300

Beim Gucken von 300 hat sich mein Urteil über den Film alle fünf Minuten geändert. Angefangen hat es mit „Jessas, was für ein dämliches Gequatsche über Freiheit, Ehre, Vaterland“. Dann kam „Aber schöne Bilder.“ Dann „Jede Frau im Film ist oben ohne zu sehen.“ Dann „Immerhin auch jeder Kerl.“ Dann wieder „Hör auf davon zu faseln, wie sehr du dich auf den Tod freust – stirb endlich, damit ich den nächsten Film gucken kann“ und schließlich „Immer noch schöne Bilder.“

Um 300 zu genießen – wenn man das genießen nennen kann, knapp zwei Stunden lang blutiges Gemetzel in Zeitlupe zu sehen –, muss man die Story einfach vergessen. Ich persönlich finde kaum etwas dümmlicher als die Idee, die der Film als heldenhaft und total schnafte vertritt: für ein Ideal zu sterben, nur weil es eben ein verdammtes Ideal ist, von dem ich keinen Zentimeter abrücke. Für mich klangen die ganzen Beschwörungen, die König Leonidas (Gerard Butler in äußerst attraktiver Haar- und Barttracht und mit auch bei Windstille stets wehendem Umhang) seinen 299 Spießgesellen mit auf den Weg gibt, kein bisschen besser als der Schwachsinn, an den die Spacken glauben, die auf 70 Jungfrauen im Paradies hoffen. Der Tod ist besser als das Leben? Dann spring von einem Tempel, aber nimm nicht noch ein paar Leute mit, denen das Hier und Jetzt ganz gut gefällt, Pappnase. Aber da sind sich die 300 Jungs ja einig: Wir kämpfen bis zum letzten Blutstropfen, ob’s nun noch Sinn hat oder nicht. Wenn wir schon mal dabei sind. Und wir haben heut nachmittag auch nix anderes vor. Selbst als Xerxes ihnen alles anbietet, was sie haben wollen, möchten sie sich lieber die Innereien rauskloppen. Aus Prinzip. Deppen.

Also: Kopf aus und stattdessen Augen auf. Denn viele der Bilder sind schlichtweg grandios. Natürlich sehen die meisten aus wie von Leni Riefenstahl gefilmt, aber das bleibt wahrscheinlich nicht aus, wenn man kämpfende Männer in Unterhosen in Zeitlupe zeigt. Mich haben viele Einstellungen an ein präzises, wenn auch sehr blutiges Ballett erinnert, eindrucksvoll choreografiert und perfekt in Szene gesetzt. Meine Favoriten im Bildersturm waren unter anderem der Pfeilhagel der Perser, der die Sonne verdunkelte, die rücklings über die Klippe stürzenden Perser und die Wurfaxt, die den Helmschmuck von Leonidas ein bisschen stutzt.

Leider gab es nicht nur großartige Bilder; es waren auch genug dabei, bei denen ich mir das Lachen arg verkneifen musste. Angefangen beim mageren Orakel, das in Trance wie eine miese Parfumwerbung aussieht bis zum Gottkönig Xerxes, der auch prima als Dragqueen mit Barry-White-Timbre durchgehen würde. Dann die obligatorische Sexszene (ist ja ein Jungsfilm), bei der die Dame mal wieder wild den Rücken des Göttergatten zerkratzen darf („Bitte visualisieren Sie Leidenschaft“). Und dazu kamen eben alle fünf Minuten doofe Dialoge oder Offtexte wie “I filled my heart with hate.” – “Good.” oder “His only regret was that he had not more to sacrifice.” Alle Spartaner sind Labernasen. Sind alle Labernasen Spartaner?

Ich kann mich immer noch nicht entscheiden, ob ich 300 empfehlen soll oder nicht. Bei den guten Bildern hab ich gedacht, ach schön, das sieht in Bewegung ja schon toll aus, das war im Comic bestimmt nicht so schick. Aber beim gesamten Rest des Films habe ich mich schon gefragt, warum man den Comic nicht einfach hat Comic sein lassen. Und warum ich mich für eine derart dusselige Geschichte interessieren sollte.

The Good German

Atmosphärisch dicht, sauber ausgestattet und kostümiert, teilweise sehr gute Darsteller – und trotzdem mag der Funke von The Good German nicht überspringen. Die Story: Der amerikanische Reporter Geismer (George Clooney) soll von der Potsdamer Konferenz berichten. Dort stellt er fest, dass der ihm zugeteilte Fahrer (Tobey Maguire) mit einer gewissen Lena (Cate Blanchett) zusammen ist, die Geismer noch aus Vorkriegszeiten kennt – und in die er einmal verliebt war. Im Laufe des Films begegnen wir noch Lenas Ehemann, stellen fest, dass sowohl die Russen als auch die Amerikaner ihn gerne in ihren jeweiligen Ländern hätten, und sehen dem naiv vernarrten Geismer zu, wie er versucht, Lena außer Landes zu bringen.

The Good German erzählt zunächst die übliche Boy-Meets-Girl-Geschichte, hinter der sich hier aber weitaus mehr versteckt. Natürlich geht es auch um die Nachkriegszeit in Berlin, was zwischen 1933 und 1945 in Deutschland geschah und wer in dieser Zeit was getan hat. Es tauchen viele Storylines auf, die bewegen und berühren, aber gerade die Hauptgeschichte (Georgy liebt Ca-hate) kommt seltsam aseptisch daher. Clooney merkt man an, dass er sich in der Rolle überhaupt nicht wohlfühlt, und dementsprechend sieht er immer aus wie ein Hollywoodschnuffi in komischer Uniform. Blanchett dagegen erinnert in ihrer Aufmachung und spröden Kühlheit sogar ein wenig an Marlene Dietrich und kriegt ihre deutschen Textzeilen auch weitaus besser hin als Clooney. Trotzdem versteht man nicht, warum Clooney so von Blanchett fasziniert ist, und deswegen ist auch die Rahmenhandlung viel interessanter.

The Good German ist eine nette, aber fast vollständig unemotionale Fingerübung, wie man im Jahre 2007 Filmbilder produzieren kann, die denen der 40-er Jahre ziemlich ähnlich sind. Sogar der Soundtrack klingt wie damals: üppige, dramatische Orchestrierungen statt schlichtem Piano, große Gefühle – wenn wir sie schon nicht sehen – werden auch groß unterlegt. Casablanca lässt grüßen – auch durch das letzte Bild, in dem Blanchett ernsthaft im Regen in ein Flugzeug steigt. Was bei mir endgültig zum Daumen nach unten geführt hat.

Hendrik hat auch noch einen Tipp für mich: Manau mit La Tribu de Dana. Lerneffekt: die Band, die Inspiration Alan Stivell, die Bretagne. Und die Erkenntnis, dass die Google’schen Sprachtools im Text fils als Fäden und nicht als Sohn übersetzen und ganz mies mit PersonalPossessivpronomen umgehen: „Ich werfe einen letzten Blick auf meiner Frau, meinen Fäden und mein Gebiet.“

Where do you want to go today?

Paris Daily Photo.

Lieber täglich ein Foto aus Saigon, Prag, Zürich, Monte Carlo, New York, Tel Aviv, Kuala Lumpur oder – Paderborn? Dort gibt’s noch eine viel längere Liste mit Daily-Photo-Blogs.

bezeichnet meine bisherige Musikauswahl aus dem Nachbarland als „Lollipop-Franzenackenpop“ und empfiehlt Kamini mit Marly-Gomont. Ich hab’s ja nicht so mit dem rhythmischen Sprechgesang, aber einen Rapper in Gummistiefeln find ich lustig.

Hier mehr zu Kamini und dem Song.

Andere Leute mögen meinen Musikgeschmack – und verfallen ebenso der Sprache. Das hat mich doch sehr gefreut.

Update von der Milchshake-Front (file under: Wenn Frau Gröner langweilig ist): Banane/After Eight schmeckt nicht so gut wie erwartet und verstopft auch eher den Strohhalm. Erdbeer-Blaubeer-Coconut-Macaroon-Schokostreusel ist dagegen supi mit Stern. (Und lila.)

Nicht nur Bloggen oder Blogs lesen bildet, nein, auch Leserpost lesen. Alex hat freundlicherweise meinen bisher arg limitierten französischen Musikhorizont um eine weitere Band bereichert, die es, genau wie Noir Désir, schon 1000 Jahre und einen Tag gibt: Indochine. Kannte ich natürlich nicht, aber da ich im Moment eh nichts kann außer im Bett auf dem Rücken liegend vor mich hinzuleiden, habe ich das MacBook mal auf ein Kissen gestapelt, dieses an meine Beine gelehnt und mir einen netten Nachmittag auf YouTube mit Indochine gemacht. Bisheriger Favorit: J’ai demandé à la lune.

Like Ice in the Sunshine/Ice, Ice, Baby/The Iceman Cometh oder: Ich kann mich nicht für eine Headline entscheiden

Okay, Jammercontent ist durch, Katzen hab ich nicht, dann kommt jetzt Blogstandard Nr. 3: Fragebögen.

1. Welche fruchtigen Eissorten magst Du?

Zitrone, Pistazie, Brombeer, Pfirsich und alles, was irgendwie sauer ist. Als Ausgleich zu den fünf Kugeln Schoko, die sich über der Alibi-Fruchtkugel stapeln.

2. Lieber Schoko oder nussige Eissorten?

Noch lieber Schoko mit Schokobrocken und Macadamia-Nüssen.

3. Welchen Eisbecher magst du am liebsten?

Wie, welchen Eisbecher? Tricolori Napoli oder sowas? Keine Ahnung, ich geh nicht mehr in Eiscafés, seit ich zwölf bin. Aber früher gab’s bei Mövenpick am Kröpcke einen Freundschaftsbecher, der bestand aus gefühlten 20 Kugeln Eis und nem Kilo Obst drüber. Mit zwei bis unendlich Löffeln. Konnte man machen.

4. Welches Eis am Stiel magst du am liebsten?

Magnum Classic. In diesem Zusammenhang: Ich würde gerne wissen, wie das Knacken in den Magnum-Spots produziert wird. Bricht man da Singvögeln die Beine oder tritt auf Käfer? Bah.

5. Welches Eis in der Packung (z.B. Cremissimo) magst du am liebsten?

Ben & Jerry’s Chunky Monkey. Oder nee, Cherry Garcia. Oder Fossil Fuel. Oder Häagen-Dazs Strawberry Cheesecake. Wenn an der Tanke nix anderes ist ist, nehm ich auch ein Viennetta Erdbeer.

6. Welche Eis-Hersteller bevorzugst Du?

Genau.

7. Bester Drink/Cocktail mit Eis?

Wenn ich was trinken will, bestelle ich einen Cocktail. Wenn ich was essen will, bestelle ich Eis. Beides zusammen ergibt nur Plörre wie irgendwelche Coladas. Außer wir reden von Crushed Ice oder Eiswürfeln, und die gehören ja wohl in fast alles rein, oder? Meine Alltime-Cocktail-Lieblinge sind der White Russian und der Long Island Ice Tea. Als Kind der 80er trinke ich in miesen Momenten aber auch durchaus Sekt auf Eis.

8. Bestes Gericht mit Eis?

Eis. Gerne mit Eis.

9. Wenn Du eine Eissorte wärst, welche wärst Du und warum?

Ich bin schon eine Eissorte, danke der Nachfrage.

(via war ja klar)

Wenn wir Kind sind.

Olive Riley, 107, älteste Bloggerin der Welt. (via anlegen.in)

Julie70, 73-jährige Bloggerin aus Frankreich.

Die Auswanderer, von Deutschland nach Mexiko.

Der Skyspinner. Wer Überschriften schreibt wie „Nicht alle Araber sind Terroristen. Nur die mit Fuehrerschein.“, hat sich einen Platz in meinem Herz verdient. Oder sowas:

„Diese Leute hier benutzen anstatt ihrer Bremsen einfach Hupen. Und wer frueher bremst hat verloren. Es ist wie The Fast And The Furious, nur mit aelteren Karren und anderen Geschwindigkeiten (schneller als 17 km/h kommt hier eh keiner voran). Geblinkt wird nur wenn im Auto keine Musik gespielt werden kann und ein Takt her muss. Und Damaskus ist die einzige Stadt, die ich kenne, wo die Haeuser direkt an der Autobahn stehen.“

Man fühlt sich ja schon wie die Memme vor dem Herrn, wenn auf dem Konsiliarbericht der Hausärztin für die Therapeutin als Diagnose „Persönliche Belastungssituation“ steht. Kein „Muss zwanzigmal das Licht an- und ausmachen und den Herd kontrollieren, bevor sie das Haus verlässt“, kein „Kann an keiner Rasierklinge vorbeigehen, ohne Hand an sich zu legen“, kein „Hat keine Freunde, keinen Sex und keinen Job und deshalb Schlaftabletten geschluckt“, nix. Stattdessen „Hat eigentlich alles, was sie immer wollte, haarigen Macker, gute Freunde, spannenden Job, schöne Altbauwohnung, das Auto fährt wieder und die Kohle stimmt auch und sie kriegt trotzdem gerade ihr Leben nicht klar“. Langweilig.

No brain, no pain. Verdammter Klumpen.

Andererseits: nix, was Amazon und der Blumenladen gegenüber nicht heilen könnten. Jedenfalls für zehn Minuten.

Grass over there, glass half empty. Let’s wallow, shall we?

Will you still need me, will you still feed me because I just turned fucking 64

Knochenmühle. Hätte ich auch nicht gedacht, dass unserereins, der so schön behütet und begütert im Bureau sitzt (ich schreib ja auf Friseur und nicht Frisör, hello Duden my old friend), davon weiche Knochen kriegt. Mein Körper will mir seit Monaten sagen, dass er grad nicht mehr kann, aber ich hab natürlich nie Zeit, ihm zuzuhören. Oder vergessen, in mich reinzuhorchen, wie ich das vor zwei Jahren so wunderbar hinbekommen habe, wo ich gemerkt habe, wie gut es mir auf einmal gehen kann, wenn ich mich um mich kümmere und mich nicht einfach nur so mitschleppe.

Am Anfang war es nur eine Magenverstimmung nach der anderen, kein Thema, was Falsches gegessen, bei dem Chinamann bestellen wir nie wieder, morgen bin ich wieder in der Agentur. Dann fing meine Schulter an wehzutun, und weder meine Hausärztin noch mein Orthopäde noch meine Gynäkologin (an die mich mein Orthopäde, der seitdem mein Ex-Orthopäde ist, mit den kurzangebundenen Worten überwies: Könnte was an der Brust sein, ich ertaste da was, machen Sie mal nen Termin mit Ihrem Frauenarzt, schönen Tag noch) noch der freundliche Chirurg im UKE konnten mir irgendeinen physischen Grund dafür nennen, dass ich Schmerzen habe. Kein Golf mehr gespielt (könnte ja schlimmer werden), den Arm weniger belastet (hat nix gebracht), den Arm mehr belastet (fight fire with fire), den Arm ignoriert (Ibuprofen), alles egal. Irgendwas ist da, und keiner weiß was. Ich sowieso nicht, ich hör mir ja nie zu.

Im Urlaub etwas mehr Zeit für mich und Mich-Schätzen gehabt, Dinge gesehen und sich darüber entspannt freuen können, Schlösser, Filme, Bahnsteige fremder Länder, Himmel über Paris, ein Tennisplatz auf dem Dach, mehr Mercedes CLSse (schönstes Heck wo gibt) als ich jemals in Deutschland auf einem Haufen gesehen habe, allmählich finde ich sogar Citroens schön, auf jeden Fall das neue Kühlergrilldesign, beim Abendessen in einem Bistro das eigene Wort nicht verstehen, weil man direkt an der Straße sitzt und es großartig finden, obwohl ich doch sonst das eigene Wort so schätze. Sehr ausgeruht und begeistert und erfrischt mit Neuem und Altem wieder nach Hause fahren – wo die alte Welt wieder viel zu schnell bei mir ist. Und plötzlich tut der Arm wieder weh und neuerdings auch mal wieder der Rücken und ich hab das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, da, wo ich bin, und alles, was ich im Moment möchte, ist, ein Vierteljahr lang schwimmen gehen und Obst essen und nicht mehr müssen, sondern nur noch können oder wollen oder ach mal sehen, ja, vielleicht, ich entscheide das morgen. Muss ja nicht heute sein, weil heute ja nichts mehr muss.

Frankreich hat beflügelt, weil es anders war. Und ich habe Angst, Hamburg gerade nicht zu schaffen, weil es so gleich ist. Und ich so viel muss. Und mein Körper nicht mehr will. Oder mir zumindest zubrüllt, sich doch mal um ihn zu kümmern. Und damit um mich.

Ich vergesse immer, dass ich da drin stecke.

Weiter mit Musik.

Meine franzackige Phase geht weiter. Zurzeit in schwerer Rotation: Noir Desirs Aux sombres héros de l’amer. Uralt. Aber ich kann eine Zeile mitsingen.

Sich moralisch total überlegen fühlen, weil man sich durch Dostojewskis Schuld und Sühne quält, während der Kerl nebenan entspannt durch 500 Kanäle Satellitenschrott zappt. („Guck mal, Bangladesch!“)