Rechtschreibung ist für Reichschweine

„Einträge, Kommentare wie diese sind für mich Max Schautzer’s [sic!] “Pleiten, Pech und Pannen” für Besserverdienende (ja, und Bourdieu, und kulturelles Kapital gemeint). Oh, und wir lieben Sprache …– my ass“

Unerwarteter Kommentar bei Herrn Praschl. Read all about it.

Stößchen!

Der erste Satz im neuen Mumm-Funkspot lautet ungefähr: „Ich kann’s immer noch nicht glauben, dass wir ihnen das Konzept verkauft haben.“

Geht mir bei dem Spot genauso, Jungs.

When I was thirty-five
It was a very good year.

Nadannmachmal, thirty-six.

(Le pic stammt übrigens wie immer von meiner Haus- und Hoffotografin und war bereits mein Autorenbildchen.)

Blogging on the edge

Salons neue Kolumnistin, die Schriftstellerin Ayelet Waldman, hatte ein Weblog, in dem sie nicht nur über sich, sondern auch über ihre Kinder und ihren Ehemann schrieb. Bis zu dem Tag, an dem sie öffentlich über ihren eigenen Selbstmord nachdachte. Living out loud – online.

The entry that greeted my husband on that day was a well-researched commentary on suicide rates among people with bipolar disorder. I informed my readers, among them my husband, that what I have, the milder form of the disease, has a 24 percent suicide rate. Then I wrote, “It does not help to know that one’s mood is a mystery of neurochemistry when one is tallying the contents of the medicine cabinet and evaluating the neurotoxic effects of a Tylenol, topomax, SRRI and ambien cocktail.”

The readers of my blog had no way to determine the intentions behind my entry. Was it some kind of public service announcement, designed to help people understand the seriousness of mental illness? My husband had an easier time realizing it was a cry for immediate and urgent assistance. He, however, felt entirely powerless, sitting in a hotel room 2,000 miles away with no way to intervene and nothing to do but wonder whether he should be cursing or blessing the phenomenon of the blog. He called, he made plans to come home, but it was my girlfriends who responded with the most confidence, perhaps because they had so much less at stake than he did in my stability. They formed themselves into a kind of telephone round robin, refusing to let up until I called my psychiatrist, who immediately diagnosed a problem with the dosage of my medication. (…)

As debates rage about whether bloggers are journalists, whether they need shield laws to protect sources, whether they brought down Dan Rather and are going to take over the media world, on the other side of the blogosphere the diarists and memoirists and mothers are coping with a different set of ethical dilemmas: How much of themselves should they expose online, and how easily should they indulge their urge to confess? In my case, blogging about suicide might have crossed the line.

Ich weiß nicht, ob der digitale Hilferuf jetzt eine Grenze überschritten hat oder nicht. Ich denke, er hat vielleicht Schlimmeres verhindert. Aber natürlich zeigt sich daran die Problematik des persönlichen Bloggens. Sobald man etwas von sich preisgibt, vielleicht etwas, was man nicht unbedingt beim Party-Smalltalk sagen würde, sondern lieber an eine gesichtslose Masse weiterreicht, drängeln sich im Kommentarfeld sehr schnell die guten Ratschläge, die blöden, die überflüssigen. Oder auch die Vorwürfe: wie könne man nur so etwas schreiben? was schnell umschlägt in das allseits beliebte „Mann, bist du scheiße“.

Das Dumme am persönlichen Bloggen, wie ich es mal nennen möchte im Unterschied zum Technikbloggen oder ähnlichem, ist, dass fast jeder Eintrag eine relativ intime Information erhält. Wenn ich zum Beispiel einen Film rezensiere, fließt grundsätzlich etwas von mir mit in die Zeilen ein, etwas von meinen Moralvorstellungen, meinen Erfahrungen, meinen Wünschen und Träumen. Deswegen kann ich mir nicht mal bei den Filmkritiken sicher sein, dass nicht die üblichen Deppenmails oder -kommentare auflaufen, die einem ein unwertes Leben bescheinigen, nur weil man vielleicht einen Film nicht ganz so gern mochte.

Stellt sich die Frage, warum man überhaupt in aller Öffentlichkeit weiterschreibt. Ich für meinen Teil muss die Frage zweiteilen: Warum schreibe ich und warum schreibe ich öffentlich. Warum ich schreibe, lässt sich einfacher beantworten: weil ich es gern tue. Ich habe schon immer gerne geschrieben, bin froh, dass ich alles und jeden Schnipsel von meinen pubertären Gehversuchen aufgehoben habe, lese heute noch die Songtexte, die ich mit 15 für ganz große Kunst hielt und blättere an schlechten Tagen in meinen Tagebüchern, um mir vorzuhalten, dass es schon früher schlechte Tage gab und dass sie sich irgendwann in gute verwandelt haben. Außerdem schreibe ich beruflich; dort allerdings eher über Dinge, über die ich sonst nicht unbedingt viele Worte verlieren würde. Daher ist das private Schreiben ganz schlicht ein Ventil. Andere Leute töpfern gehen ins Fitness-Studio, ich schreibe.

Aber warum öffentlich? Der Schritt zum Weblog war damals eher ein unbewusster. Alles fing mit den Filmkritiken an, die ich per Mail an Freunde und Kollegen schickte, bis mir einfiel, dass ich mir vor Ewigkeiten mal diese Domain gesichert hatte. Und um nicht weiterhin jede Woche Hinz und Kunz mit einer Mail zu belästigen, habe ich fortan die Kritiken auf die Seite gestellt, die ich übrigens liebevoll mit dem Netscape Composer „gestaltet“ hatte. Ich hoffe, der Google-Cache hat sie inzwischen verschluckt. Ehrlich gesagt, habe ich mir damals überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, dass irgendjemand den Kram lesen könnte außer den Leuten, die die URL kannten. Das Internet war für mich ein Arbeitsgerät, eine Suchmaschine und eine Möglichkeit, umsonst „Zeitung“ zu lesen, mehr nicht. Ich las ein paar Weblogs aus den USA, aber das war’s. Ich hatte ernsthaft keine Sekunde daran gedacht, dass meine Zeilen mit dem Hochladen des Textes theoretisch ab jetzt von sechs Milliarden Leuten gelesen werden konnten. Bis sich plötzlich irgendwelche Leute auf meine Seite verirrten und mir Mails schickten und eine Kommentarfunktion vermissten und ich einen Counter installierte und der ganz langsam, aber stetig vor sich hinzutickern begann. Plötzlich hatte ich zum ersten Mal die Möglichkeit, Feedback auf meine Texte zu bekommen, die über das übliche Maß dessen hinausgingen, was meine Freunde oder Kollegen mir gaben. Und das war nicht nur sehr spannend, sondern, ja, logisch, sehr, sehr befriedigend. Natürlich ist es etwas anderes zu schreiben, wenn man weiß, dass jemand mitliest. Natürlich ist es klasse, Zustimmung zu bekommen. Und natürlich hat es richtig reingehauen, als die ersten negativen, beleidigenden, verletzenden Stimmen aufliefen.

Das tut es auch heute noch, was die ganzen Evil-Twin-Leser sicherlich freuen wird. Im Laufe der Jahre (Omma erzählt vom Krieg) hat sich meine Art zu schreiben gewandelt, vor allem, weil ich inzwischen verstanden habe, dass die Blogosphäre genauso begriffsstutzig, doof, eitel, spannend, lustig und faszinierend ist wie es Menschen im wahren Leben auch sind. Es hat sich meine Art geändert, mit Bloggern zu kommunizieren. Wo ich mich früher über jeden unpassenden Kommentar aufgedotzt habe, warte ich heute ein paar Stunden, bevor ich antworte, wenn ich überhaupt antworte. Wo ich früher mal eben launig einen Kommentar in Fremdblogs rausgehauen habe, lese ich inzwischen erstmal eine Woche Content nach, um zu wissen, wo ich mich überhaupt bewege. Wo ich früher freudig auf jede Mail geantwortet habe, beantworte ich heute kaum noch Post, weil ich nicht weiß, ob hinter den freundlichen Zeilen nicht doch ein Spinner lauert, der ein nettes Wort mit einem Heiratsantrag verwechselt. Und wo ich früher in Diskussionen meine Position standhaft vertreten habe, schenke ich heute meist nach zwei-, dreimaligem Ballwechsel ab, weil die wenigsten Streitgespräche online funktionieren. Man kann alles so wunderbar persönlich nehmen (ich grundsätzlich eingeschlossen), man kann in jede Zeile 30 Fehlinformationen reinlesen, man kann soviele Smileys malen wie die Tastatur hergibt, es klappt trotzdem meistens nicht, den Gesprächspartner davon zu überzeugen, dass man nichts Böses im Schilde führt und dass man ihn nicht von vornherein für einen hirnlosen Idioten hält, auch wenn sein Nick männlich/weiblich/Diddelmaus87 ist.

Ich habe in den Blogjahren (ein Blogjahr zählt als sieben Offline-Jahre) mein Schutzschild des Öfteren überprüfen müssen. Manchmal gibt es Tage, an denen ich die ganze Rotte teeren und federn möchte. Dann gibt es Tage, an denen ich sehr dankbar bin, einen Austauschpunkt gefunden zu haben. Und meistens bin ich einfach froh darüber, schreiben zu können und Feedback zu bekommen, sei es positiv oder negativ. Jede Reaktion hilft mir, mich und meine Worte zu überprüfen. Und deswegen schreibe ich fast alles öffentlich und kaum noch in mein Papiertagebuch. Es ist manchmal anstrengend, ständig darüber nachdenken zu müssen, dass hier Menschen mitlesen und alles irgendwie falsch verstehen können und/oder wollen. Es ist aber gleichzeitig ein einzigartiger Umgang mit dem, was ich schreibe. Es ist ein ständiges Adaptieren, ein Korrigieren der ersten Entwürfe, ein Zurücknehmen, aber auch ein Schöner-Machen, Überdenken, Überspitzen, Rauskotzen, Vor-die-Wölfe-Werfen. Manchmal weiß ich, dass ich böse Post kriege, noch bevor ich einen Eintrag online stelle. Manchmal lasse ich es deswegen. Manchmal stelle ich ihn dann erst recht online. Manchmal weiß ich, dass ein Eintrag gern gemocht werden wird. Manchmal weiß ich, von wem Kommentare kommen werden. Manchmal weiß ich, wer mich zitieren oder verlinken wird. Manchmal weiß ich, wer genau das nicht tun wird. Und meistens liege ich voll daneben mit dem, was ich zu wissen glaube.

Bloggen ist eine einmalige Möglichkeit des Schreibens und Publizierens. Es hat mich in den letzten Jahren verändert; ich bin an dieser Möglichkeit gewachsen und gereift, genau wie meine Schreibe. Deswegen möchte ich es nicht missen. Trotz mancher Tage, an denen ich genervt bin, an denen ich eigentlich nichts zu sagen habe und es gerade dann eine Herausforderung ist, doch etwas zu sagen. Persönliches Bloggen ist sicherlich immer eine Gratwanderung, wenn man ehrlich ist und sich keine Online-Persönlichkeit zulegt. Aber für mich hat es sich gelohnt, manchmal nah an der Klippe herumgelaufen zu sein. Und ich hoffe, für ein paar Leser und Mitblogger auch.

(Abspann, Geigen, Taschentücher.)

Köchköch

Falls irgendjemand am 26. März Stabat Mater auf NDR Kultur lauscht, kann er mich die ersten 20 Sekunden ganz dufte husten hören.

Bei sowas möchte man sich ja immer bei allen Anwesenden entschuldigen. Ich jedenfalls. Andere haben weniger Scheu, sich bei Konzerten an das „Hey, leise da, ja!?!“-Gebot zu halten. In Bayreuth hatte ich im Tannhäuser mal eine ältere Dame hinter mir, die ganz ungeniert während der Ouvertüre ihre Gummibärchen aus der Plastiktüte knitterte. Hat sie aber keine zehn Sekunden durchgehalten. Ihre Nachbarn fanden das nämlich genauso doof wie ich.

Kann man das „Hey, leise da, ja!?!“-Gebot eigentlich auch im Kino mal einklagen?

Grand Theft Dickinson

Auf der diesjährigen Game Developers Conference wurden drei große Namen im Business gebeten, mal was anderes zu erfinden als Ego-Shooter: ein Videospiel, das sich mit Emily Dickinson beschäftigt. Battle for the Belle of Amherst:

The Sims creator Will Wright, Black & White designer Peter Molyneux and Splinter Cell lead designer Clint Hocking were set the task of developing a game concept based on the reclusive poet.

This was the second year of the challenge: Last year, several leading designers were asked to come up with games about love. Wright had the overflow crowd roaring with Collateral Romance, a love story set in the war game, Battlefield 1942.
(…)
Wright, the speaker most people in the room had come to see, riffed on Dickinson’s reputation as a recluse. “If she were alive today, she’d be an internet addict,” Wright deadpanned, “and she’d probably have a really amazing blog.”

At first, he said, he’d thought he would mix Dickinson’s poetry into a Grand Theft Auto: San Andreas environment. But in the end, he was inspired to create a kind of combination of Tamagotchi and Microsoft’s universally hated paperclip helper, Clippy.

Then came the idea to put the player in the role of Dickinson’s therapist. The game, he said, would be stored on a USB flash drive. “As you interact with her, you start with a cordial relationship,” he said. “She (either) becomes romantically obsessed with you, or goes into a suicidal depression, and at the end, she can delete herself from the memory stick.”

Ich würd’s kaufen. Aber ich bin ja auch einen Tag lang traurig, wenn meine Lieblingsfigur aus Animal Crossing einfach in die Nachbarstadt umzieht, die treulose Kuh.

Für wennze richtich Langeweile hast

Die laut Kommentator „ultimative Herausforderung“ hat bei mir 227 erkannte Filme hervorgebracht. Wobei der einzig wahre natürlich sowieso die Nummer 169 ist. Hachja.

(Super, meine Seitenleiste sieht aus, als ob ich mich selber zuspammen würde. Dabei räume ich nur meine alte Seite auf und schmeiße alle Kinoartikel runter. Aber nicht, ohne die ollen Kommentare zu retten.)

Mar adentro

Mar adentro (Das Meer in mir, E/I/F 2004, 126 min)

Darsteller: Javier Bardem, Belén Rueda, Lola Dueñas, Mabel Rivera, Celso Bugallo, Tamar Novas
Musik: Alejandro Amenábar
Kamera: Javier Aguirresaro
Drehbuch: Alejandro Amenábar, Mateo Gil
Regie: Alejandro Amenábar

Trailer (deutsch)

Offizielle Seite (spanisch)

Ramon Sampedro hatte mit 19 bereits als Matrose die Welt umsegelt und führte ein normales, unbekümmertes Leben, bis er an einem Augusttag 1968 kopfüber in zu flaches Wasser sprang, sich dabei das Genick brach und fortan vom Hals abwärts gelähmt war. Sein Bruder, dessen Frau und Sohn und sein Vater kümmern sich um ihn, aber nach fast 30 Jahren hat Ramon genug. Er hält sein Leben für unwürdig, will so einfach nicht mehr weitermachen und bittet daher vor Gericht um Sterbehilfe. Diese wird ihm allerdings mehrfach verwehrt. Ramon findet dennoch Freunde, die ihm helfen, und so stirbt er 1998 an einer Dosis Zyankali. Das Meer in mir erzählt seine – wahre – Geschichte.

Wie schon bei vielen anderen Filmen vorher habe ich mich auch hier gefragt, wie mir eine Story unterhaltsam verkauft werden kann, deren Ende ich bereits kenne. Und wie schon bei vielen Filmen vorher durfte ich miterleben, dass es die Charaktere waren, die mich gefesselt haben. Ramon wird mit einer melancholischen Leichtigkeit von Javier Bardem verkörpert, falls das Wort in diesem Zusammenhang überhaupt passt. Denn sonst ist Bardem auf der Leinwand sehr präsent und kraftvoll – und das meist durch seine Gestik, seine Postur, seine Körperlichkeit. Diesmal ist das einzige, mit dem er arbeiten kann, um Ramon wieder lebendig werden zu lassen, sein Gesicht: seine Mimik, seine Augen, sein Lächeln. Aber es funktioniert – Ramon erscheint nie als ein hilfloser Krüppel, der sich davonmachen will, ganz im Gegenteil. Er ist ein sehr einnehmender Mensch, der anscheinend seit Jahren nichts anderes tut als darüber nachzudenken, wie er seinem Schicksal enkommen kann. Und stark und intelligent wie er nun einmal ist, weiß er für sich, dass nur der Tod etwas an seinem Zustand ändern kann.

Ihm zur Seite steht Belén Rueda als die Anwältin Julia, die Ramon vor Gericht zum Tod verhelfen möchte – nicht ganz uneigennützig, denn auch sie leidet an einer Krankheit, die sie früher oder später zum Pflegefall werden lässt. Die beiden haben von Anfang an eine besondere Beziehung, die über das schlichte Begehren hinweggeht. Ramon erzählt Julia, dass er sich gerne ans Meer träumt, weil das trotz allem sein Lieblingsplatz sei. Und jetzt, wo sie da ist, kommt sie plötzlich in seinen Träumen vor. Die Szene, in denen er ihr am Strand begegnet, gehört zu den schmerzhaftesten im ganzen Film. Seit einer Film-Stunde haben wir Ramon zugesehen, wie er höchstens den Kopf dreht, mit dem Mund schreibt oder das Telefon bedient, wie er gefüttert und gewendet wird. Und plötzlich, fast unmerklich, bewegt sich Ramons Hand über seine Bettdecke. Die Decke wird beiseite geschoben, die Beine im Schlafanzug strecken sich plötzlich, die Füße stehen auf dem Fußboden, Ramon erhebt sich – und steht mitten in seinem Zimmer, als ob es das normalste der Welt wäre. Er schiebt das Bett vom Fenster weg, vor dem eine hügelige Landschaft lockt, geht in den Flur, dreht sich um, nimmt Anlauf und springt durch das Fenster in seine Traumwelt, durch die er unbeschwert, körperlos, hindurchfliegt, um Julia am Strand zu küssen.

Die Beziehung zu ihr entwickelt sich anders als geplant; genauso überrascht haben mich die weiteren Protagonisten: die Schwägerin, die nicht nur den Haushalt für ihre Familie führt, sondern sich auch um Ramon kümmert und ihn trotzdem nie als Belastung sieht; sein Neffe, der Ramons Gedichte abtippt und ihm Dinge bastelt, die ihm das Leben etwas erleichtern; der Bruder, der ihn trotzig zurechtweist, dass sich in seinem Haus gefälligst niemand umzubringen habe; der Vater, der senil durch den Film greist, nur um zum Schluss ganz schlicht und ergreifend zu sagen, dass nur eins schlimmer sei, als wenn ein Kind vor den Eltern stirbt – nämlich, wenn ein Kind vor den Eltern sterben will.

Und dann ist da noch Rosa, eine junge Frau, die Ramon bei einer seiner öffentlichen Bitten um Sterbehilfe im Fernsehen gesehen hat und nun ganz allmählich eine Freundin wird. Zum Schluss wird sie es sein, die ihm das Zyankali besorgt. Aber erst, nachdem sie erfolglos versucht hat, Ramon dazu zu bewegen, leben zu wollen. Sie erkennt, dass es der größte Liebesbeweis ist, ihn gehen zu lassen.

Das Meer in mir macht beide Positionen sehr deutlich: die der Menschen, die Ramon lieben und nicht möchten, dass er stirbt und diejenigen, die ihn ebenso lieben und genau deshalb möchten, dass er stirbt. Der Film bleibt dabei stets sehr behutsam und zurückhaltend. Die Dialoge sind keine großen philosophischen Auseinandersetzungen, sondern schlichte Gespräche voll Ehrlichkeit und Sehnsucht; die Gerichtsszenen zeigen keine geschwungenen Reden und Aufruhr im Publikum, sie sind fast nicht existent. Wozu auch. Sie verwehren Ramon das, was er sich wünscht, daher wird ihnen kaum Platz eingeräumt. Viel ausführlicher erzählt der Film vom alltäglichen Leben seiner Figuren, von Ramon, von seinen Freunden, in deren Leben Kinder zur Welt kommen, Menschen erkranken, sich streiten, sich versöhnen. Das Leben Ramons kommt einem dabei fast ereignislos vor, aber nicht umsonst oder banal. Ganz im Gegenteil: Er scheint umgeben von so viel Zärtlichkeit und Liebe, dass man ihn genausowenig gehen lassen möchte wie seine Familie.

Der Film ergreift keine Partei, er macht aus dem Leben nichts Heiliges und aus dem Tod nichts Begehrenswertes. Er zeigt nur, dass für manche Menschen der Tod schlicht eine Alternative zum Leben ist. Ramon sagt es selbst: „Wir haben das Recht zu leben. Aber nicht die Pflicht.“ Und so entlässt uns Das Meer in mir in unser eigenes Leben mit einer vielleicht neuen Wertschätzung für uns, für unsere Zerbrechlichkeit, aber auch unsere Stärke. Für Respekt uns selbst gegenüber und unseren Freunden. Und für unsere Entscheidungen. Wie immer sie auch ausfallen mögen.

Sex on screen

Der Guardian mal wieder mit einem seiner schönen Quizzes. Diesmal geht’s um … genau. 6 von 10.

Das Kanzleramt

Ich drücke die Daumen: Am 23. März startet Das Kanzleramt, eine zwölfteilige Serie, die wohl so ein bisschen The West Wing auf deutsch sein soll. Klingt spannend, vor allem, weil Robert Atzorn und Klaus J. Behrendt die Hauptrollen spielen: Der Fernsehkanzler.

Das Ensemble, wie es der Hamburger Produzent Ulrich Lenze und sein Kreativpartner, Hans-Christoph Blumenberg, Autor und Regisseur, für dieses Projekt zusammenbekommen haben, ist so ungewöhnlich wie das Projekt. Und so ist die ganze Veranstaltung, auf die sich das ZDF eingelassen hat, auch nicht billig, von den Bauten über die Ausstattung bis zu den Gagen. Fernsehen für Anspruchsvolle, sagen die Verantwortlichen. Ein Projekt gegen die Niveausenkung, ohne Verzicht auf die Quote. Entsprechend hoch ist das Risiko.

Politik ist für Nichtpolitiker eigentlich nicht unterhaltsam, geschweige denn spannend. Wie soll Politik einen interessanten Spielfilm abgeben, wenn darin nicht – Modell Hollywood – die Außerirdischen angreifen, im Kanzleramt ein Mord passiert oder wenigstens Sex im Hinterzimmer, mit Blick auf den Reichstag, gefilmt wird? Nichts davon im Kanzleramt. Die Serie erzählt von Politik und den Menschen, die sie machen. Kann das gut gehen? Politik im Hauptabendprogramm, zur Prime Time um 20.15 Uhr. Am Mittwoch? Zwölf Mal?

Ich hasse es, wenn mein Sohn schönere Formulierungen hat als ich

Da musste der dann immer die Tentakel-Nummer bringen, und alles zuscheppern.

Einmal das Regal lang:

(Read franziskript)

Jane Austen, Ingeborg Bachmann, Simone de Beauvoir, Harriet Beecher-Stowe, Tania Blixen, Simone Borowiak, Charlotte Brontë, Emily Brontë, Else Buschheuer, Candace Bushnell, Lara Cardella, Hillary Rodham Clinton, Agatha Christie, Emily Dickinson, Waris Dirie, Marion Gräfin Dönhoff, Doris Dörrie, Colette Dowling, Marguerite Duras, Karen Duve, Helen Fielding, Debra Ginsberg, Marlen Haushofer, Jana Hensel, Judith Hermann, Patricia Highsmith, Francis Hodgson-Burnett, Alice Hoffman, Elfride Jelinek, Zoe Jenny, Judith Kerr, Anne Lamott, Harper Lee, Doris Lessing, Astrid Lindgren, Rosa Luxemburg, Camryn Manheim, Carson McCullers, Colleen McCullough, Edna St. Vincent Millay, Toni Morrison, Audrey Niffenegger, Amélie Nothomb, Joyce Carol Oates, Shannon Olson, Astrid Paprotta, Rosamunde Pilcher (jajaja), Christine de Pizan, Mirjam Pressler, Annie Proulx, Uta Ranke-Heinemann, Anne Rice, Maria Riva, J. K. Rowling, Gina Ruck-Pauquèt, Jehan Sadat, Françoise Sagan, Alice Schwarzer, Anna Seghers, Mona Simpson, Valerie Solanas, Susanna Tamaro, Any Tan, Deborah Tannen, Donna Tartt, Lynne Truss, Anne Tyler, Kaari Utrio, Karin Vogt, Alice Walker, Velma Wallis, Martina Wimmer, Anna Wimschneider, Christa Wolf, Virginia Woolf, Julie Zeh, Marion Zimmer-Bradley. Und Anne Frank.

Highway to Heaven, Stairway to Hell

Wenn man sonst nix zu tun hat, könnte man ja mal eine Umfrage starten nach den beliebtesten Songs, die auf Beerdigungen gespielt werden. Der englische Sender Music Choice hat genau das getan, und was ist Nummer Eins geworden? Der gute Robbie mit Angels. Jedenfalls auf der Insel. Die Europäer mögen lieber The Show must go on von Queen. Und fast so gerne Led Zeppelin und AC/DC, denn die beiden sind auf Platz 2 und 3:

Frank Sinatra’s My Way was second in the UK vote with Monty Python’s Always Look on the Bright Side of Life in third place. More than 45,000 people were surveyed by digital TV station Music Choice.

The European chart, which included Denmark, France and Germany, put Led Zeppelin’s Stairway to Heaven in second and AC/DC’s Highway to Hell in third.

Queen’s Who Wants to Live Forever was highly favoured by both UK and European voters.

„Frauenleiden”

Es fühlt sich ja schon ein bisschen wie Seniorenstudium, Hermès-Tuch und Anti-Aging-Creme an, wenn einem der Apotheker nach der Bitte um „Irgendwas gegen Menstruationsbeschwerden“ Dolormin mit der Bemerkung „Speziell für die Dame“ verkauft.

(Egal. Knallt.)