sally ist ein bisschen überwältigt und stellt die Statue erstmal zu ihren Füßen ab. “Hope I don’t forget to put it in my car …” und sie heult wieder. Niedlich. Ich würde hier jetzt gerne einen Smiley reinposten. Aus dem Publikum beruhigt Emma Thompson (guess the dress color) gestenreich die schniefende Sally. Crew, Filmfirma, Eltern … “I should have shut up a long time ago. Thank you.”
2.51. Ein breitschultriger Jake Gyllenhaal – Pierce Brosnan im Publikum: “Wow!” – kündigt den Clip für The Curious Case Of Benjamin Button an.
2.53. Jessica Lange (schwarz) und Drew Barrymore (silbergrau und mir sehr aufgerüschtem Haar und blauem Lidschatten), Kleider immerhin sehr schlicht und schick vergeben Best Mini-Series Or Motion Picture Made for Television an John Adams. Executive Producer Tom Hanks (in schwarz, haha) nimmt den Preis entgegen.
2.57. Demi Moore in irgendwas Weißem, was ein bisschen an Sommerabende auf der Terrasse am See erinnert, bittet ihre Tochter erstmal charmant um eine bessere Haltung. Dann haut sie Best Performance by an Actor in a Supporting Role in a Motion Picture posthum an Heath Ledger raus. Naja. Standing Ovation für seine Vertretung auf Erden, Chris Nolan, Regisseur von The Dark Knight. Ein kleiner Ausschnitt aus dem Film. “All of us who worked on The Dark Knight with Heath accept this with a mixture of grief and incredible pride.”
3.05. Tom Brokaw (? hä? was macht der denn hier?) knödelt die Ansage für Frost/Nixon raus. “In the 70s I was a White House correspondent for NBC …” Ah, deshalb.
3.06. Colin Farrell, kaugummikauend, verleiht Best Foreign Language Film … bloß nicht das Baader-Meinhof-Kompott … an Waltz with Bashir aus Israel. Muss ich auch noch gucken. Ich muss überhaupt noch alles gucken. Außer WALL-E. Obwohl: den kann man ja immer gucken. Der Regisseur hat keinerlei Modulation, und seine Frau hat – Überraschung! – ein schwarzes Kleid an. Er grüßt alle production babies und hofft, dass diese Kinder den Film eines Tages sehen und sich an einen lange beendeten Krieg erinnern werden. Ein frommer Wunsch. Ich drück die Daumen.
3.09. Maggie Gyllenhaal in einem Augenkrebskleid in blaugemustert und Aaron Eckhardt, der die Optik auf der Bühne gerade noch retten kann, verleihen Best Performance by an Actress in a Mini-Series or Motion Picture Made for Television an Laura Linney für John Adams. Linney trägt eine Mischung aus senfgelb- und fleischfarben mit Glitzergürtel. Kind! Es gibt doch so schöne schwarze Kleider! Egal. Ich liebe Laura Linney. Langweilige Rede, aber sie kitzelt immerhin einen Applaus für Paul Giamatti raus.
3.13. “Coming up …” Ich hör dem Trailer nicht mehr zu. Ich hab Salma Hayek und ihr Dekollete gesehen. Mein Abend ist gerettet.
3.17. Zuckerstückchen Gerard Butler kündigt In Bruges an. Der nuschelt ja auch, wenn er keinen festen Text hat. Ts. (This! Is! Sprachunterricht!)
3.18. Seth Rogen und … äh … ich kenn dich … Elizabeth Banks vergeben Best Screenplay an Simon Beaufoy für Slumdog Millionaire. Man kann eine kleine Standing Ovation erahnen. Belanglose Rede. Wieso können die Drehbuchleute nie gute Reden schreiben?
3.21. McDreamy und irgendwas Blondes, das ich auch kenne, verleihen Best Performance by an Actor in a Television Series – Musical Or Comedy an Alec „Little disgusting pig“ Baldwin für 30 Rock. “Thank you, Tina, thank you, Tina, thank you, Tina. And I want to thank Tina.”
3.29. Squinty Renee Zellweger in schwarz und fluffig kündigt The Reader an. Letztes Projekt von Anthony Minghella und Sidney Pollack.
3.30. Terrence Howard und Megan Fox in glitzergold vergeben Best Performance by an Actor in a Mini-Series or Motion Picture Made for Television an … Kiefer? Näh, der hatte ihn schon zu oft. Paul Giamatti für John Adams kriegt ihn. Gibt’s das Ding schon auf DVD? Scheint ja was zu taugen. “This was a hell of a job, this little costume drama we put on. Incredible cast. Wilkinson got me smoking again.”
3.33. Laurence Fishburn und Glenn Close (Hosenanzug! Yay!) verleihen Best Television Series – Musical Or Comedy an … leider nicht Entourage, obwohl alle Jungs da sind, sondern an 30 Rock. Tina Fey in schwarzzzzzzz … oh, sorry … kommt mit dem Cast auf die Bühne, und der schwarze Kollege namens … äh … ich kenne die Serie zu meiner Schande immer noch nicht, und daher kenne ich seinen Namen auch nicht und finde ihn auch nicht auf der IMDB, aber jedenfalls bedankt er sich statt Tina, weil er und Tina einen Deal hatten, dass er sich bedanken darf, wenn Obama gewinnt. Und über diesem langen Satz hab ich die Rede nicht mitgekriegt.
3.43. Pierce Brosnan kündigt Mamma Mia! an.
3.44. Sean „Puffy“ Combs und Kate Beckinsale in schickweiß und Riesenrubinen am Ohr vergeben Best Original Score an A. R. Rahman für Slumdog Millionaire. Da stehen schon wieder ein paar Leute. Jetzt fast alle. Rahman liest brav vom Zettel ab und bedankt sich unter anderem bei “a billion Indians”.
3.46. Jane Krakowski in weiß und David Duchovny (der erstmal irgendwie unangenehm rumstottert) verleihen Best Performance by an Actress in a Television Series – Musical Or Comedy an Tina Fey. “I always loved the Hollywood Foreign Press, I have all the Hollywood Foreign Press action figures! … I had an incredible year, but if you ever feel too good about yourself, there’s this thing: the internet. Some people are out there right now.” Großer Jubel. Pffft. (She doesn’t mean me, right? I loved you as Palin!)
3.55. Martin Scorsese verleiht den Cecil-B.-DeMille-Award an Steven Spielberg. Er nennt ihn einen Pionier, der seit 40 Jahren den Film immer wieder neu erfindet. Schniefiger Einspieler, als ob der Mann schon tot wäre. Jaws, Close Encounter, E.T., Color Purple, Empire of the Sun, Jurassic Park, Amistad, Schindler’s List, Saving Private Ryan, A.I., Minority Report (hatte ich schon verdrängt, dass der von Spielberg ist), Catch me if you can, War of the Worlds, Munich, Indiana Jones … seine Fernsehregiearbeiten und Produzententätigkeit … ja, reicht jetzt. Ihr dürft aufstehen. Scorsese ist gerührter als Spielberg. Er guckt sich den Preis an: “Look at this, redesigned and everything” und nennt Scorsese seine Inspiration. Angeblich war sein erster Film, den er 1952 mit seinem Vater gesehen hat, einer von Cecil B. DeMille, The Greatest Show on Earth. Schöne Rede vom Geschichtenerzählen und der Magie des Kinos. Tom Cruise tut so, als ob er wüsste, wovon der Mann da oben redet. (Jetzt redet er allerdings seit fünf Minuten. Hello? We’re on a clock here!)
4.12. Emma Thompson und Dustin Hoffman zicken sich spielerisch auf der Bühne an …”We had the pleasure of working with the most gifted directors, and we would like to work with them again. We hereby offer you a discount … no? Yeah, you’re right.” Best Director geht an Danny Boyle für Slumdog Millionaire. So, jetzt stehen alle gleich auf. “Hollywood Foreign Press, your mad, pulsating affection for this film is really appreciated.” Er bedankt sich bei ganz Mumbai und den üblichen Verdächtigen.
4.16. Sigourney Weaver in dunkelblau (danke dafür) kündigt den Clip für Revolutionary Road an.
4.18. Sandra Bullock in weiß mit ein bisschen zuviel Rumgerüsche über den Füßen kündigt sehr launig – “Dustin Hoffman for Last Chance Harvey, a movie about a man falling in love with a much younger woman … that’s something we’ve never seen in this room before” – Best Performance by an Actor in a Motion Picture – Musical or Comedy an und überreicht ihn dem überraschten Colin Farrell für In Bruges. “They must have done the counting in Florida. I have to thank my family in Ireland, Catholic guilt …“ Er haut ein bisschen Philosophie raus, die mich jetzt bei ihm durchaus überrascht, die aber so klingt, als ob er den Film wirklich in sein Herz geschlossen hat.
4.23. Die Werbeblöcke für diesen Uri-Geller-Scheiß machen mich fertig. How stupid do you think we are, Pro7? (Please don’t cut me off before the Oscars.)
4.26. Aaaaah, da ist Salma. In weiß. Schmelz … ich hör ihr nicht zu … ich kann ihr gar nicht zuhören … ich glaube, es geht um den Clip zu Vicky Cristina Barcelona. Whatever.
4.28. Sacha Baron Cohen erzählt über die Nominierten für Best Motion Picture – Musical Or Comedy und macht ein paar Witze, die eher nicht auf Zustimmung stoßen … Der Globe geht an Vicky Cristina Barcelona und alle sind froh, dass Cohen aufhört zu reden. Die Produzenten bedanken sich, was grundsätzlich noch langweiliger ist als bei Drehbuchautoren oder Komponisten.
4.36. Äh … ich glaube, das sind die beiden Hauptdarsteller aus Slumdog Millionaire, die jetzt die Presenter machen, weiß ich aber nicht. Zumindest kündigen sie eben diesen Film an.
4.37. Cameron Diaz in gerafftem Pink und Mark Wahlberg, der darüber deprimiert ist, dass Entourage nichts gewonnen hat, vergeben Best Performance by an Actress in a Motion Picture – Drama an … YAY! nochmal Kate Winslet, diesmal für Revolutionary Road. Wie schön ist das denn! Ich mag die Dame ja sehr gerne. Und jetzt darf sie auch gerne heulen, und der Raum darf mal wieder aufstehen. Sie entschuldigt sich bei “Meryl, Kristen … who’s the other one? Angelina! I’m so sorry!” Jetzt hat sie sich wieder gefasst und anscheinend wirklich noch eine zweite Rede vorbereitet. Hehe. Leider genauso ausführlich und brav wie die erste. Ein bisschen heulig wird’s nochmal zum Schluss, als sie Leonardo, mit dem sie in Road spielt, ihre Liebe gesteht – “I’ve loved you for 13 years.” Gut, dass sie danach noch ihren Gatten erwähnt.
4.42. Irgendwas Blondes und Rainn Wilson vergeben Best Television Series – Drama und lesen professionell vom Teleprompter ab: “The Golden Globe goes to … open envelope … read winner: Mad Men.”
4.50. Susan Sarandon, auch in Hosenanzug, auch in schwarz, vergibt Best Performance by an Actor in a Motion Picture – Drama an … war ja klar: Mickey Rourke für The Wrestler. Alle stehen und gucken sich die Gesichtsbaracke an. “It was a long way back for me, and I’m not a good public speaker. I was kinda hoping that Robert Downey Jr. came up here and talk for me.” Er bedankt sich sehr liebevoll bei Darren Aronowsky: “He had to fight to get me in this film because he couldn’t get no money on my name”. Dafür, dass er angeblich nicht reden kann, hält er aber eine sehr hübsche Rede, die so gar nicht nach Hollywood-Geldmachen klingt. Und er bedankt sich bei seinen Hunden, die ihm alles bedeutet haben in der Zeit, in der er niemanden sonst mehr hatte. Ladies and gentlemen, we have a sure Oscar winner.
4.58. Igitt, muss das jetzt noch sein? Tom Cruise vergibt Best Motion Picture – Drama an – war nach diesem Abend auch klar: Slumdog Millionaire. Irgendein Produzent kämpft sich mit Boyle, Rahman und den Darstellern durch die stehende Menge, nur um die übliche Schnarchrede zu halten.
5.02. Tom sagt noch schnell “Good night, everybody” und das war’s. Ja gut. Dann war’s das wohl. Wir sehen uns am 22. Februar für die Oscars.
Berlin ist ein ganzganzganz winziges bisschen, kaum spürbar, ich will’s auch gar nicht laut sagen, meine zweite Heimat geworden. Das kommt wahrscheinlich automatisch, wenn man hier monatelang rumläuft und arbeitet und einen normalen Tagesablauf hat und sich in Hamburg am Wochenende eher wie auf der Durchreise fühlt. Ich hatte trotzdem überhaupt nicht damit gerechnet, weil Berlin seit knapp zehn Jahren eine Stadt ist, mit der ich erstmal Schmerz verbinde. Denn in Berlin habe ich Karl kennengelernt, wir haben eine sehr intensive Woche zusammen verbracht, während ich (leider vergeblich) versucht habe, die Prüfung an der dffb zu bestehen, um Drehbuch studieren zu können.
Ein Teil der Prüfung war es, einen dreiminütigen Super-8-Film zu drehen. Aus, soweit ich mich erinnere, fünfzehn Titelvorschlägen habe ich mich für „Rund um die Gedächtniskirche“ entschieden. Denn als es darum ging, sich für ein Thema zu entscheiden, kannte ich noch niemanden in der Stadt und hatte daher weder Schauspieler noch Kulissen, mit denen ich etwas hätte machen können, was zum Titel „Vorfreude“ (weiß ich nicht mehr, ob es wirklich so einen Titel gab, aber die Richtung stimmt) gepasst hätte. Also hatte ich nur die Wahl zwischen „Am Alexanderplatz“ und eben der Gedächtniskirche. Ich kannte beide Orte von der obligatorischen Berlin-Klassenfahrt und verband mit der Kirche „eindrucksvoll“ und mit dem Alexanderplatz „hässlich, leer, Zwangsumtausch“. Daher war die Wahl einfach.
Ich trieb mich einen Tag lang an der Kirche herum, guckte mir Perspektiven an, die ganzen Läden, die vielen Touristen, die Ruine, den Neubau. Eigentlich wollte ich nur ein Stimmungsbild aufnehmen, aber dann traf ich Karl. Und hatte damit immerhin eine Person, die ich vor der Kamera rumlaufen lassen konnte. Also hat Karl für mich einen Touristen gemimt, der in verschiedene Läden geht und sich fiese Souvenirs kauft, zu McDonald’s, mit den Straßenmusikanten tanzt … die kleine Idee am Film: die Kamera war ebenfalls ein Akteur, und ich reichte Karl mit deutlich sichtbarer Hand Geld oder bewegte die Kamera wie beim Kopfschütteln, wenn das Berlin-Souvenir besonders hässlich war. Klingt heute total banal, schien damals aber ne gute Idee zu sein, wenn ich mich an die Reaktionen meiner Mitbewerber erinnere, als wir alle zusammen alle Filme geguckt haben. (Und ich ärgere mich immer noch, dass ich nicht mal früher als Anfang diesen Monats bei der dffb angerufen habe, um mal nachzufragen, ob es diesen Film noch gibt. Es gibt ihn nicht mehr.)
Ende 1999 ist Karl bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ich war seitdem nur dreimal in Berlin, was größtenteils nicht wirklich Spaß gemacht hat. Ich verbinde mit der Stadt einfach einen mir sehr wichtigen Menschen, und immer, wenn ich in Berlin bin, merke ich doppelt so stark, dass er nicht mehr da ist. Es ist jetzt über zehn Jahre her, dass ich Karl das letzte Mal gesehen habe, und es tut nicht mehr ganz so weh. Der Schmerz ist einem tiefen Bedauern gewichen, dass er nicht mehr mitgekriegt hat, wie sehr ich mich verändert habe, meiner Meinung nach zum Guten. Ich hätte ihm gerne gezeigt, dass ich stark sein kann und nicht immer so fürchterlich nah am Wasser, so entscheidungsunfreudig, so traurig, so einsam. Ich hätte ihm gerne erzählt, dass ich einen Beruf gefunden habe, der mich ausfüllt und mir Selbstvertrauen gibt. Ich hätte ihm gerne eine aufgeräumte Wohnung präsentiert, mein Patenkind und die vielen Städte in Deutschland, die er nicht mehr besuchen konnte. Und ich wäre gerne mit ihm zur Gedächtniskirche gegangen, das gute alte „Weißt du noch“-Spiel spielen.
Ich war vor einigen Wochen da. Ich bin nicht nur daran vorbeigefahren, sondern bin hingegangen, habe mir Zeit genommen, um mehrere Male um das Gebäude rumzulaufen. Habe die Läden gesucht, die wir damals gefilmt haben. Und habe erschreckt festgestellt, dass der Kloß im Hals anscheinend immer da ist, wenn ich diese Kirche sehe oder sogar vor ihr stehe.
Die Kirche war geöffnet, und ich bin kurz in den Andachtsraum gegangen, um ein Gebet für Karl zu sprechen und ein bisschen Kraft für den Rückweg zu schöpfen. Hat nicht ganz geklappt. Ich habe es gerade noch geschafft, meine Mütze vom Kopf zu nehmen und mich zu setzen, bevor ich angefangen habe zu weinen. Anscheinend ist an bestimmten Orten das Bedauern nicht genug. Hier ist es wieder Schmerz, der völlig vergessen hat, dass er schon zehn Jahre alt ist.
Berlin ist meine zweite Heimat. Und ich zähle die Stunden, bis ich von hier weg kann.
Karl Dewaine Glass, 10.01.1962 – 02.12.1999
Happy birthday, love. Wish you were here.
Grandiose Kandidatenvorstellung fürs neue Dschungelcamp, das heute abend startet.
Gestern auf der Heimfahrt kurz vor dem Hamburger Hauptbahnhof. Der ICE bleibt stehen, der Schaffner erzählt was von Oberleitungsschäden zwischen Hauptbahhof und Altona, wir warten auf weitere Infos.
Und das erste, was ich mache: erstmal bei Twitter nachgucken, ob noch wer in diesem Zug sitzt. Fehlanzeige. Nicht mal auf Lumma kann man sich verlassen.
„Hallo Anke,
habe Dir folgende Nachricht am Sonntag über Xing geschrieben:
Hallo Anke,
sorry, dass ich gleich mit einem “Du” beginne, obwohl wir uns noch gar nicht kennen, aber nach deinem Profilbild bist Du noch keine 40 und deshalb lasse ich lieber das altbackene “Sie” ;-)
Ich stell mich mal kurz vor:
XYZ, bin Schüler und baue mir seit meinem 12. Lebensjahr 2 Internetshops in meiner Freizeit auf (www.blablabla und www.mirdochegal. Heute bin ich auf deinen Blog http://www.ankegroener.de/ gestoßen.Da Du eine Frau bist, gehörst Du doch zu der Gattung, die nie genügend Tasche(n) besitzen können. Ich habe übrigens im Moment über 3000 Stück bei mir herumliegen. Du könntest für bis zu 150 Euro Warenwert bei uns einkaufen. Die Sachen schicke ich Dir kostenlos zu und Du bloggst kurz über uns. Ob du einfach kurz über die Tasche(n), den Shop, das Designs des Shops, …. schreibst, ist egal. Das können auch nur ein paar Sätze sein. Wichtig ist uns nur, dass wir bekannter werden :-)
Wünsch Dir einen erholsamen Sonntag!
Gruß,
XYZ“
Ja, lieber XYZ, die Tatsache, dass ich seit Sonntag nicht auf deinen Spam bei Xing reagiert habe, sollte eigentlich eine Botschaft sein. Aber nun gut. Dann eben in ausführlich – und natürlich auch nochmal per Mail, damit du es mitkriegst, weil ich nicht glaube, dass du wirklich mein Weblog liest oder dich auch nur 30 Sekunden lang damit beschäftigt hast. Denn wenn du das gemacht hättest, wüsstest du, dass es kaum Dinge gibt, die mir so egal sind wie Taschen. Hab ich sogar vor nicht allzu langer Zeit mal in fast genau diesem Wortlaut geschrieben: guck!
Dann: Von Leuten, die ich nicht kenne, werde ich verdammt gerne gesiezt, vor allem, wenn sie was von mir wollen.
Und wer sich nicht entblödet, bei einer Kundenansprache mal so generell 50 Prozent der Weltbevölkerung über einen Kamm zu scheren („Da Du ein Mann bist, gehörst Du doch zu der Gattung, die nie genügend f*cken können. Ich habe hier 300 Frauen rumsitzen. Du könntest bis zu 150 Euro verpimpern und dann darüber bloggen.“) und das auch noch mit einem der dämlichsten Vorurteile ever, der verdient eigentlich auch keine Antwort. Aber da ich nicht auch noch per Telefon oder Skype von dir belästigt werden will, kriegst du’s eben schriftlich.
(Aber Pluspunkte für nur einen Kommafehler. Immerhin.)
Historical Tweets. Wie großartig ist das denn schon wieder. (Ja, nutzlos. Trotzdem großartig. John Lennon, Al Gore, Gandhi.)
Motivationsmusik für heute. Und los, Tag!