Was interessant war, 26. März 2018 – Tough Crowd

Am Sonntag sah ich beim Frühstück aus dem Hotelfenster drei Hasen über den Rasen hoppeln. Gestern rumpelte nur ein Bagger in der Gegend rum. Ich prangere das an.

Den Vormittag verbrachte ich im Betahaus. Ich hatte zwar die letzten Tage im Hotel gearbeitet, aber so nett (und günstig) das Motel One auch ist – der lächerliche Hocker vor dem kleinen Beistelltischchen ist zum Arbeiten dann doch eher suboptimal. Also fragte ich auf Twitter, wo ich denn co-worken könne, denn alles, was ich beim Googeln fand, überzeugte mich nicht. Das Betahaus kannte ich sogar, aber als ich Samstag auf deren Website rumklickte, reagierte die Seite nicht, weswegen ich überlegte, ob es den Laden überhaupt noch gab. Gibt es. Er sitzt jetzt in der verranzten Schanze (missing tidy Munich!), im Erdgeschoss gibt’s Kaffee und Lärm, aber im ersten Stock kann man überraschend ruhig arbeiten, surfen, drucken und meeten. Letzteres brauchte ich nicht, den Rest ja, und ich war um kurz vor 13 Uhr schon mit allem durch. Für den halben Tag zahlte ich lässige neun Euro, und alleine die gut gepflegten, blumig-duftigen Klos waren das wert.

Danach wollte ich mir die Schmidt-Rottluff-Ausstellung im Bucerius-Kunstforum anschauen, denn die meisten anderen Museen haben ja leider Montags zu. Den Gainsborough in der Kunsthalle hätte ich mir immerhin pflichtschuldig angucken wollen, aber irgendwie konnte ich mich an den letzten Tagen nicht zu ihm aufraffen. Google verriet mir, dass die historischen Museen Hamburgs neuerdings Montags offen haben, nur so als Tipp nebenbei. Aber ich wollte ins Kunstforum, denn da gehe ich immer gerne hin und vor allem komme ich als Kunstgeschichtsstudi umsonst rein.

Die HVV-App zeigte mir eine Verbindung mit dem 15er und dem 5er Bus zum Rathaus an. In einigen der vergangenen Blogeinträge der letzten Monate schrieb ich, dass ich Hamburg jetzt als Touristin wahrnehme. Das stimmt, wenn ich mich irgendwo rumtreibe, wo ich vorher selten oder nie war, aber gestern kam ich gefährlich in die Nähe von Orten, an denen ich tausendmal gewesen bin, als ich noch hier gewohnt habe. Da merkte ich doch einen winzigen Kloß im Hals. Ich fuhr mit dem Bus an der Galerie vorbei, in der ich Luise gekauft hatte, am Haus, in dem meine Gesangslehrerin wohnt (wohnte?), und benutzte eben den 5er, der mein Leib- und Magenbus war. Ich war froh, als ich aussteigen und wieder Touri sein konnte. Und ich weiß jetzt auch wieder, dass die Überlegung, nicht mehr in „unsere“ alte Wohnung zu fahren, die richtige war.

Die Ausstellung durchschritt ich ziemlich zügig, aber interessiert. Sie haben anscheinend das halbe Brücke-Museum leergeräumt und hier aufgehängt, was mir sehr recht war, denn so bekam ich einen schnellen Überblick über Schmidt-Rottluffs Schaffen von den Zehnerjahren bis in die späten Sechziger; auch für mein Diss-Thema nicht uninteressant. Danach blätterte ich wie immer den Katalog durch und fand ein Bild, bei dem ich dachte, dass Mike Mignola es gemalt haben könnte. Toll.

Und abends fand dann endlich die Veranstaltung statt, für die ich überhaupt eingeflogen war: mein Workshop bei der Texterschmiede zum Thema Weblogs. Ich bin im Nachhinein nicht ganz so glücklich mit meinem Auftritt, frage mich inzwischen aber auch, ob diese Unterrichtseinheit überhaupt was im Curriculum für angehende Texter*innen zu suchen hat.

Als ich vor zwei Wochen launig twitterte „Titel steht [Weblogs. They’re awesome.], Rest schreibt sich von alleine“, meinte ich das auch so. Aber: Im Hinterkopf hatte ich das Publikum der republica. Oder von mir aus die Studis in meinem Heimatseminar, die immerhin irgendwie interessiert waren, wenn sie auch nicht recht wussten, warum. Oder generell Leute, die sich selbstverständlich online bewegen. Hier hatte ich 35 gestresste Textpraktis vor mir, von denen kaum welche Blogs lasen, die acht Stunden Agentur in den Knochen hatten und vermutlich einfach nur nach Hause wollten. Mit diesem Stresslevel müssen die anderen Dozent*innen natürlich auch klarkommen. Aber von denen lernen sie, wie man gute Headlines schreibt oder schöne Copys. Da würde ich als zukünftiges Texterlein auch zuhören, denn das ist elementar. Ob ich ein Weblog schreibe, ist im Vergleich dazu scheißegal. Und so kam mir die Stimmung im Raum leider auch vor.

Ich erspare euch meinen ganzen Vortrag, aber ein paar Punkte will ich doch notieren, notfalls für mich, damit das beim nächsten Mal besser läuft. Ich begann bei Adam und Eva: Was sind Blogs, seit wann gibt’s die, Entwicklung von Techie- zu Tagebuchblogs – hier konnte ich mir natürlich nicht verkneifen, auf Jean-Remy von Matts „Klowände des Internets“ hinzuweisen, aber damit konnte niemand was anfangen –, sind Blogs der neue Journalismus, darf man mit Blogs Geld verdienen, der ganze alte Quatsch halt. Ich dachte, ich müsste erläutern, wo wir herkommen, um zu würdigen, wo wir sind, aber ich glaube, das war eine überflüssige Idee. Ich muss ja auch nicht wissen, wie der Buchdruck funktioniert, um mich über meinen Amazon-Wunschzettel zu freuen.

Danach ballerte ich die Armen mit 40 Folien voll, auf denen ich Screenshots diverser Blogs abbildete, um die Vielfalt und Funktionen von Blogs klarzumachen: unterhalten, informieren, zu Diskussionen einladen, rummeinen, Einblicke in Leben geben, die man sonst nicht bekommt – was für uns Werber*innen, die gerne ihre Zielgruppe kennt, nicht ganz unwichtig ist. Ich hoffe, ich konnte wenigstens meinen wichtigsten Punkt machen: Jeder hat eine Stimme, jede wird gelesen, Blogs geben Menschen Raum, den sie sich außerhalb des Netzes vielleicht nicht nehmen (z. B. dicke Frauen).

Dann gab’s Gruppenarbeit und ich wollte darüber diskutieren lassen, warum man Kunden Blogs empfehlen sollte oder warum nicht und warum Texterinnen bloggen sollten oder etwa nicht. Ich hatte mir natürlich auch Antworten überlegt, die auch alle kamen und noch ein paar Gedanken darüber hinaus; eine Diskussion wurde aber nicht daraus. Was mir zudem ernsthaft erst auf der Bahnfahrt zurück ins Hotel eingefallen ist, war das Kracher-Gegenargument für Kundenblogs: Sie haben eben keine eigene Stimme. Eine Firma klingt immer wie eine Firma und nicht wie ein Mensch, über dessen Leben ich lesen will. Deswegen lese selbst ich keine Firmenblogs, auch keine von den Autoherstellern, für die ich arbeite (oder gearbeitet habe).

Als Abschluss wurde ich etwas persönlicher. Ich erklärte ein bisschen meine eigene Blog-Biografie und wie die Rubrik „Was schön war“ entstanden ist. Dann bat ich die Rotte, selbst mal fünf Minuten zu überlegen und einen Blogeintrag vorzuformulieren: Was hat dich an deinem Tag inspiriert? Was hälst du für mitteilenswert? Über was würdest du gerne schreiben? Ganz simpel.

Bevor die Jungs und Mädels die Stifte spitzten, kamen aber endlich mal Fragen. Unter anderem das Killerding, auf das ich überhaupt nicht vorbereitet war, weil ich darüber seit zehn Jahren nicht mehr nachdenke: „Warum macht man das öffentlich?“ Mir fiel wieder auf, dass ich mein Bloggen schlicht nicht mehr hinterfrage, ich mache das einfach, das ist wie Zähneputzen. Aber genau das kann man natürlich niemandem erklären, der wissen will, warum er oder sie jetzt mit Bloggen anfangen sollte. Ich erwähnte im Vortrag natürlich die vielen tollen Vorteile, die Einblicke in fremde Leben, die vielen Dinge, die man lernen kann, die Reise zu sich selbst blablabla. Aber ich merkte bei jedem Satz, dass ungefähr 20 Leute innerlich mit den Augen rollten oder übers Abendessen nachdachten. Und ich ärgere mich, dass ich sie nicht gekriegt habe, dass ich die Faszination dieses Mediums nicht vermitteln konnte.

Immerhin ist aus der letzten Übung noch was Spannendes rausgekommen. Ich ließ nicht alle 35 erzählen, worüber sie schreiben wollten, das kam mir doch zu klippschulig vor, aber selbst die zehn, fünfzehn Leute, die was vortrugen, hatten alle tolle Ideen: ein Spieleblog war dabei, eins über Kollegen in der Agentur, die zu spät kommen, eins, das eventuell Probleme des Alltags lösen würde (oder sie zumindest mal erwähnt und auseinanderklamüsert), ein bestimmtes Modeblog. Außerdem verstrickte ich mich noch in eine Diskussion mit jemandem aus der ersten Reihe, der partout meinte, er hätte der Welt nichts mitzuteilen. Ich: „Dann schreib doch das langweiligste Blog der Welt. Übers Wetter oder so.“ Er: „Oder Rauhfasertapeten.“ Seitdem denke ich über genau dieses Blog nach und verdammt nochmal, ich würde es lesen wollen.

Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass nur wenige mir wirklich gerne zuhörten und deswegen beendete ich alles auch nach 90 Minuten, obwohl ich theoretisch die doppelte Zeitmenge zur Verfügung gehabt hätte. Das frühe Ende lag aber auch an mir; mein Probedurchgang mit den ganzen Blogfolien bis zur Diskussion dauerte 45 Minuten, und gestern vor Ort hetzte ich in 30 durch sie durch. Ich ahne, dass ich schwer verständlich war – sorry, Kinnings! Das hab ich verkackt.

Aber da ich oft genug erwähnt habe, dass ich alle Links, die ich gestern vorgetanzt habe, ins Blog stellen werde, sind jetzt hoffentlich trotzdem alle da und klicken die folgende Liste durch. Und bloggen bitte. Nur mal so zum Ausprobieren. Für mich. Bussi!

https://wordpress.org/
https://www.blogger.com/blogger.g#welcome
https://antville.org/
https://www.twoday.net/
https://feedly.com/i/welcome
https://maedchenmannschaft.net/
http://www.dirkvongehlen.de/blog/

https://medium.com/smk-open/might-the-past-be-the-future-for-digital-museum-communication-81554dcb0fad

http://scripting.com/
http://fraunessy.vanessagiese.de/
https://vanessagiese.de/blog/
http://www.thesartorialist.com/
http://www.advanced.style/
http://www.leblogdebigbeauty.com/
https://danceswithfat.wordpress.com/blog/
http://deern.ankegroener.de/
raul.de/blog/
https://narkosearzt.wordpress.com/
https://vierpluseins.wtf/
dooce.com/
http://blog.beetlebum.de/
http://katiakelm.de/blog/
http://www.chestnutandsage.de/

http://www.zeit.de/campus/2017-12/reiseblog-verdienst-blogger-lifestyle

https://www.theverge.com/tldr/2018/2/2/16963698/instagram-video-photos-homogenous-photogenic-mass-tourism-experience

https://nevigeser.blogspot.de/
https://runfurther.de/
https://rhoenradblog.wordpress.com/blog/
https://wassergarten.wordpress.com/
http://apfel.kulturnation.de/
https://www.moritz-hoffmann.de/tag/blog/
https://de.hypotheses.org/
http://www.openedition.org/catalogue-notebooks?page=catalogue&pubtype=carnet&lang=en

http://www.lenbachhaus.de/blog/
https://www.pinakothek.de/blog
https://ideenfreiheit.wordpress.com/
https://blog.daimler.com/
https://blog.audi.de/
text-macht.de/
http://www.carolinegibson.co.uk/blog/
https://exportweltmeister.de/
vimeo.com/226777557
http://www.ineshaeufler.com/blog/
https://kottke.org/18/03/twenty