Selbstzitat

Douglas Coupland zitiert sich selbst. In seinem ersten Buch Generation X lautete eine Kapitelüberschrift „Shopping is not creating“. (Was bei mir jahrelang als Post-it am Computer klebte.) In seinem vorletzten Buch Player One von 2010 treffen wir einen Priester, der über eine Überarbeitung der sieben Todsünden nachdenkt. Und das klingt dann so:

„Luke thinks sins badly need updating, and he keeps a running list in his head of contemporary sins that religions might well consider: the willingness to tolerate information overload; the neglect of the maintenance of democracy; the deliberate ignorance of history; the equating of shopping with creativity; the rejection of reflective thinking; the belief that spectacle is reality; vicarious living through celebrities. And more, so much more.“

Ich würde gerne wissen, ob sich da gerade ein Kreis geschlossen hat oder ob Coupland wirklich einen so schönen Satz vergessen konnte wie „Shopping is not creating“.

„Why is almost every robust healthy boy with a robust healthy soul in him, at some time or other crazy to go to sea? Why upon your first voyage as a passenger, did you yourself feel such a mystical vibration, when first told that you and your ship were now out of sight of land? Why did the old Persians hold the sea holy? Why did the Greeks give it a separate deity, and own brother of Jove? Surely all this is not without meaning. And still deeper the meaning of that story of Narcissus, who because he could not grasp the tormenting, mild image he saw in the fountain, plunged into it and was drowned. But that same image, we ourselves see in all rivers and oceans. It is the image of the ungraspable phantom of life; and this is the key to it all.“

Herman Melville, Moby Dick

Spinatsalat mit Granatapfelkernen, Mandeln und Pecorino

Ein Rezept von Herrn Ottolenghi mal wieder, diesmal nicht aus dem Kochbuch, sondern aus seiner Guardian-Kolumne. Ich habe die Mengenangaben total ignoriert und irgendwas in die Schüssel geworfen, aber angeblich werden von dem unten stehenden Rezept sechs Leute satt.

125 g Babyspinat und
25 g Rucola waschen.
1 Granny-Smith-Apfel entkernen, vierteln und in schmale Streifen schneiden.
75 g Mandeln schälen, rösten und hacken. (War zu faul zum Schälen.)
30 g Granatapfelkerne aus der Frucht holen.
2 Schalotten fein hacken.

Alles in einer Schüssel vermischen und noch
50 g Pecorino,
3/4 TL Salz,
1 EL Weißweinessig und
2 1/2 EL Olivenöl dazugeben.

Hungriger Jammertweet

Dieser Tweet hat mich natürlich tagelang beschäftigt:

Erstens kann man mir quasi beim Kochen über die Schulter gucken, denn meisten fotografiere ich mein Futter und flickere es. Wobei ich „fotografieren“ eher „knipsen“ nennen würde, denn jetzt im Winter koche ich wochentags erst nach der Arbeit. Heißt: Dunkelheit, gelbes Küchenlicht, iPhone-Schnappschuss statt schick komponierter Teller und anständige Kamera.

Und zweitens empfahl ich vor kurzem die wunderbare Go-Veggie!-App von Nutriculinary, aus der ich bis jetzt vier Gerichte komplett nachgekocht und mehrere Einzelteile irgendwie kombiniert habe. Das erste Gericht findet sich im verlinkten Eintrag; das waren die Fonduekartoffeln mit Nussbratäpfeln. Vor ein paar Tagen gab’s leckerste Spießchen mit Räuchertofu, Äpfeln und Zwiebeln mit Kartoffel-Erbsen-Stampf und karamellisierten Zwiebeln:

Dann kamen ausgebackene Austernpilze mit Limetten-Mayonnaise und Salat aus Avocado und Gurke mit einem Dressing aus Limettensaft und Olivenöl auf den Tisch und waren äußerst schmackhaft:

Und gestern entdeckte ich einen sofortigen Liebling: Paprikagemüse mit Kartoffelstampf und Pinienkern-Oliven-Petersilien-Butter. Die Butter! Sofort nachmachen! Einfach Pinienkerne ohne Fett anrösten, grüne Oliven ohne Kern und Petersilie, grob gehackt dazu, einen ordentlichen Klecks Butter und fertig. Groß-ar-tig! Ich glaube, ich mache die heute nochmal, lasse sie festwerden und schmier sie auf Baguette.

„What children’s drawings would look like if it were painted realistically“

Schöner Link via Florian Meimbergs Gefacebooke.

„Let us love in peace“

Ja, man kann die Hobbys Fussi und Musike miteinander verbinden. Hat Andrew Lloyd Webber längst gemacht: Das Musical The Beautiful Game ist zwar eher doof, hat aber einige sehr schöne Songs. Wie meinen Liebling Let us love in peace.

Bücher November 2011

Jasper Fforde – Something Rotten

Der vierte Band mit Tuesday Next, die lustig zwischen der Realität und der Bücherwelt hin- und herspringt. Diesmal bringt sie Hamlet mit zu Mama, ihr zeitweilig gelöschter Ehemann kommt wieder, ihr Dodo hat Nachwuchs bekommen, sie legt sich mal wieder mit der Goliath Corporation an, die eine Religion gründen will, und dann gibt’s noch Stalker, Profikillerinnen und eine Möglichkeit, Tote wieder zum Leben zu erwecken und Shakespeare zu ersetzen. Und noch 1.000 Dinge mehr, die für mich diesen Band völlig überfrachtet haben. Zum Schluss habe ich quergelesen, weil ich wissen wollte, wie’s ausgeht, aber nach dem herrlichen dritten Buch war ich doch ziemlich enttäuscht. Next!

(Leseprobe bei amazon.de)

Helmut Krausser – Der große Bagarozy

Auf Krausser bin ich mal wieder durch Twitter aufmerksam geworden, denn dort wurde mir sein Stück Eyjafjallajökull-Tam-Tam am Münchner Residenztheater ans Herz gelegt, die das Ding nicht nur auf der Bühne aufführten, sondern am Premierenabend auch als Filmversion ins Netz stellten. Die dreieinhalb Stunden haben mir sehr gut gefallen, weswegen ich anfing, nach Büchern des guten Mannes zu gucken. Der große Bagarozy erzählt von einem Mann, der glaubt, die Callas zu sehen und berichtet davon seiner Therapeutin. Im Laufe der Geschichte stellt sich raus, wer der Patient wirklich ist, was er mit Maria Callas zu tun hat und wie das Ganze die Therapeutin verändert. Hat mir sehr gut gefallen, sowohl inhaltlich als auch sprachlich – und ich bin sehr froh, dass ich erst nach Ende der Lektüre auf der IMDB nachgeguckt habe, wer den Patienten in der Verfilmung von Eichinger gespielt hat. Der Schweiger. Um Gottes Willen.

Und das Plakat ist mal wieder sexistische Kackscheiße vom Feinsten. Nee, verlinke ich nicht. Googelt euch selber die Finger schmutzig.

Christoph Biermann/Ulrich Fuchs – Der Ball ist rund, damit das Spiel die Richtung ändern kann: Wie moderner Fußball funktioniert

Wer das großartige Fußballtaktikbuch Inverting the Pyramid von Jonathan Wilson gelesen hat, braucht das hier nicht mehr, denn es erzählt im Prinzip dasselbe, nur viel kürzer. Allerdings gibt’s ein winziges bisschen mehr über den deutschen Fußball, dem Wilson nicht ganz so zugetan ist. Immerhin. Dafür gibt’s Pyramid jetzt endlich auf Deutsch: Es heißt dann Revolutionen auf dem Rasen: Eine Geschichte der Fußballtaktik und wurde von Markus Montz übersetzt.

Robert Levine – Weep, Shudder, Die: A Guide to Loving Opera

Schönes Ding für Opern-Anfänger und -Anfängerinnen. Levine nimmt die unnötige Schwellenangst vor dieser Kunstform, indem er die gängigsten Werke kurz beschreibt, auf musikalische Höhepunkte aufmerksam macht und sie in den musikgeschichtlichen Zusammenhang setzt. Das ganze ist locker-flockig geschrieben und verführt sehr dazu, mal eine Karte für die städtische Oper zu kaufen. Nachdem man das Buch gekauft hat. Macht das mal.

(Leseprobe bei amazon.de)

John Layman/Rob Guillory – Chew Vol. 3: Just Desserts

Über Chew habe ich hier und hier geschrieben. Geht gut weiter.

Christoph Biermann – Die Fußball-Matrix: Auf der Suche nach dem perfekten Spiel

Große Empfehlung für alle, die sich für die Zahlen und Statistiken hinter dem Spiel interessieren. Biermann beschreibt, wie Videoaufzeichnungen das Spiel und das Training verändert haben, wie Zahlenwerke das Scouting beeinflussen, widerlegt einige Fußballweisheiten, die in Stein gemeißelt schienen und plaudert mit Lionel Messi darüber, wen er spielt, wenn er an der Konsole Fußball daddelt: „Mich selbst. Nur besser.“

(Lesprobe bei amazon.de)

Wolfgang Herrndorf – Sand

Wo ich bei Herrndorfs letztem Roman Tschick die ganze Zeit dachte, hachja, die gute, alte Welt ist doch eigentlich total supi, dachte ich bei Sand die ganze Zeit, meine Güte, sind wir alle widerlich, dumm und scheiße. Netterweise liest sich die dumme, widerliche Menschheit ziemlich gut weg. In Sand geht es um ein nordafrikanisches Land, in dem 1972 vier Mitglieder einer Hippie-Kommune ermordet werden. Der Täter ist genauso doof wie die Polizisten, die ihn verhören, und die Hippies sind genauso doof wie die Hauptperson, ein Mann, der ohne Erinnerungen in einer Scheune aufwacht und von einer blonden Amerikanerin aufgegabelt wird, deren Freundin in der Kommune lebt. Das einzige, was der Amnestiker nach und nach erfährt, ist, dass er angeblich etwas hat, das viele andere von ihm wollen. Wir begleiten den armen Kerl über 400 Seiten, auf denen er versucht zu finden, was er nicht einmal benennen kann. Ohne zu viel verraten zu wollen: Es geht so ziemlich alles ziemlich mies aus, aber das ahnt man schon auf den ersten Seiten. Das Buch sollte eigentlich überhaupt keinen Spaß machen, weil es ein sehr niederschmetterndes Bild der Menschheit und ihrer Moral zeichnet, aber ich liebe Herrndorfs Sprache und seine Dialoge so sehr, dass ich die ganzen Idioten wirklich gerne beim Dahinscheiden begleiten habe. Vor allem die letzten Seiten sind großartig, weil dort alle Fäden nochmal aufgenommen werden, die ich schon im Sand verschüttet geglaubt hatte. Große Empfehlung, wenn man mal ein, zwei Nachmittage für eine anständige Depression Zeit hat.

(Leseprobe bei rowohlt.de)

Joseph Wechsberg (Gerda von Uslar, Übers.), Forelle blau und schwarze Trüffeln

Forelle erschien 1953 (1965 auf Deutsch) und klingt dementsprechend: ein bisschen betulich, aber das passt hervorragend zum Thema. Wechsberg hangelt sich an einer eigenen Biografie entlang und beschreibt seinen Weg zum mäkeligen Kind zum begeisterten Allesesser. Wir wohnen mit ihm in Mähren und Paris, begleiten ihn als Geiger auf einem Ozeandampfer und gucken mit ihm in italienische, französische und österreichische Küchen, Restaurants und Weinkeller. Und wie schon in Torbergs Tante Jolesch lebt eine untergegangene Zeit wieder auf, und wie die Tante Jolesch macht es einen sehr, sehr wehmütig. Und sehr, sehr hungrig.

Edwin G. Burrows and Mike Wallace – Gotham: A History of New York City to 1898

Ich zitiere die Webseite des Pulitzer-Preises, den dieser 1.200-Seiten-Wälzer 1999 in der Kategorie Geschichte bekam:

„Drawing on the work of hundreds of scholars who have reexamined New York’s past, the authors weave together diverse histories – of sex and sewer systems, finance and architecture, immigration and politics, poetry and crime – into a single narrative tapestry that reads like a fast-paced novel. (…) Gotham is no mere local history. The story of New York is the saga of the nation. By 1898, New York had become America’s unofficial capital. Wall Street supplied it With capital, Ellis Island channeled it labor, Fifth Avenue set its social trends, Madison Avenue advertised its products, Broadway and Times Square entertained it, and City Hall, as befit an unofficial capitol, Welcomed heroes and heroines with parades and flotillas.

But the real heroes and heroines of Gotham are New Yorkers themselves, and the authors provide mini-biographies of hundreds of individuals, ranging from the world famous to the virtually unknown. (…) The people and events that animate these pages will mesmerize everyone interested in the greatest dry on earth. Gotham is a dazzling read, an absorbing narrative that carries the reader along as it threads its multitude of stories into one great blockbuster of a book.“

Jepp. Ich brauche wahrscheinlich noch ein Jahr, um es auszulesen, weil ich es nur an den Wochenenden lesen kann (zu schwer für den Bus), aber ich wollte es euch endlich mal ans Herz legen, nachdem ich mich seit Monaten damit beschäftige. Ihr seid gewarnt: Es ist schwer und dick und seeehr ausführlich. Aber ziemlich toll. (Und nur für dieses Buch kaufe ich mir jetzt einen Kindle.)

Rudi Raschke – Stadion

Schickes Coffee-Table-Book mit ner Menge nationaler und internationaler Fußballtempel. Leider manchmal nur als Detail anstatt auch mal in Komplettaufnahme, weswegen ich nicht von allen Stadien ein „richtiges“ Bild gewinnen konnte. Der Text ist total verknallt, was ich ja gerne habe, das Buch allerdings von 2006, weswegen einige Arenen inzwischen doofe Namen tragen und/oder Umbauten hinter sich haben.

(Die Links unter den Buchtiteln führen zu Amazon und sind größtenteils Affiliate Links.)

Lungen-Update

Ich zitiere mich selbst, kurz bevor ich das Handy für den Gesangsunterricht ausgemacht habe, den ich gestern nach vier Wochen Zwangspause endlich wieder wahrnehmen konnte:

„Dann gucken wir mal, ob aus einer brüchigen Sprechstimme eine glockenhelle Singstimme wird. (Intuition says no.)“

Intuition is stupid. Gut, glockenhell war’s nicht, aber die Stimme ist nicht einmal weggeblieben, was sie beim Sprechen noch manchmal macht. Sie war klar und kräftig, und mit Into the West aus Lord of the Rings durfte ich auch mal was Tiefes singen.

Wie meinte meine Lehrerin: „Nimm dir Platz. Kopf hoch. LAUT SEIN.“

Singen lernen ist ja quasi fürs Leben lernen.

Twitter-Lieblinge November, 2. Teil

(Teil 1 steht hier.)

„Hinterm Absperrband geht’s weiter“

Interessante Einblicke in die Arbeits eines Sportjournalisten, aufgezeichnet von Philipp Selldorf, Sportjournalist bei der SZ:

„Manchmal lässt es einen am Sinn des Ganzen zweifeln. Später schaut man dann in sein Notizheft und fragt sich, ob das die Anstrengungen und das Schubsen wert war: all die Floskeln, die gebügelten und gefönten rhetorischen Standards und die Binsenweisheiten, die einem während des Spiels schon selbst gekommen sind. Den Spielern ist kein Vorwurf zu machen. Sie sind durch die Verhältnisse geprägt und betreiben deshalb geübte Selbstzensur. Sie werden von ihren Beratern und den Pressechefs der Vereine geschult und eingestimmt auf die menschenfressende Öffentlichkeit, die den Fußball zur großen Sache macht. Und wenn Reporter auf die nichtssagenden Profis schimpfen, dann werden sich manche Spieler womöglich ebenfalls fragen, was das soll: So viele Leute, die gierig nach Banalitäten verlangen.“

(via eines Kommentars bei allesaussersport)

Ein fankurviges Dankeschön …

… an Michael, der mich mit Frank Goosens Weil Samstag ist überrascht hat. Über das Buch bin ich mal wieder in den Weiten des Interwebs gestolpert, und dort wurde der Anfang zitiert:

„Ich stelle mir das so vor: Menschen, die Briefmarken sammeln, Modellflugzeuge bauen oder Turniertanz betreiben, sitzen an einem ereignisarmen Sonntagnachmittag sinnend auf ihrem Wohnzimmersofa und fragen sich: ‘Wo bin ich in meinem Leben falsch abgebogen?’ So eine Frage stellt sich ein Fußballfan überhaupt nicht. Fragen Sie bei uns in der Gegend einen Fußballfan: ‘Wieso gehst du ins Stadion?’, antwortet der nur: ‘Watt?’

Der versteht die Frage überhaupt nicht.

‘Wieso gehst du zum Fußball?’
‘Is doch Samstach!’“

Genau.

Vielen Dank, ich habe mich sehr über das Geschenk gefreut. Verzeihen wir Goosen einfach, dass er Bochum-Fan ist.