Krank im Bett liegen und dem Prospektverteiler zuhören, wie er sich vergeblich einmal durchs ganze Haus klingelt.
The Sopranos Carbs
Seit ich Buffy zehn Jahre zu spät geguckt habe, habe ich kein Problem mehr damit, zuzugeben, teilweise völlig hinter dem Mond zu sein. Neuestes Beispiel: Ich habe erst vor vier Wochen angefangen, mich ernsthaft mit The Sopranos zu beschäftigen.
Ich kann mich daran erinnern, dass ich die ersten zwei Folgen im deutschen Fernsehen gesehen habe. Müsste ZDF gewesen sein, so gegen Mitternacht. Prime Time eben. 2000? Ich weiß nicht warum, aber bei mir haben die Folgen keinen besonderen Eindruck hinterlassen. Klar, nette Prämisse – Gangsterboss geht zur Therapie –, aber das war’s dann auch. Ein paar Jahre später habe ich nochmal die ersten drei, vier Folgen auf DVD im Original gesehen, aber auch da hat’s mich nicht umgehauen.
Nun hat sich der Kerl letztes Weihnachten die erste Staffel auf DVD gewünscht und gekriegt. Und natürlich hab ich das Zeug eher geguckt als er, vor vier Wochen eben. Und diesmal fand ich den Clan sehr spannend, faszinierend und extrem unterhaltsam. Normalerweise kann ich dem Mafia-Genre nicht mehr viel abgewinnen, aber hier ist das Setting eben eher ein Setting, während sich die Geschichten viel mehr mit der Familie beschäftigt. Im Moment dudelt die dritte Staffel vor sich hin, und ich bin fast froh, dass ich alles so spät entdeckt habe, weil ich jetzt alles auf einmal gucken kann und nicht wieder ein Jahr zwischen den Staffeln warten muss. (Wann kommt eigentlich Lost? Und Grey’s Anatomy? Heroes? Prison Break habe ich schon in der Videothek meines Vertrauens entdeckt, aber dieses Wochenende hatte ich mal wieder Lust auf Filme.)
Was mich an den Sopranos fast genauso fasziniert wie die Story: dieses ewige Gerede übers Essen. Die Beschäftigung damit. Ständig schleppt irgendwer irgendwo Nudeln oder Käse oder Fleischberge an. Überall steht Rotwein rum. Herrlich. Dummerweise färben Filme und Serien immer auf mich ab (hatte ich schon mal erwähnt), und daher stehen seit vier Wochen vor allem Nudeln in allen Varianten bei mir auf dem Speiseplan.
Meine liebste Zubereitungsart: Zwiebeln, Knoblauch und ordentlich gepfefferte Zucchinischeiben in Öl anbraten. Gekochte Nudeln dazu. Dann ebenso ordentlich gepfefferte und gesalzene Cherrytomaten kurz mitschwenken, bevor sie warm und matschig werden. Noch ein Löffelchen Pesto Rosso dazu und frisch gehobelten Parmesan drüber. Hach. Wer sagt, dass Fernsehen nicht glücklich machen kann?
The Number 23
The Number 23 (Number 23) merkt man in jeder Sekunde an, dass Drehbuchautor Fernley Phillips die Pointe zuerst eingefallen ist und er dann krampfig versucht hat, einen halbwegs schlüssigen Anfang zum Ende zu finden. Und das klappt leider eher ungelenk, wenn überhaupt.
Die Story fängt immerhin interessant an: Hundefänger (haha) Jim Carrey bekommt von seiner Frau Virginia Madsen ein Buch geschenkt: The Number 23 von einem gewissen Topsy Kretts. Den Namen bitte einmal laut vorlesen und zum ersten Mal gequält das Gesicht verziehen. Das Buch scheint ein Krimi zu sein über jemanden, der die Zahl 23 überall entdeckt. Was dazu führt, dass wir uns die erste Stunde des Film quasi die Zusammenfassung des Buches anhören, von Carrey unheilvoll aus dem Off erzählt, und diese mit düsteren Pseudo-Film-Noir-Szenen umgesetzt ertragen müssen. Genau wie eine der Personen im Buch verfällt auch der arme Hundefänger auf einmal dieser Zahl, warum, weiß kein Mensch, und als es sich endlich auflöst, ist es auch schon egal, weil man bis dahin kaum noch Lust hat, dieser Story zu folgen.
Es gibt genügend Beispiele von Filmen, in denen man die Lösung auf dem Silbertablett präsentiert bekommt und bei einigen guckt man sich wirklich den Film nochmal an, um zu gucken, ob die Lösung auch zu den ganzen Fährten passt, die uns im Laufe des Film vor der Nase rumgebaumelt haben. Bei The Usual Suspects zum Beispiel. Bei The Number 23 ist man nur froh, dass der ganze Quatsch jetzt ein Ende hat und Jim Carrey vielleicht endlich mal zum Friseur kann.
Premonition
In Premonition (Die Vorahnung) spielt Sandra Bullock eine Frau, der von der Polizei mitgeteilt wird, dass ihr Mann (Julian „Nip/Tuck“ McMahon) bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Sie ist fassungslos, holt ihre Töchter aus der Schule und ihre Mutter ins Haus, um nicht allein zu sein und geht schlafen. Und am nächsten Morgen wacht sie auf – und ihr Göttergatte sitzt schon putzmunter beim Frühstück.
Der Film springt aus der Gegenwart in die Vergangenheit und Zukunft. Mal lebt ihr Mann, mal ist er tot, plötzlich tauchen Tabletten in ihrem Bad auf, die ihr verordnet worden sind – nur dass sie sich weder an den Psychiater noch an ein Treffen mit ihm erinnert, das Begräbnis findet statt, an dem auch eine geheimnisvolle Frau teilnimmt, die behauptet, bereits mit Sandra geredet zu haben … genügend Zutaten für einen leidlich spannenden, aber letztlich doch belanglosen Film.
Premonition kann durchaus unterhalten und auch noch ein paar eklige Allgemeinplätze zu Ehe, Treue, Familie einstreuen, aber das Ende ist dann trotz aller Bitterkeit so zuckersüß, dass mir beim letzten Bild des Films fast schlecht wurde. Trotzdem gucke ich weiterhin tapfer alle Sandra-Bullock-Filme, auch wenn ich schon beim Trailer ahne, dass ich nicht begeistert von ihnen sein werde. Vor allem, wenn es mal wieder Filme sind sind, die sich nicht mit einer Zeitebene begnügen können.
Zodiac
Sehr lang (zweieinhalb Stunden), sehr schön ausgestattet (60er- und 70er-Jahre-Autos, yay) und sehr viele gute Schauspieler, aber im Endeffekt bleibt von Zodiac (Zodiac – Die Spur des Killers) leider auch nicht viel mehr übrig als lang, schöne Autos, gute Schauspieler.
Der Film erzählt die Geschichte des Serienkillers Zodiac, der die Polizei in San Francisco Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre beschäftigte. Wir sehen den Reportern zu, die von Zodiac Briefe in die Redaktion geschickt bekommen, und wir folgen den diversen Polizisten, die die vielfältigen Spuren untersuchen. Das Ganze geschieht sehr betulich, nicht so hektisch und schnittig wie man das in normalen „Zwei Stunden und zack! sitzt der Killer im Knast“-Filmen gewohnt ist. Man ahnt, wieviel Detailgenauigkeit nötig ist, um einen solchen Fall zu lösen. Zodiac hat durchaus meinen Respekt für die Polizeiarbeit erhöht, aber trotzdem fand ich den Film etwas unbefriedigend. Ich gebe zu, ich kannte die Geschichte nicht, wusste also nicht, wer der Killer ist und ob er geschnappt wird. Daher hatte ich wenigstens einen kleinen Spannungsbogen. Wenn man die Geschichte aber kennt (und ich ahne, dass sie einige kennen werden), weiß ich nicht, warum man sich Zodiac angucken sollte. Außer man mag lange Filme mit vielen Autos und guten Schauspielern.
The Simpsons Movie
© 20th Century Fox
The Simpsons Movie (Die Simpsons – Der Film, USA 2007, 87 Minuten)
Stimmen: Dan Castellaneta, Julie Kavner, Nancy Cartwright, Yeardley Smith, Harry Shearer, Hank Azaria, Marcia Wallace, Pamela Hayden
Musik: Hans Zimmer
Drehbuch: James L. Brooks, Matt Groening, Al Jean u.v.m.
Regie: David Silverman
Ich mag die Simpsons. Ich mag diese Mischung aus Familienidylle – selbst wenn Homer Bart zu erwürgen droht, weiß man doch, dass er sich in der nächsten Szene für Sohnemann vierteilen lassen würde – und Rotzigkeit, aus Lisas political correctness und Marges Sorge darüber, was die Nachbarn wohl sagen. Ich freue mich über jeden Telefonscherz auf Moes Kosten und über die ständig wechselnden Schilder vor der Kirche, über Ralphs unendliche Blödheit und Smithers Malibu-Stacy-Sammlung. Und deswegen habe ich auch am Simpsons-Film so gut wie gar nichts auszusetzen.
Ich hatte mich im Vorfeld gefragt, warum man die Simpsons überhaupt ins Kino bringen muss. Lustigerweise fragt sich das auch Homer schon bei Beginn des Films und beschimpft die Zuschauer erstmal als Deppen, weil sie für etwas zahlen, was sie im Fernsehen auch umsonst bekommen. Nicht ganz, möchte man da Freund Dumpfbacke zurufen – im Fernsehen hätte ich Barts Penis garantiert nicht zu Gesicht bekommen. Ich glaube zwar, dass das so ziemlich der einzige Grund war, den Film zu drehen, aber dafür hat sich’s gelohnt. Nicht unbedingt für Barts Geschlechtsorgan, aber für die, wie immer in solchen Situationen, irrwitzigen Versuche, eben dieses Organ nicht zu zeigen. Und dann für die Simpsons-typische Art, mit diesen Versuchen umzugehen.
Schon der Beginn des Films macht Spaß, weil bereits während der 20th-Century-Fox-Fanfare die erste gelbe Nase auf der Leinwand erscheint. Und auch den Abspann sollte man sich gönnen, sonst bliebe einem der gescheiterte Versuch einer Hymne für Springfield verborgen. Dazwischen gibt es eigentlich „nur“ eine überlange Simpsons-Folge, aber die ist, wie alle normalen Folgen auch, gespickt mir verbalen und visuellen Seitenhieben und Gags, die man verpasst, wenn man blinzelt. Die Witzdichte ist genauso hoch wie im Fernsehen – und, was mich überrascht hat, man ermüdet dabei keineswegs. Normalerweise fand ich 25 Minuten immer eine wunderbare Länge für „Seltsame Exposition, die gar nichts mit der Geschichte zu tun hat“, Wendung und Auflösung. Jetzt weiß ich, dass das auch in 85 Minuten funktioniert, ohne langweilig zu werden.
Einziger Kritikpunkt: Wenn man schon 85 Minuten Zeit hat, hätte man ein paar mehr der vielen, vielen Charaktere zu Wort kommen lassen können. Ich habe vor allem Apu vermisst, der, glaube ich, höchstens mal durchs Bild rennt, aber sonst gar nicht vorkommt. Die Geschichte konzentriert sich fast vollständig auf die Familie Simpson, und so gerne ich sie mag, hätte ich doch ebenso gerne noch mehr vom Rest von Springfield gesehen.
Ach ja, die Geschichte. Da reicht ein Satz: Homer weiht Springfield dem Untergang und rettet die Stadt dann vor eben diesem. Was die Simpsons so unterhaltsam macht, sind ja sowieso eher die Gags nebenbei und die grandiosen Dialoge, und die haben wir hier auch wieder zu Genüge. Ich muss gestehen, ich habe mir keinen einzigen merken können, weil ich mit Lachen beschäftigt war. Ich komme immer noch nicht über die Fanfare weg (hier leider nur in sehrsehrkurz); über die eine Szene, kurz vor Springfields sicher geglaubtem Untergang, als sich alle Kirchgänger zu Moe flüchten und alle Säufer in die Kirche rennen; über Lisas Versuch, cool zu wirken – und über Maggies erstes Wort (mal wieder). Wer wissen will, wie es heißt: ins Kino gehen.
Ein Hoch der Globalisierung. Als langjähriger Stammkunde bei amazon.de, .co.uk und .com gestern zum ersten Mal was bei .fr bestellt. Keine einzige Schaltfläche verstanden, aber trotzdem immer genau gewusst, wo ich hinklicken musste.
Das Bestatterweblog, via Anna.
© imdb
Ulrich Mühe, 20.06.1953 – 22.07.2007
Sing mich, wenn du kannst
Mal wieder shuffeln. Diesmal gibt’s aber nur Text, nämlich die jeweils erste Songzeile. In Blogs mit Kommentaren könnte jetzt lustig geraten werden, wer gerade was singt. Bei mir gibt’s nur 20 Zeilen Buchstaben, weil Buchstaben so schön sind.
Love is in the air
Wake up on sunday morning
Tosca è un buon falco!
I stood on mountain tops
Ladies and gentlemen, children of all ages
It was a ruby that she wore
Marilyn baby, wants to be a pop star
Goodnight, my angel, time to close your eyes
Loving you isn’t the right thing to do
When everything goes wrong
Know it sounds funny but I just can’t stand the pain
Hey, world, here I am
You are the one for me, for me, formidable
If I had known what he would say
There he is, they’re all asleep, the fools
Out of a million seeds only the strongest one breathes
Times have changed and times are strange
Girl, you really got me going
Yesterday the sky was bright and clear
Catch my breath, close my eyes
„Was ist eigentlich die Katze? Eine Korrektur der Schöpfung. Als der liebe Gott die Maus geschaffen hatte, sagte er: Holla, da habe ich mich vergaloppiert. Die Katze ist gewissermaßen die Berichtigung des Irrtums Maus. Katze plus Maus stellt einen Beweis dafür dar, dass wir die Schöpfung heute in revidierter und korrigierter Auflage vor uns haben.“
(aus: Die Elenden, Victor Hugo. Klassiker mit Katzencontent.)
Nachtrag zum gestrigen Eintrag, den ich auch als Edit angefügt habe: Jürgen Kalwa hat mich auf zwei Radiointerviews mit Joshua Bell aufmerksam gemacht. Ich habe es noch nicht geschafft, sie anzuhören, daher vertraue ich mal seinem Urteil. Das erste Interview ist aus All Things Considered, „eine unserer besten Radiosendungen. (…) Es gibt noch ein anderes Radio-Interview mit ihm. Viel länger, eigentlich eher langweilig (was eindeutig an der Personality der Fragestellerin liegt). Erst am Ende reden sie über die U-Bahn-Geschichte.“
“What is this life if, full of care, we have no time to stand and stare?”
ThinkChristian hat mich mit einer netten Headline geködert: Would you recognize true beauty if you walked past it on the way to work? Im Artikel geht es um einen anderen Artikel aus der Washington Post: Pearls before Breakfast, den ich heute mal jedem geschätzten Leser an sein hoffentlich weiches Herz legen möchte.
Die Post hat ein interessantes Experiment gestartet. Auf ihre Anregung hin hat sich Joshua Bell, einer der weltbesten Violinisten, mit seiner Stradivari in eine Washingtoner U-Bahn-Station gestellt und gespielt – wie alle anderen Straßenmusikanten weltweit auch, die darauf warten, dass ihnen jemand für zehn Sekunden zuhört und ihnen vielleicht sogar einen müden Euro in den Hut wirft.
„Each passerby had a quick choice to make, one familiar to commuters in any urban area where the occasional street performer is part of the cityscape: Do you stop and listen? Do you hurry past with a blend of guilt and irritation, aware of your cupidity but annoyed by the unbidden demand on your time and your wallet? Do you throw in a buck, just to be polite? Does your decision change if he’s really bad? What if he’s really good? Do you have time for beauty? Shouldn’t you? What’s the moral mathematics of the moment?
On that Friday in January, those private questions would be answered in an unusually public way. No one knew it, but the fiddler standing against a bare wall outside the Metro in an indoor arcade at the top of the escalators was one of the finest classical musicians in the world, playing some of the most elegant music ever written on one of the most valuable violins ever made. His performance was arranged by The Washington Post as an experiment in context, perception and priorities – as well as an unblinking assessment of public taste: In a banal setting at an inconvenient time, would beauty transcend?“
Ich will euch die Pointe nicht verraten – und euch außerdem auch nicht um den Genuss des Artikels bringen, den ich persönlich für ein wunderbares Stück Journalismus halte: brillant geschrieben und wunderbar balanciert zwischen Information und fiesem Herzschmerz. Wir erfahren nicht nur, wieviele Menschen stehengeblieben sind, um Bell zuzuhören (oder auch nicht), sondern auch etwas über Kants Definition von Schönheit, über Bilder aus Museen, die vielleicht mal in Kneipen hängen sollten, über Kinder und ihre Eltern und wie sie auf Musik reagieren und über einige Menschen aus Washington.
Ich gebe zu, ich war bei der Lektüre ziemlich bewegt und habe mir sofort vorgenommen, mir jeden Straßenmusiker jetzt ein bisschen genauer anzuschauen. Und auch mal wieder auf Sonnenuntergänge und so’n Zeug zu achten.
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Edit: Jürgen Kalwa hat mich auf zwei Radiointerviews mit Joshua Bell aufmerksam gemacht. Ich habe es noch nicht geschafft, sie anzuhören, daher vertraue ich mal seinem Urteil. Das erste Interview ist aus All Things Considered, „eine unserer besten Radiosendungen. (…) Es gibt noch ein anderes Radio-Interview mit ihm. Viel länger, eigentlich eher langweilig (was eindeutig an der Personality der Fragestellerin liegt). Erst am Ende reden sie über die U-Bahn-Geschichte.“