Bücher August 2012

Anna Katharina Hahn – Kürzere Tage

Hat mir sehr gut gefallen. Die Kapitel erzählen zunächst abwechselnd von Leonie und Judith, zwei Frauen, die mal einen Plan für ihr Leben hatten, und nach und nach wird immer weniger klar, ob das so hingehauen hat mit Kindern, Männern, Karriere, Glück. Der Stil ist nüchtern, aber in jedem Satz schwingt mehr mit als er Buchstaben hat. Was ich so mochte: dass man beide Frauen verstehen kann, sie bescheuert findet, sie mag, sie bedauert, sie verurteilt, mit ihnen fühlt und sich die ganze Zeit fragt, bin ich das? Wär ich das gewesen wenn? Große Empfehlung.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Frank Büttner/Andrea Gottdang – Einführung in die Ikonographie: Wege zur Deutung von Bildinhalten

Das Buch teilt sich in christliche und profane Ikonographie und wirft einen ziemlich unvermittelt in die Welt von Symbolen, Farben, Blumen und Heiligen. Das ganze ist, soweit ich das beurteilen kann, wirklich nur eine sehr atemlose Zusammenfassung; das Buch kann nur anreißen, aber das macht es sehr gründlich. Ich kann nicht behaupten, mir viel gemerkt zu haben – dafür war es eben zu viel –, aber ich bin über durchaus lustige Dinge gestolpert wie den Pelikan (gnihihi) als Opferungssymbol, weil er sich die Brust aufreißt, um seinen Nachwuchs mit seinem Blut zu ernähren. Hinweis: Das Ding ist kein Lexikon, wo man bequem nachschlagen kann, was wohl eine Orchidee in der Pfote eines Stachelschweins bedeutet, sondern erläutert eher Entstehungen von bestimmten Symbolen wie zum Beispiel die Attribute der Apostel oder der Evangeliare, was Embleme so bedeuten, wie sehr die jeweilige Zeit (und damit die jeweilige Bibelauslegung oder gerade angesagte Literatur und Musik) Einfluss auf die Bildwerke hatten. Das Buch fragt aber auch durchaus zu Recht, ob überhaupt immer alles irgendwas sagen soll und erinnert daran, Bilder auch als Gesamtkunstwerke stehen zu lassen anstatt sie in Details zu zerlegen.

Marie Velden – Lilienrupfer

Ein tiefes Näh! aus der angewiderten Magengegend. Das Ding war eine Empfehlung, und ich habe es auch brav durchgelesen, weil ich dann doch wissen wollte, ob die arme, arme Hauptfigur ihren Traummann findet, denn das ist natürlich das einzige, was irgendwie wichtig ist. Job, Wohnung, Freunde, alles irgendwie Deko, so lange nicht der richtige Kerl am Start ist. Widerliche Botschaft, belangloser Stil, bitte nicht kaufen. Ach und das Ende! DAS ENDE! So was darf man seit Patrick Ewing einfach nicht mehr bringen. Schlimme Scheiße.

(Leseprobe auf amazon.de.)

Annette Pehnt – Mobbing

Ich mochte Pehnts Insel 34 schon sehr, und Mobbing mochte ich noch mehr. Der Inhalt ist schnell erzählt, aber er dient eher als Tapete für die wundervolle Sprache. Mann wird auf der Arbeit gemobbt und ihm wird schließlich gekündigt, während die Ehefrau mit zwei kleinen Kindern zum Zuschauen verdammt ist. Das Buch pickt sich Situationen und Dialoge heraus, springt zwischen Gegenwart und Erinnerungen hin und her und wird immer dichter, immer bedrohlicher und immer bedrückender. Die Sprache ist nicht mehr ganz so verkünstelt wie bei der Insel, sondern viel schlichter – was es noch anstrengender macht, das Buch zu lesen. Große Empfehlung.

Friedrich Ani – Süden und das Lächeln des Windes

Von der Süden-Reihe schwärmte ich ja schon mehrfach, daher hier nur die kopierteingefügte Inhaltsangabe von Amazon: „Der neunjährige Timo Berghoff wird von seiner Mutter vermisst gemeldet. Doch weder Susanne Berghoff noch ihre Schwester Carola, bei der der Junge oft zu Besuch ist, wollen sich zu näheren Umständen äußern. Für den Vater Timos, offenbar in Wolfsburg auf Arbeitssuche, scheint der Vorfall nicht einmal Grund genug zu sein, zurück nach München zu kommen. Süden findet heraus, dass Timo von einer Mitschülerin kurz vor seinem Verschwinden geohrfeigt wurde. Er sucht sie auf, kann jedoch nichts aus ihr herausbringen. Wenig später verschwindet sie ebenfalls spurlos.“

Hat mir natürlich gefallen. Gleich den nächsten Süden hinterher, dann muss ich nachordern.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Friedrich Ani – Süden und der glückliche Winkel

Dieses Mal verschwindet ein Postbeamter, der brav 28 Jahre lang jeden Morgen auf der gleichen Straßenseite zur Arbeit gegangen ist, wahrscheinlich immer das gleiche aß und trank und las und tat. Und dann eben doch nicht. Ich kann die Süden-Reihe kaum aus der Hand legen, inzwischen dauert jedes Buch nur noch drei Stunden, weil einem die Figuren so vertraut sind, die Sprache, ihre Eigenheiten. Und deswegen glaube ich auch alles, was ich lese, und deswegen nimmt mich jedes Buch so mit. Das hier auch.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Friedrich Ani – Süden und das verkehrte Kind

Ein Kind verschwindet, und es ist wie immer nicht so, wie man zuerst glaubt. Und hofft. (Ich brauche eine kurze Pause von der Süden-Melancholie.)

(Leseprobe bei amazon.de.)

Alina Bronsky – Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Wundervoll. Sehr anstrengend, ungefähr so wie ein Familientreffen, auf dem man Menschen sieht, die einem unangenehm sind, denen man aber partout nicht ausweichen kann. So ungefähr geht auch die Geschichte: Rosalinda, Tatarin und sehr überraschend und unwillig Großmutter geworden, zieht an ihrer Tochter statt die kleine Aminat groß. Jedenfalls ist das der Plan, aber dann besinnt sich die Kindsmutter doch noch, was Rosalinda nicht einfach so hinnehmen kann, wie sie überhaupt rein gar nichts einfach so hinnehmen kann. Sie mischt sich ein, lügt, betrügt, macht und tut und das natürlich nur aus Liebe und weil sie weiß, was gut für alle anderen ist. Sie ist, glaube ich, einer der unsympathischsten Charaktere, die ich je zwischen zwei Buchdeckeln kennengelernt habe, aber blöderweise auch einer der faszinierendsten. Ich war eigentlich nur mit Kopfschütteln, Lachen, schnellstmöglich Umblättern und wieder Kopfschütteln beschäftigt. Ich habe die Geschichte geliebt, die Sprache, die Figuren, den Schrifttyp und das Cover und verzeihe dem Buch alles, was mir weh getan hat.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Christopher Clark (Norbert Juraschitz, Übers.) – Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers

Im Juli las ich den ersten, sehr dicken Band der dreiteiligen Wilhelm-II-Biografie von John Röhl und quengelte, dass das schon sehr ausführlich sei. Dann empfahl mir Ellebil den Clark – und jetzt quengele ich, dass es mir nicht ausführlich genug ist. Wobei Röhl sich mit der Zeit bis zum Amtsantritt 1888 beschäftigt und Clark eher die Zeit der Regierung interessiert; insofern hinkt der Vergleich natürlich etwas. Trotzdem. Ohne Röhl hätte ich beim Clark sehr viel mehr googeln müssen, und vieles, was Clark mir auftischt, hätte ich gerne etwas ausführlicher erläutert bekommen bzw. mit mehr Quellenmaterial angereichert. Beide haben allerdings eine sehr dezidierte Meinung vom letzten deutschen Kaiser; Röhl versteigt sich manchmal zur Theorie, Wilhelm II sei quasi der erste Schritt in den Nationalsozialismus gewesen, was Clark sehr deutlich verneint. Dafür hat er mir einen Hauch zu viele Sympathien in die andere Richtung, meint also eher, das war alles nicht so schlimm, der Mann hat da halt ein bisschen rumregiert, war aber eigentlich zu kaum was nütze. Ich hänge meinungsmäßig dazwischen – und werde jetzt doch noch mindestens einen weiteren Band Röhl lesen. Spannender Mensch, spannende Zeit.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Friedrich Ani – Süden und das grüne Haar des Todes

Die Pause war nötig – und mit diesem Band hat mich die Verzweiflung an der Welt und ihrer Bewohner wieder eingeholt, die die Süden-Reihe für mich so unwiderstehlich macht. An diesem Band knabberte ich allerdings zunächst etwas herum. Was ich an den Romanen so mag, ist ihre Dringlichkeit und dass sie sich nie auf Zufälle verlassen. Es passiert, was passieren muss, und es passiert nichts, weil dem Autor nichts Besseres eingefallen ist. Hier stolperte ich zum ersten Mal über einen vermeintlichen Bruch – eine Zeugin meldet sich, die eigentlich keinen Grund dazu hätte, und nur durch ihre Aussage gerät etwas sehr Großes ins Rollen. Erst ganz zum Schluss wird klar, warum die Dame sich zum Sprechen entschlossen hatte, und auf einmal fühlte sich dieses Buch noch bedrückender an als es das sowieso schon tat. Mein bisheriger Liebling aus der Reihe.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Friedrich Ani – Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Ich mag das, wenn Reihen plötzlich mit ihrer Stuktur brechen. Hier ist Süden auf einmal auf sich selbst gestellt anstatt wie sonst immer im Team zu ermitteln. Dabei wollte er doch nur das Grab seiner Mutter im Heimatdörfchen besuchen, wird aber in einen Fall hineingezogen, in dem es um ein Mädchen geht, das seit einem Jahr verschwunden ist. Auch hier, ich wiederhole mich dauernd, ich weiß: Empfehlung.

(Leseprobe bei amazon.de.)

John Lanchester – Capital

In Capital geht es um einige Bewohner von Pepys Road in London, eine frühere Arbeitersiedlung, in der aber inzwischen eher recht wohlhabende Menschen leben. Zum Beispiel ein Banker und seine Klischeenixtufrau (die einzige Person im Buch, die ich wirklich zu platt gestaltet fand), ein Betreuer von jungen Premier-League-Spielern, eine alte Dame, die schon so lange in der Straße wohnt, dass diese einfach an ihr vorbei wohlhabend geworden ist. Zusätzlich lernen wir die Betreiber des kleinen Kiosks am Straßenende kennen, einen polnischen Arbeiter, der die Häuser der Reichen wieder und wieder renoviert, einen Künstler, eine Verkehrspolizistin. Die Bewohner von Pepys Road erhalten eines Tages Postkarten, auf denen ihre eigenen Häuser abgebildet sind – plus eine Botschaft: We want what you have.

Das Buch entwickelt sich sehr vorsichtig, fast zögernd, ich hatte die ersten 100 Seiten eigentlich das Gefühl, das gar nichts passiert, was aber natürlich Quatsch ist, denn selbst wenn wir nur auf dem Sofa sitzen und lesen, passiert etwas, nämlich: Wir sitzen auf dem Sofa und lesen. Ganz allmählich lernt man die Bewohner und die Menschen, die sie umgeben, besser kennen, Verbindungen tun sich auf oder werden gekappt, und nach und nach wird aus der betulichen kleinen Straße ein großes Panorama, das den Blick öffnet auf Geld, Gier, Ruhm, Luxus, Macht – und Familie, Beziehungen, Schuld, Hoffnung, Abschiede, Anfänge.

Ich kann schwer beschreiben, warum mir Capital so außerordentlich gut gefallen hat. Aber ich mag diese epischen Bücher sehr gerne, ganz gleich ob es um eine Familie geht, eine historische Epoche oder wie hier eine Straße, die einen viel weiter mitnehmen als man es auf den ersten Seiten erwartet hatte.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Stevan Paul – Schlaraffenland: Ein Buch über die tröstliche Wirkung von warmem Milchreis, die Kunst, ein Linsengericht zu kochen und die Unwägbarkeiten der Liebe

Eigentlich sagt der Untertitel ja schon alles, auch wenn er zu lang für einen Untertitel ist. Aber das wäre auch so ziemlich das einzige, worüber ich was zu nölen hätte. Oder nee, eins noch: Die Geschichten sind ZU KURZ, VERDAMMT. Da trifft man so schöne Gestalten wie die Köchin Klöpke, die schon in der DDR fürs Politbüro Soljanka produziert hat und dann mit genau dem Satz entlassen wird, den Schabowski auf der Pressekonferenz zur unbeabsichtigten Maueröffnung verlas: „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“ Oder den Oberkellner Adam, der seinen Job ganz großartig findet, wenn da nur die Gäste nicht wären, weswegen Schnöselnasen auch gerne mal unwissend die Teilrechnung von frisch Verliebten übernehmen müssen. Oder auch den Autoren selber, denn im Buch findet sich meine Lieblingsgeschichte aus Stevans Blog über seine Erfahrung mit Wodka und der russischen Küche, die im schönsten Trinkspruch aller Zeiten mündet: „Auf Eure warmherzige Gastfreundschaft, auf die reiche, russische Küche und auf den klaren Geist des Wodkas! Mögen die Weizenfelder der Russischen Föderation ewig wachsen.“ (Der Eintrag ist leider nicht mehr online. Ich prangere das allerschärfstens an!) Alle diese Figuren sind da – und schon sind sie wieder weg. Ich hätte von fast allen noch zehn Seiten mehr haben wollen, mindestens. Dafür trösten mich die schönen Adjektive und Verben im Buch, denn ich liebe Stevans Eloquenz, die Espressomaschinen und Öle wispern lässt, wenn sie arbeiten, oder die Formulierungen wie „die Klarheit der unberührten Gläser“ hervorbringt. Ein schönes Buch, nicht nur fürs Herz, sondern auch für den Magen, denn zu jeder Geschichte steht ein Rezept im Buch. Noch eine große Empfehlung für diesen Monat.

(Leseprobe und mehr beim mairisch-Verlag.)

Friedrich Ani – Süden und die Schlüsselkinder

Ha, endlich mal ein Band, bei dem ich was zu quengeln habe. Wieder wird ein Kind vermisst, und dieses Mal hat der schlaue Racker ein Handy dabei. Süden so: „Die Polizei könnte das Handy orten.“ Jugendheimtante so: „Sie sind bestimmt schneller.“ Ja, klar. Den Fall fand ich eher meh.

(Leseprobe bei amazon.de.)

(Alle Links, die zu Amazon führen, sind Affiliate Links.)

Links vom 30. August 2012

– Die Familie Hensel war mehr als überrascht, als ihre erwartete Tochter sich bei der Geburt als zwei Töchter herausstellte. Abigail und Brittany sind siamesische Zwillinge, die sich einen Körper teilen. In den USA haben die beiden 22-Jährigen seit Kurzem ihre eigene Reality-Show, die von Salon als sehr un-reality-showig bezeichnet wird:

„Unlike so many TV shows — reality and otherwise — “Abby & Brittany” is a kind of soothing ode to the niceness of 20-year-olds, and especially of 20-year-old girls. The women who live with Abby and Brittany are normal in that explicitly Midwestern way, which is to say, normal to the point of notability, grounded, smiley, well-adjusted, well-behaved, just like Abby and Brittany. The roommates are a sort of Greek chorus, supplying the audience with the information it needs — about the girls’ physiological differences, how much tuition they pay (one and a half) and the differences in their personalities — and also expressing their endless, genuinely heartfelt admiration of the two and their astounding simpatico.“

Im Artikel ist eine 45-minütige Dokumentation verlinkt, die die beiden mit 16 zeigt. Sehr sehenswert.

– „Schluss mit Ewigkeit!“ aus der Zeit. Der Artikel bemängelt den immer gleichen Kanon, der in den Museen zu sehen ist, während in den Depots Schätze lagern, die nie ans Tageslicht gelangen. Warum eigentlich?

„Die Alternative? Das wäre ein Museum, das sich von den üblichen Dokumentationspflichten befreit. Das sich auf eigenwillige, ungewohnte Kunstgeschichten einlässt. Und den Mut fasst, die vielen Experimente des 20. Jahrhunderts neu zu beleben. Immer wieder wurde versucht, das Museum neu zu denken, von El Lissitzki über Alexander Dorner bis André Malraux. Die Vergangenheit war oft wagelustiger als unsere Gegenwart, wenn es darum ging, andere Ausstellungsformen zu erproben.

Allerdings kann eine solche Neubesinnung nur gelingen, wenn die Museen unterstützt werden. Erstens bei der Digitalisierung ihrer modernen Sammlungen, sodass sich künftig jeder per Internet in den Depots umtun kann. Zwar werden manche Werke bei dieser Form der Fernbetrachtung nicht ihre volle ästhetische Wirkmacht entfalten. Andere wiederum, die wie der Flaschentrockner von Marcel Duchamp nicht unbedingt auf ein genaues Augenstudium angelegt sind, wären im digitalen Archiv gut aufgehoben. Und insgesamt wäre der Gewinn gewaltig: Das Museum könnte endlich Mut zur Lücke fassen. Es wäre reich, ohne den Reichtum immerzu zeigen zu müssen.“

(via Axel Kopps Gezwitscher.)

– Und zum Schluss ein Video, das ich auch nach zwei Tagen immer noch als sehr beunruhigend empfinde, obwohl es so ästhetisch gefilmt wurde: die Sprengung der Fliegerbombe in Schwabing.

Links vom 29. August 2012

The Best Of The Internet’s Reaction To The Botched “Ecce Homo” Painting

Die Nummer 18!

Restaurier deinen eigenen Ecce Homo.

– Struppig über „Ach, dann trennen wir uns halt und suchen uns was Neues“:

„And then, after we’ve tried to move on one or two or three times, we’re so much older, and we realise we really don’t have an infinite number of shots. We like to think we’ll just move on and try again, applying what we learned, but we cannot even try again once. We try, and then we try a second time, but we’re trying something else already. It’s not destiny any more, we made a choice, right? And it’s all different and difficult all over again. But there’s places we can’t go and word’s we can’t say and music we can’t play any more. Memory and love, cruelly, but true to who we once were, won’t let us. It gets really difficult the third time, and more difficult the fourth time, and very hard the fifth, I guess. Because we never move on. We just try to find a spot from where the ruins that are our hearts still look intact.“

Wie schwierig es ist, in der Provinz Kultursponsoren zu finden, selbst wenn jemand Klangvolles wie Nike Wagner sie sucht. In diesem Fall für das Kunstfest Weimar:

„Während Sportsponsoring immer geht, weil es Marken Sichtbarkeit verschafft wie Förderung in keinem anderen Bereich, wird es in Zeiten der Wirtschaftskrise offenbar auch innerhalb der Firmen schwieriger, Kulturpartnerschaften zu rechtfertigen.

An sich selbst bemerkt Nike Wagner, dass man als Veranstalter fast unwillkürlich beginne, Programmpunkte auf Förderrichtlinien von Unternehmen und Stiftungen hin zu schneidern, um eine aussichtsreiche Bewerbung einzureichen. Auch wenn die meisten Richtlinien völlig in Ordnung seien, müsse man das kritisch beobachten.“

– Ich bin ja immer froh, im Flugzeug ein gutes, altes Papierbuch dabei zu haben: Why do I have to switch off my Kindle for takeoff and landing?

„Because of the way e-ink devices work, they draw no power when displaying either the words on the page or the wallpaper, and so should pose no more of a threat to an aircraft than the hardback the person in the next seat is reading.

But as more of us are flying with more and more electronic gadgets – what the airlines call Personal Electronic Devices (PEDs) – how high is the risk of them interfering with the aircraft’s avionics systems? The answer is a complicated one.“

– Ein hervorragender Text über Triggerwarnungen.

„Many feminist communities use trigger warnings, particularly when discussing rape, sexual abuse, and violence. By using these warnings, these communities are saying, “This is a safe space. We will protect you from unexpected reminders of your history.” Members of these communities are given the illusion they can be protected.

There are a great many potential trigger warnings. Over the years, I have seen trigger warnings for eating disorders, poverty, self-injury, bullying, heteronormativity, suicide, sizeism, genocide, slavery, mental illness, explicit fiction, explicit discussions of sexuality, homosexuality, homophobia, addiction, alcoholism, racism, the Holocaust, ableism, and Dan Savage.

Life, apparently, requires a trigger warning.

This is the uncomfortable truth—everything is a trigger for someone. There are things you cannot tell just by looking at her or him.“

“The specific manner in which the tumour had affected her brain meant that Petunia could not read. She did not want to watch television and she only intermittently wanted to talk; and when she did, Mary tended not to be there. So she spent the day in a state of pure being, a state closer to infancy than any she had experienced since. There were moments when she was afraid, and moments when she felt actual panic, teror, at the thought of dying. At other times when she thought of her death she felt a generalised sense of loss, strangely non-specific: not about the things she would no longer experience, because so many of these things had already faded. Her sense of taste and smell had gone funny, so coffee and tea and bacon and flowers were no longer themselves; or if they were themselves, the sense-impressions were no longer accurately recorded by her brain; they were lost in synaptic translation. But it wasn’t anything specific she felt she was losing: it wasn’t that she was losing this day, this light, this breeze, this spring. It was a general sense of loss connected to nothing and everything. She was simply losing, losing it all.”

John Lanchester, Capital

„Befreit Bayreuth!“

Sehr spannender Artikel aus der Zeit über Wagner, Bayreuth, das moderne Regietheater und dem schmalen Grat zwischen dramatischer Darstellung und Schülertheater:

„Theatergeschichtlich besteht Richard Wagners Unglück darin, dass er mit seinem dezidiert antinaturalistischen Opernwerk ausgerechnet in die Epoche des Naturalismus hineinragte. Er war nicht Zeitgenosse von Sophokles oder Racine, an die er vermutlich eher dachte, sondern von Ibsen und Strindberg. Wie die Bilder und Berichte von den ersten Bayreuther Aufführungen belegen, hatte er selbst keine realistische Darstellung im Sinn. Aber er wollte im Sinne des Aristoteles die Ergriffenheit aller Sinne bewirken und duldete kein ablenkendes Element. Von ebenso sinnbildlicher wie praktischer Bedeutung war hierfür die Verbannung der Musiker in den Orchestergraben. Was Wagner als revolutionäre Neuerung einführte, um die Konzentration ganz auf das ästhetische Ereignis zu lenken, geriet spätestens nach seinem Tod in den Sog des frühmodernen Illusionstheaters, das seine überzeugendere Fortsetzung im Kino fand, die hochartifizielle Form der Oper hingegen ad absurdum führte.“

(via Patrick Hahns Gezwitscher)

Ein blauweißes Dankeschön …

… an Mara, die mich mit einem Buchgeschenk perfekt auf meinen Aufenthalt in der bayerischen Landeshauptstadt vorbereitet. Jetzt muss nächsten Montag nur noch das Immatrikulationsamt ja sagen, und dann arbeite ich 111 Orte in München, die man gesehen haben muss von vorne bis hinten durch. Vielen Dank für die Überraschung, ich habe mich sehr gefreut.

(Stelle gerade fest, dass ich immerhin 13 Orte schon kenne, einige allerdings nur vom Vorbeigehen bzw. -fahren: den Gewürzladen von Herrn Schubeck, die Gipsfiguren im Haus der Kulturinstitute, die Neue Synagoge, die Mae West, das Hofgartenbrunnwerk, den Hubertusbrunnen, die Bavaria, die Kragenköpfe am Karlstor, den Kunst-U-Bahnhof am Königsplatz, die Magdalenenklause im Nymphenburger Park, den Teufelstritt in der Frauenkirche und natürlich das Stadion an der Grünwalder Straße sowie das Trainingsgelände des FC Bayern München. Ha!)

Abenteuerurlaub in Oberfranken

Der Plan für mein wundervolles Opernwochenende in Bayreuth vor gut einer Woche: morgens einstündiger Flug von Hamburg nach Nürnberg, einstündige Zugfahrt von Nürnberg nach Bayreuth, am Bahnhof noch ein Brötchen kaufen, Taxi ins Hotel, bisschen was essen (denn ich frühstücke seit Längerem nur noch einen Cappuccino), bisschen schlafen, langsam für die Oper aufdotzen, um 15 Uhr den Hotelshuttle zum Festspielhaus besteigen, entspannt und weihevoll ankommen, ab 16 Uhr „Parsifal“ genießen, ab 22.30 Uhr viel trinken.

Ja, mach nur einen Plan.

Ich bin eisenharte Lufthansa-Fliegerin, bei anderen Lines gucke ich gar nicht, die sind doof (aus einem mir nicht mehr nachvollziehbaren Grund, aber da war bestimmt mal was – UND JETZT IST DA AUCH WIEDER WAS). Meine geliebte Fluglinie bot allerdings als einzigen Flug am Samstag nur einen an, der bereits um 8 Uhr morgens in Nürnberg landete. Da siegte die innere Schlafmütze – ich buchte misstrauisch Air Berlin, die gegen 10 landen sollte, packte mein Köfferchen und wollte es morgens abgeben.

8 Uhr, Hamburg

Schalterdame so (fröhlich): Ah, nach München?

Ich so (häh?): Nee, nach Nürnberg.

Schalterdame so (fröhlich): Nee, nach München. Der Nürnbergflug wurde gestrichen. Sie fliegen um 9.35 nach München, und von dort bringt Sie ein Busshuttle nach Nürnberg.

Ich so (HÄH?!?): …

Schalterdame so (fröhlich): Guten Flug!

Ich so … innerlich am Rechnen: über eine Stunde später abfliegen, in München längere Wartezeit aufs Gepäck als am Zwergflughafen Nürnberg, zwei Stunden extrem ungeplante Busfahrt, eventuell noch Wartezeit am Bahnhof (Zug fährt einmal pro Stunde), eine Stunde Fahrt bis Bayreuth … ich twitterte sehr pissig, guckte spaßeshalber auf bahn.de, ob ich es mit dem Zug schneller schaffte (natürlich nicht), rief panisch einen Freund in München an, der UNFASSBARERWEISE noch schlief und meine Hysterie daher jetzt auf der Mailbox hat (bitte löschen) und ahnte allmählich, dass ich mir einen Mietwagen nehmen müsste, um halbwegs rechtzeitig in Bayreuth zu sein. Denn wie es sich für ein anständiges Opernhaus gehört: Wenn der Akt angefangen hat, kommt keiner mehr rein.

Generell ist Mietwagen ja eine schöne Option. Mein persönliches Problem damit ist: Ich bin seit anderthalb Jahren kein Auto mehr gefahren. Mein wundervoller Fast-Oldtimer hat nämlich so fiese Sitze bzw. einen so tiefen Einstieg, dass mein Rücken irgendwann die Kombi aus altem Auto und langen Stunden in der Agentur nicht mehr so großartig fand. Deswegen begann ich, vermehrt Öffis zu benutzen und stellte überrascht fest: Ich kann viel mehr lesen, ich stehe nicht mehr im Stau (und wenn, kann ich dabei lesen), ich kriege mehr Bewegung, muss gerade mal 20 Minuten früher aufstehen, um rechtzeitig bei der Arbeit zu sein, komme auch sonst überall hin und kann überhaupt viel mehr lesen. Irgendwann vermisste ich mein Auto überhaupt nicht mehr, vergaß diese Option der Fortbewegung völlig und hatte vor allem keine Rückenschmerzen mehr. Wenn ich mit Kollegen unterwegs war, wurden Züge gebucht oder ich verkroch mich auf den Beifahrersitz (ein Superplatz zum Rausgucken oder ZUM LESEN). So erklärt sich jedenfalls mein Panikanruf beim Kumpel: Ich wollte schlicht nicht Auto fahren, weil ich es a) schon sehr lange nicht mehr gemacht hatte und b) wusste, dass ich noch sechs Stunden im Festspielhaus auf den unbequemsten und rückenfeindlichsten Stühlen der Welt zubringen würde, weswegen ich mein Kreuz vorher nicht übermäßig belasten wollte.

Aber das war jetzt egal. Ich wurde gegen meinen Willen nach München geflogen (steckt euch euer Schokoherz sonstwohin) und musste irgendwie nach Bayreuth. Also: Mietwagen. Hilft ja nix. Jemand twitterte: „Doch, das hilft super.“ Stimmt. (Ja, im Nachhinein ist mir das etwas peinlich, meinen Kumpel mit der Bitte geweckt zu haben, mich doch mal eben 250 Kilometer in der Gegend rumzufahren. Ihr müsst das verstehen: Es ist BAYREUTH.)

11.30 Uhr, München

Schalterdame so (fröhlich): Was kann ich für Sie tun?

Ich so (hektisch): ICHBRAUCHEINAUTOMITNAVI!

Schalterdame so (fröhlich): Golfklasse?

Ich so (SEH ICH SO AUS?): Wenn’s geht, einen Audi. Irgendeinen. Darf gerne größer sein.

Schalterdame so (fröhlich): Hab ich leider keinen einzigen da. Wie wär’s mit nem 1er BMW?

Ich so (SPRECH ICH SPANISCH?): Najut.

Wenn ich schon ungeplant Geld raushaue, dann wenigstens für ein schönes Auto und keinen ollen Ford. Insofern: 1er geht. Gebucht, noch ein Brötchen gekauft (denn mein geplanter Bäckereibesuch in Bayreuth am Bahnhof fiel ja flach und allmählich wurde ich hungrig), Koffer ins Parkhaus gezerrt, Auto gesucht, Koffer in den Kofferraum gewuchtet, eingestiegen.

Ich so im Parkhaus: *navisuch*

Ich so wieder am Schalter (hektisch): DAISTKEINNAVI!

Schalterdame so (fröhlich): Oh, stimmt, das ist mobil, habe ich vergessen. Ich hol’s mal schnell.

Ich so: *fingernägelkau*

Schalterdame so (fröhlich): Bitteschön. Das nächste Mal können Sie auch unser Servicetelefon im Parkhaus nutzen, dann hätten wir Ihnen ein Gerät gebracht.

Ich so: Alles klar. (Innerlich: DAS NÄCHSTE MAL GIBST DU MIR DAS DING GLEICH!)

Navitäschchen unter den Arm, Koffer ins Parkhaus gezerrt, Koffer in den Kofferraum gewuchtet, eingestiegen.

Ich so im Parkhaus: *navikonfigurier* Wie, “GPS is off”? Hm. Liegt bestimmt am Parkhaus. Geht bestimmt, wenn ich auf der Autobahn bin. Hab jetzt eh keine Zeit mehr.

12.30 Uhr, A9 bei München, der Moment, in dem ich eigentlich im Hotel in Bayreuth gewesen wäre

Den Weg bis nach Ingolstadt finde ich auch ohne Navi, daher wusste ich immerhin, auf welche Autobahn ich musste. Sobald es ging, fuhr ich rechts ran, um das widerspenstige Navi einzustellen. Keine Chance. Die Adresse konnte ich eingeben, aber es dachte ständig, ich sei schon in Bayreuth, wo es mich minutenlang durch einen Kreisverkehr zum Hotel schicken wollte. Ich quälte mich durch sämtlich Untermenüs, klickte alles an, was ging, klickte es wieder weg, googelte zwischenzeitig mit dem iPhone die Bedienungsanleitung … und warf das Navi schließlich sehr laut fluchend auf den Rücksitz, um wieder Gas zu geben.

Dummerweise nicht lange.

13 Uhr, A9, immer noch ziemlich nah an München

Der erste Moment, in dem ich wirklich dachte, das war’s, das schaffst du nicht mehr. 250 Kilometer vor dir, gefühlte 2 hinter dir. Meine gesamte Blogleserschaft wird sicherlich meinem Aufruf Folge leisten und sich brav den „Parsifal“ anschauen, alle meine Twitter-Follower werden Opernpartys schmeißen und sich vor Fernsehern und in Kinos zusammenrotten, alle, alle, alle werden dieses Ding sehen – nur ich nicht, weil ich im Stau stehe und heule. Denn das tat ich jetzt wirklich, weil ich mich seit Monaten auf diese Aufführung gefreut hatte und nun wirklich glaubte, sie nicht mehr zu schaffen.

Was mir den Glauben an die Menschheit wiedergab: die Schilder entlang des Staus. Denn die sagten – mit freundlichen Smileys untermalt –, wie viele Kilometer Stop-and-go noch vor einem lagen. Keeping the hope alive! Sobald ich das Ende erreicht hatte, beschleunigte mein kleines Auto wieder auf 180, das iDrive ließ sich blind bedienen (in den Audi-Katalogen schreibe ich zum MMI immer was von „intuitiv“), die Musik war mitsingfähig, und das Tollste war: Mein Rücken zickte nicht. Ich war 200 Kilometer hin- und hergerissen zwischen panischem Heulen und – verdammt gut gelauntem FUCK YEAH 180. Ich hatte wirklich vergessen, wie großartig Autofahren ist.

Um kurz vor 14 Uhr war ich fast in Bayreuth, nachdem mich die hervorragende und hiermit gepriesene deutsche Autobahn-Ausschilderung auch ohne Navi dorthin gelotst hatte. Mein zwischenzeitiger Plan – notfalls fahre ich im Mietwagen bis zum Kassenhäuschen und gehe im durchgeschwitzten Shirt, in Turnschuhen und ungeschminkt in eines der begehrtesten Opernhäuser der Welt, verdammt noch mal – löste sich in Wohlgefallen auf. Um 14.30 Uhr war ich eingecheckt im Hotel, das netterweise direkt an der Autobahnabfahrt lag, was ich von der Reservierungsbestätigung erfuhr, die ich Sichthüllenkasper brav ausgedruckt auf dem Beifahrersitz liegen hatte. Spießigkeit rules! Technik sucks!

14.55 Uhr, Bayreuth

Bis 14.55 Uhr schaffte ich es zwar nicht, mein Brötchen zu verzehren, aber dafür blitzzuduschen, mir ein bisschen Farbe ins Gesicht und ein paar vorzeigbare Klamotten auf den Leib zu werfen und stand quasi bei Abfahrt am Shuttlebus, wo ich auch endlich meine Mama zu Gesicht bekam, die schon händeringend auf mich wartete. Schließlich hatte sie vier Euro für die Shuttlefahrt gelöhnt, und das wäre doch sehr doof, wenn ich das jetzt verfallen ließe. In meinem Kopf ploppte die Mietwagenrechnung für zwei Tage auf, und ich lächelte sphinxhaft, während ich versuchte, meinen hektischen Blutdruck unter Kontrolle zu kriegen. Ich war noch nie so unentspannt vor einer Opernaufführung, was das Gesamterlebnis wirklich schmälert. Es ist eben kein Kinofilm, den man sich mal nebenbei reintut, es ist – für mich – immer noch etwas Besonderes, ganz gleich wie oft ich das Stück schon gesehen habe oder wie oft ich schon in diesem betreffenden Opernhaus war. Und das ist auch der Grund, warum ich immer noch pissig auf Air Berlin bin. Dass ein Flugzeug mal ausfallen kann – geschenkt. Aber ein Bayreuth-Erlebnis kriegt man, wenn man Glück hat, eben nur alle fünf bis sieben Jahre. Und das habt ihr mir versaut. (Ja, die Irrationalität dieser Bemerkung ist mir bewusst, aber ihr müsst das verstehen: Es ist BAYREUTH.)

Der erste Akt im „Parsifal“ ist der längste; in den Applaus nach zwei Stunden mischte sich mein unüberhörbares Magenknurren, dem aber in der einstündigen Pause abgeholfen wurde. Stilecht mit Brezn und Obazda, auch wenn beides eher so meh war. Dafür war der Riesling umso besser, die Gesellschaft äußerst charmant, und nach weiteren zwei Akten bzw. gut drei Stunden schlug ich mir den Bauch noch im Hotelrestaurant voll.

Blöder Nebeneffekt: Ich will ein neues Auto haben und wieder 180 fahren. Vielleicht kann Air Berlin mir da als winzige Wiedergutmachung bei der Anzahlung etwas unter die Arme greifen. Ich nähme auch ne Bayreuth-Karte für nächstes Jahr. Aber dann fliege ich wieder mit dem Kranich.

(Respect your inner Schnulzenphilipp!)

Ein extrem grinsendes und total sprachloses Dankeschön …

… an Kathrin. So sah ihr riesiges, flaches Paket von außen aus:

Diese Nachricht klebte am Inhalt:

Und das war drin:

♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥

(Mein erstes Einzugsgeschenk für München!!einsELF!)

Frau Gröner trifft eine Entscheidung. Oder doch nicht. Oder doch. Ach, frag mich in zehn Minuten noch mal.

Als die Zusage aus Dresden eintraf, stand ich, wie beschrieben, schreiend in der Küche, weil ich davon ausging, dass das die einzige Zusage bliebe. Ich sah auf bahn.de, dass ich in vier Stunden und für nicht viel Geld nach Hause kommen könnte, suchte im Internet nach Wohnungen, war begeistert über die Preise und die Aussicht, demnächst jeden Tag den Zwinger und die Semperoper sehen zu können und vielleicht öfter als bisher auch mal reinzugehen.

Dann kam die Zusage aus München – und stürzte mich in eine tiefe Sinnkrise. Denn von allen Orten, an denen ich mich beworben hatte, war München natürlich der dämlichste: wahnwitzig weit weg von Hamburg und wahnwitzig teuer. Aber: München hat eine Fächerkombi, die die anderen Unis nicht haben. Wo ich in Hamburg, Dresden und Berlin Kunstgeschichte mit dem Nebenfach Geschichte studiert hätte, könnte ich in München das Nebenfach Kunst, Musik, Theater wählen (mit dem Hauptfach Kunstgeschichte also zum Beispiel Musikwissenschaft). Aber: wahnwitzig weit weg von Hamburg und wahnwitzig teuer. Aber: Musik und Theater. Aber: wahnwitzig … (ad infinitum)

Der Brief aus München kam am Freitag abend, weswegen ich in Bayreuth von Samstag bis Montag nur am Grübeln war – wenn ich nicht gerade in der Oper vor mich hinentspannte. Und gerade dieses Erlebnis ließ mich immer mehr in Richtung München kippen. Weil Musik eben glücklich macht. Weil die Beschäftigung mit ihr glücklich macht. Auch wenn sie an Orten stattfindet, die wahnwitzig weit weg und so weiter.

Ich hatte mich also quasi schon entschieden, als am Mittwoch eine E-Mail aufploppte. Die Universität Hamburg würde sich auch total freuen, mich als Studentin begrüßen zu dürfen. Und damit ging in meinem Kopf der Stress wieder los. Ja, Geschichte ist vielleicht nicht ganz so toll wie Musik und Theater, aber MEINE WOHNUNG MEIN KERL MEIN JOB. Alles da. Ich muss nicht umziehen, ich muss nicht mein ganzes Geld, das nicht mehr mein ganzes ist, sondern höchstens noch mein halbes von dem, was ich jetzt verdiene, für Flüge und doppelte Wohnungen rauswerfen, nein, ich bleibe einfach da, wo ich jetzt bin.

He, Moment.

„Ich bleibe einfach da, wo ich jetzt bin“ war genau der Satz, der mich irritierte. Denn genau das will ich ja nicht, zumindest was meine Bildung und persönliche Entwicklung angeht. Aber natürlich hat das Hierbleiben auch Vorteile, wovon der größte „keine Wochenendbeziehung“ ist. Und so drehte mein Kopf sich lustig weiter, zwei Engelchen prügelten sich ihre Harfen um die Ohren und brüllten abwechselnd „HAMBURCH!“ oder „MINGA!“, ich entschied mich für eine Stadt, nur um mich zehn Minuten später wieder für die andere zu entscheiden und wusste irgendwann wirklich nicht mehr wohin. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Und dann ging ich singen.

Die erste Frage meiner Gesangslehrerin ist immer „Wie geht’s?“, worauf sie wirklich eine Antwort haben will. Ich kippte in 30 hysterischen Sekunden meinen derzeitigen Geisteszustand auf sie runter, und sie legte mir ein neues Lied auf den Notenständer, denn mit neuen Dingen kann man mich prima ablenken. Jedenfalls klappt das sonst ganz gut. Dieses Mal nicht, ich war hibbelig, knautschte an den hohen Noten rum und war überhaupt so unentspannt wie lange nicht mehr. Auch die große Les-Mis-Dramaschnulze On My Own, bei der ich sonst leidenschaftlich rumleide, konnte mich nicht locker machen.

Und dann nahm meine Lehrerin die Hände vom Klavier, drehte sich um und fragte: „Auf was freust du dich eigentlich am meisten beim Studium?“ Ich sagte: „Ich freue mich darauf, in einem Hörsaal zu sitzen, in dem mir jemand 90 Minuten lang Dinge erzählt, die ich noch nie gehört habe. Ich freue mich aufs Lernen.“ Und sie sagte: „Dann singen wir jetzt Yentl.“

„The more I live – the more I learn.
The more I learn, the more I realize
The less I know.
Each step I take – (Papa, I’ve a voice now!)
Each page I turn – (Papa, I’ve a choice now!)
Each mile I travel only means
The more I have to go.

What’s wrong with wanting more?
If you can fly – then soar!
With all there is – why settle for just a piece of sky?

Papa, I can hear you …
Papa, I can see you …
Papa, I can feel you …
Papa, watch me fly!“

Ich liebe dieses Lied. Ich liebe seine Botschaft. Und genau das hat mir gestern völlig das Genick gebrochen. Die ersten Zeilen gingen wunderbar, aber beim Teil, wo es ums Lernen und Wissen und Mehr-Wollen geht, war alles vorbei. Wo ich sonst gerne mal ein bisschen zu schniefen anfange, wenn mich Lieder emotional erwischen, brachen hier alle Dämme und ich heulte wie früher in der Therapie. Aber danach war Ruhe. Im Kopf, im Herz, die Engel kloppten sich nicht mehr, und ich wusste: München. Weil ich lernen will. Alles andere funktioniert schon irgendwie. Geld kommt immer irgendwo her, meine Agentur will mich sowieso weiter beschäftigen, eine Wohnung habe ich auch schon in Aussicht, und die freundliche Lufthansa bringt mich in einer Stunde zum Mann meines Herzens.

München, watch me fly.

Bayreuth 2012, „Der Fliegende Holländer“

Neben dem Parsifal, der mich fast genauso umgehauen hat wie beim ersten Mal, stand in diesem Jahr noch Der Fliegende Holländer auf dem Bayreuth-Programm meiner werten Frau Mama und mir. Im Vorfeld hatte ich eher mäßige bis miese Kritiken gelesen; direkt nach der Radioübertragung der Premiere sprach eine Kritikerin von „Rumstehtheater“ (ein wundervolles Wort). Ich war also nicht sonderlich enthusiastisch, was die Inszenierung anging, freute mich aber trotzdem sehr auf die Aufführung, denn der Holländer ist schon ein feines Stückchen romantischer Musik. Ich mag ihn sehr.

Die Story steht auf der Wikipedia, wenn Sie sich da mal kurz rüberbemühen würden? Und Bilder der Aufführung finden Sie hier oder ein bisschen größer hier.

Der Holländer bietet weitaus weniger Spielraum für die Interpretation als andere Wagner-Opern, denen man wunderbar wilde Gesellschaftsentwürfe überstülpen kann. Aber ein bisschen geht eben doch, um das Werk für heute relevant zu machen: zum Beispiel die Liebesgeschichte zwischen Senta und dem Holländer. Wobei man selbst die noch aufdröseln kann: Senta wird gerne als hysterisches Weib dargestellt, die sich für irgendeinen hergelaufenen Fredel opfert. Auch der Holländer selbst gibt gerne mal den Verfluchten, der für sowas Irdisches wie Zuneigung gar keine Zeit hat. Weitere Motive: die Geldgier Dalands. Untergeordnet (habe ich jedenfalls noch nie als Hauptmotiv irgendwo auf einer Bühne gesehen) die vergebene Liebe von Erik zu Senta, die ihm quasi sagt, he, lass uns Freunde bleiben, was verständlicherweise nicht so supi bei ihm ankommt. Auch mit der Natur könnte man was machen oder den verfluchten Seelen der holländischen Mannschaft. Regisseur Jan Philipp Gloger hat sich die Liebesgeschichte rausgepickt, und damit hatten viele Kritiken ein Problem, weil es so belanglos sei. Ich habe mich den ganzen Abend gefragt, wo bitteschön denn die Liebe belanglos ist, aber das mag meine persönliche Einstellung sein.

Das erste Bild spielt eigentlich in einer Bucht, in der Dalands Mannschaft anlegt und in der schließlich das Schiff des Holländers auftaucht. In Bayreuth sehen wir dagegen das Innere eines Rechners – Lichtblitze symbolisieren Datenströme, Zahlen rattern fast unaufhörlich nach oben, keine Atempause, die Kohle wird gemacht. Daland und der Steuermann sitzen in einem kleinen Ruderbötchen, das ich ein bisschen inkonsequent fand, denn es war die einzige maritime Andeutung im ganzen Stück. Einen Konferenzraum oder eine Flughafenlounge hätte ich stimmiger gefunden. Denn Daland ist ein Seniorchef, der Steuermann sein Kronprinz, was er unter anderem dadurch zeigt, dass er Dalands Gesten versucht zu imitieren, ihm ständig unterwürfig zustimmt und überhaupt den Speichellecker vor dem Herrn gibt. Benjamin Bruns hat mir außerordentlich gut gefallen; sein heller Tenor war strahlend klar und sein komödiantisches Timing hervorragend. Ich habe selten so viel in einer Wagner-Oper gelacht.

Die Firma, in der Daland und der Steuermann arbeiten, produziert ein großartiges Produkt: Ventilatoren, die auch noch einen großartigen Namen haben: N1-H1L oder: nihil (nichts). Die sehen wir im zweiten Akt, dessen Bühnenbild leider nicht an die Brillanz des ersten Akts rankommt. Es ist das Innere der Produktionsstätte, und die Mädchen, die eigentlich an Spinnrädern sitzen, verpacken hier im Gleichtakt die Ventilatoren. Ein Pärchen wickelt das Kabel auf, ein anderes klebt ein Siegel auf, die dritte Gruppe packt das Gerät in einen Karton, die vierte klebt diesen zu – und eine letzte Gruppe fährt die Kartons von der Bühne, während fast im gleichen Augenblick eine andere Gruppe Nachschub anliefert. Das ganze wirkt irritierend perfekt, alle haben ihre ewig gleichen Arbeitsschritte verinnerlicht, genau wie Daland und der Steuermann ihre kapitalistische Rolle nicht mehr hinterfragen, sondern sie besinnungslos ausfüllen.

Ganz anders der Holländer und sein verfluchtes Team: Sie sind schon gekennzeichnet vom ewigen Streben nach Gold, vom ewigen Hamsterrad. Ihre Haut ist durch schwarze Geschwüre verunstaltet; es sieht fast so aus, als ob ihre roboterhafte Seite, die keine Gefühle kennt, sondern nur das Geld, durch ihre menschliche Hülle durchbricht. Wenn sie nicht bald erlöst werden, werden sie an ihrer sinnlosen, unmenschlichen Arbeit zugrunde gehen.

Die Schätze, mit denen der Holländer Daland davon überzeugt, ihm seine Tochter zur Frau zu geben, sind in einem typischen Businesskaspertrolley, den er ständig mit sich führt. Und wo Daland, der Steuermann und die norwegische Mannschaft den Geschäftsquatsch total dufte finden und sich überbieten mit Beckerfäusten, Victory-Zeichen und dem albernen Kollegenabklatschen (körperlos umarmen, jeweils zweimal auf die Schulter klopfen, schnell wieder trennen, bevor es schwul aussieht), wirkt der Holländer die ganze Zeit nur gequält und verzweifelt. Er bewegt sich langsam statt stakkatoartig schnell wie die anderen, er lächelt nie, er versucht, seinen Arm aufzuritzen, um zu bluten und vielleicht so etwas zu spüren, was ihm im Businessalltag abhanden gekommen ist – erfolglos. Auch die Statistinnen, die ihn umschwirren – eine Sekretärin, eine Wellness-Tante, eine Prostituierte – können ihn nicht begeistern. Bis er Senta erblickt.

Diese hat inzwischen den fleißigen Bienchen ihre Ballade vorgesungen – und dabei sogar Mary erreicht, die in fast jeder Inszenierung sehr stiefmütterlich wegkommt. Natürlich gibt ihre Rolle das vor; sie ist die Aufpasserin und spinnt als einzige weiter, während die Mädels sich kurz ablenken lassen. Eine muss es ja machen, und wir haben schließlich ein Produkt zu verschiffen. Hier darf sie etwas ausbrechen: Eben noch mit streng zurückgekämmten Haaren und perfekt als Geschäftsfrau kostümiert, löst sie im Laufe der Ballade ihre Haare, nimmt ihre Brille ab und wagt es sogar, einen Knopf ihrer Bluse zu öffnen, so sinnlich und begeisternd erzählt Senta vom verfluchten Holländer, der die Treue einer Frau benötigt, um endlich sterben zu können.

Die Fabrik, in der sich alles abspielt, besteht aus einer Reihe Pappkartons, und es wird sehr simpel klargemacht, dass Senta nicht in diese Welt passt. Anstatt ihre Kartons als Verpackungsmaterial für ein Produkt zu nutzen, das zu nichts anderem nutze ist, Luft, Nichts, zu verwirbeln, hat sie sich aus Kartons eine kleine Burg gebaut, sich Flügel aus Pappe gebastelt, eine Holländerfigur (statt des eigentlich vorgesehenen Bildes, das sie ansingt), eine Fackel. Sie ist außerdem der einzige Farbklecks im gedeckten Businessgraublau mit ihrem leuchtend roten Kleid und den rot bemalten Accessoires. Das kann man alles albern und kindisch finden – mich hat es berührt, weil es eben so schlicht war.

Noch mehr berührt hat mich die Story zwischen dem Holländer und Senta. Die beiden dürfen sich bei ihrem ersten Treffen gerne dramatisch gegenüberstehen, und selbst in den Augenblicken, in denen Senta ihm Treue schwört und ihm damit ihre Liebe gesteht, gibt’s selten mehr als Händchenhalten, weil sich beide ja des großen Moments bewusst sind. Sehr geehrter Herr Holländer, ich biete Ihnen an, Sie zu erlösen – das ist nett, vielen Dank, sehr gerne. Hier wird stattdessen gelacht und geknutscht und sich gefreut, und der Funke zwischen den beiden ist bis zu den Zuschauern gesprungen. (Jedenfalls bis zu mir.) Das kann auch an der wundervollen Adrianne Pieczonka gelegen haben, deren Sopran für mich sehr modern klang, ich habe leider kein besseres Wort. Ihre Ballade war keine Ballade, sondern eine Liebeserklärung, ihr Duett war nicht hysterisch-schwelgerisch, sondern schlicht verliebt und glücklich. Und deswegen verzeihe ich der Inszenierung auch das Rumstehen, denn das taten die Figuren wirklich sehr oft – wenn sie nicht knutschten oder Ventilatoren verpackten oder sich mit Beckerfäusten aufputschten, noch mehr Geld zu machen.

Der Holländer wurde von Samuel Youn gesungen, der nur wenige Tage vor der Premiere einspringen musste. Er wirkte leider des Öfteren noch unbeweglicher als die anderen, aber ich ahne, dass das schlicht mit fehlender Probezeit zu tun hat. Stimmlich mag ich ihn sehr gerne, auch wenn ich mir bei ihm etwas mehr Drama, Baby! wünschen würde, was seine darstellerischen Qualitäten angeht.

Im dritten Akt kamen dann endlich die beiden Mannschaften mit meinem Lieblingschor aller Lieblingschöre; es gibt für mich keinen schöneren Opernmoment als diesen, wenn sich gefühlt 60 Männer und 30 Frauen aus voller Kehle ansingen. Die Mannschaft des Holländer war kurz schon im ersten Akt zu sehen, wo sie ein herrliches Gegenbild zu den Victory-Deppen in ihren hellgrauen Anzügen boten – sie tragen dunkle Anzüge, haben alle den obligatorischen Starbucks-Becher in der Hand und sehen äußert genervt aus. Hier tauchen sie ganz plötzlich aus dem Bühnenhintergrund auf und singen die Norweger richtig schön in Grund und Boden.

Natürlich ist Kapitalismuskritik keine ganz neue Idee, ich erinnere mich an eine Aufführung der Deutschen Oper in Berlin, wo quasi die gleiche Grundidee genutzt wurde und alles in einem herrlichen Schlussbild in einem Trading Room voller Nutten und Koks endete. Hier war diese Idee für mich aber eher die Tapete, im Vordergrund stand die Liebe zwischen Holländer und Senta, die hier netterweise mal wenig von aufopfern, leiden, erlösen hat, sondern schlicht sagt: Die beiden gehören zusammen, fertig. Trotzdem hat das Geschäft des letzte, sehr clevere Wort. Nachdem Senta sich umbringt, um den Holländer zu erlösen, vereinen sich die beiden für immer in einer innigen Umarmung. Der Vorhang fällt, das Orchester spielt die letzten Takte, wir haben alle was gelernt – da öffnet sich der Vorhang noch einmal, und wo eben das Plakat für den Ventilator N1-H1L hing, hängt nur eins, das den Holländer und Senta in ihrer letzten Pose zeigt. Darunter steht 3T3R-N4L, eternal (ewig), und auf ewig werden die beiden jetzt als Spieluhr (?) ihr Dasein fristen, während Daland weiter Geld zählt und der Steuermann seine Mannschaft anfeuert, noch schneller zu arbeiten.

Dem Rest des Publikums gefiel es anscheinend genau wie mir (wobei der Regisseur nur bei der Premiere auf die Bühne kommt, in der wir nicht saßen, weswegen er auch nicht ausgebuht werden konnte). Musikalisch war es wunderschön; ich kann mich bei Thielemann nie entscheiden, ob ich alles glattgebügelt-mainstreamig finde oder eben wunderschön. Dieses Mal war ich mir sicher: wunderschön. Straff und äußerst zügig durchdirigiert – wir waren nach gerade einmal 2.15 Stunden fertig –, aber trotzdem noch genug Zeit für die großen Balladen vom Holländer und von Senta. Dirigent und Orchester bekamen dann auch den verdienten Jubelsturm. Schade, dass die Musiker_innen nicht auch auf die Bühne kamen wie beim Parsifal (machen sie eigentlich nur bei der letzten Aufführung der Spielzeit), denn durch den verdeckten Orchestergraben sieht man sie eben gar nicht und kann sie nur stellvertretend durch den Dirigenten beklatschen. Wo ich so gerne persönlich allen Streicher_innen zu verstehen gegeben hätte, dass ich das Meer noch nie so haben tosen hören.

Bundesligafragebogen 2012/13

(Fragebogen 2011/12, der noch voll naiv-niedlicher Unsachkenntnis steckt – okay, ist nicht viel besser geworden. Via Pleitegeiger.)

Ich folge zwei Vereinen, weiß vom kleineren aber deutlich weniger als vom großen. Daher beantworte ich einige Fragen für beide Vereine, andere nur für den Vizemeister. (Scheißwort.)

Dein Verein heißt:

Bayern München (Fan, Mitglied, diverse Schals, Gomez-Trikot). Und weil ich als Hamburgerin nicht dauernd nach München fliegen kann/will, gehe ich in der Heimatstadt noch zu Altona 93 – nur Fan, aber immerhin mit Schal. Ich kann mir bis heute nur zwei Spielernamen merken, aber ich arbeite daran. (Go, 5! Go, 18!)

Wie lautet das offizielle Saisonziel, sofern es bekannt ist?

Bayern: Meister, DFB-Pokal-Sieger, Champions-League-Gewinn.

Altona 93: einfach hübsch mitspielen.

Wie lautet DEIN Saisonziel für deinen Verein oder deine Vereine?

Bayern: Ich habe keine Lust mehr auf la bestia Biene Maja. Ich will die Meisterschale. Also, wenn uns endlich mal was einfällt, was wir gegen Dortmund machen können, so auf dem Platz so. (Nein, Supercup zählt nicht.)

Der DFB-Pokal ist mir ziemlich wurst, aber nice to have.

Und nach der elenden, ELENDEN Niederlage im Finale dahoam würde ich mich unfassbar freuen, wenn wir im Mai 2013 in London Chelsea vom Platz prügeln. (A girl can dream.)

Altona 93: Nach dem perfekten Mittelfeldplatz Nummer 9 in der letzten Saison wäre ich für ein paar Plätze weiter oben dankbar. Wobei das eigentlich egal ist, denn der Verein will sowieso nicht in die Regionalliga Nord aufsteigen. Das hat finanzielle Gründe, und ich bedauere das sehr. Hier, nehmt meine neun Euro Eintrittsgeld für jedes Heimspiel! Ich würde auch auf zehn aufrunden! Ach, komm, ZWÖLF!

(Ein Flug nach München kostet mehr als die Dauerkarte für Altona.)

Welchen Spieler hätte deine Mannschaft in der Pause lieber nicht abgegeben?

Ich trauere Olic hinterher, und ich hätte mir für Petersen gewünscht, dass er mehr Spielzeit bekommt.

Welchen Spieler hätte deine Mannschaft besser verkaufen sollen?

Ich kann mit Herrn Tymoschtschuk nicht so richtig viel anfangen, aber wenn ich mir unsere derzeitige Verletztenliste angucke, ist es vielleicht nicht so schlecht, noch jemanden zu haben, der außer im Tor überall spielen kann. Wenn auch nicht auf einem Niveau, das ich mir für einen Bayern-Spieler wünsche.

Wen hätte deine Mannschaft diese Saison lieber NICHT gekauft?

Als Gomez-Fangirl habe ich natürlich Angst vor Mandzukic – wehe, er klaut meinem Herzblatt den Stammplatz. Aber auch hier: Der Mann mit den schönsten Haaren der Mannschaft ist verletzt, dann muss eben der Mann mit dem hässlichsten Tattoo der Mannschaft ran.

Wer von den neuen Spielern wird deiner Mannschaft am besten helfen?

Ich freue mich auf Shaqiri, den kleinen Kampfkeks. Auch ihm traue ich zu, auf diversen Positionen zu spielen, wenn es sein muss. Und ich traue ihm zu, zu rennen, bis er umfällt.

Wie wirst du in dieser Saison deine Mannschaft unterstützen?

Bayern: In der letzten Saison hatte ich sehr viel Kartenglück für die Champions League. Bis auf das Finale habe ich jedes Spiel in der Allianz-Arena gesehen, und ich hätte nichts dagegen, wenn das dieses Jahr wieder so wäre.

Außerdem versuche ich, zu einigen Auswärtsspielen der Bundesliga zu kommen, und ich habe natürlich brav eine Kartenanfrage für einige BL-Spiele in der Arena gestellt. Bei Bayern kann man die Tickets ja nicht einfach kaufen, sondern muss nach ihnen fragen und hoffen, dass man welche kriegt. Schauen wir mal.

Weiterhin twittere ich während der Spiele, die ich auf dem Sofa verfolge, gehe ab und zu im Bayern-Shirt zur Arbeit, kaufe teures Merchandising und bade mit der singenden Ente.

Altona 93: Obwohl hier selbst die Reise zu Auswärtsspielen meist nicht länger als 20 Kilometer weit ist, beschränke ich mich auf die Sonntagnachmittage auf der Adolf-Jäger-Kampfbahn. Guter Name, gutes Bier, gute Wurst. Könnte ein bisschen voller sein, die Tribüne. Kommt vorbei!

Wie findest du das neue Trikot Deiner Mannschaft?

Bayern: Über das Auswärtstrikot breite ich den vollgekotzten Mantel des Schweigens. Das Heimtrikot ist, so weit ich das erkennen kann, das gleiche wie in der letzten Saison, und das gefällt mir sehr gut.

Altona: Auch hier nervt das Auswärtstrikot. Wir sind nicht babyblau!

Welcher Stürmer wird die Torjägerkanone holen?

Der Mann mit den schönsten Haaren der Mannschaft.

Welcher Trainer wird als erstes gefeuert?

Ich weiß nicht, wie lange der HSV Herrn Fink noch gibt; ich sehe keine wirkliche Besserung (wobei ein Nichtabstieg ja schon mal super ist *hust*). Außerdem habe ich irgendwie ein schlechtes Gefühl bei Herrn Tuchel, aber wahrscheinlich völlig unbegründet.

Welche Mannschaft wird das erste Tor der Saison schießen?

Die schwatzgelben Nervensägen.

Welche Mannschaften SOLLTEN absteigen?

DORTMUND! (Kidding.) Mir gingen nur Köln und Kaiserslautern so richtig auf den Zeiger, und die sind in der letzten Saison abgestiegen. Daher bin ich momentan wunschlos glücklich. Ich glaube, dass es Düsseldorf und Freiburg erwischen könnte.

Welche Mannschaft wird Meister?

Wir, verdammt.

Wenn du nicht im Stadion bist, wo wirst du die Spiele sehen?

Bayern: Auf meinem Sofa mit der Twitter-Timeline im Anschlag. Nebenan guckt der Kerl die Konferenz.

Altona 93: gar nicht, was nicht an mir liegt, sondern an diesen unverschämten TV-Macher_innen, die keine Oberliga Hamburg zeigen!!1elf!

Wie sehr vermisst du die Bundesliga auf einer Skala von 1 bis 10 – wobei bei 1 so ziemlich keine Träne nach der Bundesliga verdrückt wird und 10 quasi bedeutet, dass du ernste Entzugserscheinungen hast?

In der letzten Spielpause hatte ich große Entzugserscheinungen, dieses Mal gab’s ja immerhin die Europameisterschaft. Im Nachhinein habe ich aber gemerkt, dass eine schöne, lange Pause ganz nett gewesen wäre, um den 19. Mai zu verdauen. Wie sehr, habe ich erst bei der Niederlage der deutschen Mannschaft gegen Italien gemerkt, die mir interessanterweise ziemlich egal war, während ich im Mai in München gelitten habe wie ein Hund. Deswegen habe ich fast Angst vor dem Saisonbeginn, weil ich inzwischen weiß, wie weh Fußball tun kann. (Ich warte auf die ersten Twitter-Kommentare, dass ich das als Bayernfan eben nicht weiß.)

Die ganzen quatschigen Testspiele und Ligacups konnte ich alle nicht länger als zehn Minuten ertragen, vielleicht auch, weil ich eine ähnlich konfuse Mannschaft gesehen habe wie im letzten Drittel der vergangenen Saison. Ich wünsche mir die Souveränität, die der FC Bayern haben sollte, zurück – dann würde ich die Frage mit 9 beantworten. Momentan bin ich bei einer erschöpften 5.

Wird es eine spannende Saison für Deine Mannschaft?

Bayern: Hoffentlich nicht. Ich bin alt und will meine Ruhe. Tabellenführer vom ersten Spieltag an und dann das Ding souverän nach Hause holen. (Haha.)

Altona 93: Logisch. In dieser knuffigen Spielklasse kann alles passieren. Also noch mehr als in den anderen Spielklassen.

School’s Out

Für meine Immatrikulation muss ich die Kopie meines Abiturzeugnisses amtlich beglaubigen lassen. Für die Bewerbung um den Studienplatz für Kunstgeschichte brauchte ich nur das Datum der „Erlangung der Hochschulreife“ (Deutsch, my love), daher ignorierte ich meine ganzen Kursnoten der Oberstufe total und guckte eben nur nach dem Datum. Ich war schon stolz darauf, überhaupt zu wissen, wo mein Abiturzeugnis liegt, denn das schleppe ich seit 1989 von Wohnung zu Wohnung.

Für die Beglaubigung muss ich es aber komplett kopieren, und deswegen guckte ich doch mal, was ich so vor 23 Jahren gemacht habe. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass ich Kunst in der 13. Klasse komplett abgewählt hatte.

Dafür hatte ich 13 Punkte in Sport. Ich.

So viel zum Thema „Fürs Leben lernen“.

Kleine Opern-Erinnerung

Ich weiß, ich quengele euch des Öfteren die Ohren voll, ihr mögt euch doch bitte jetzt ganz dringend diese oder jene Oper angucken (auf Twitter noch mehr als hier im Blog), aber dieses eine Mal stellt euch vor, ich würde direkt vor euch stehen, Erpressertränchen in den Augen, flehendes Handwedeln, zittriges Stimmchen, das megafonverstärkt brüllt: „IHR MÜSST EUCH JETZT ECHT DIESE OPER ANGUCKEN!“

Denn DIESE OPER ist die tollste, die ich je gesehen habe. Beziehungsweise die Inszenierung. Ich spreche von Wagners Parsifal (halt, nicht gleich wegklicken, noch ein paar Zeilen, ERPRESSERTRÄNCHENMEGAFON!) in der Bayreuther Inszenierung von Stefan Herheim. Hier steht in aller Ausführlichkeit, wie ich das Werk im letzten Jahr erlebt habe. Und dabei ist diese Ausführlichkeit noch nicht mal ausreichend, denn von all dem Bühnenzauber, den Herheim auffährt, konnte ich mir gerade gefühlt die Hälfte merken. Die Aufführung hat mich nachhaltig beeindruckt, hört nicht auf, in meinem Kopf herumzuspuken, und wegen ihr bin ich nach Dresden gefahren, um Rusalka zu sehen und nach Berlin für Xerxes, die beide von Herheim inszeniert wurden. Beide sind ähnlich toll, aber nicht so unfassbar toll wie dieser Parsifal.

Ich bin überglücklich, dass ich das Ding noch mal live sehen darf, nämlich am Samstag, den 11. August. Also übermorgen. Mir graut es zwar schon wieder vor den verdammten Festspielstühlchen, aber was tut man nicht alles für die Kunst. Das Tolle: Ihr könnt die Oper ebenfalls am 11. August sehen. Entweder in wahrscheinlich höchst bequemen Kinosesseln oder, noch besser, auf dem eigenen Sofa, wo man in den sechs Stunden Aufführungsdauer diverse Flaschen Sekt leeren kann. Supertopcheckersender arte überträgt ab 17.15 Uhr einen Hauch zeitversetzt aus dem Festspielhaus (ich sitze bereits seit 16 Uhr da und rücke minütlich mein Kissen im Kreuz zurecht).

Wer Wagner nicht mag – soll es ja geben, unverständlicherweise –, kann von mir aus sogar den Ton ausmachen, denn die Bilder alleine reichen für einen guten Abend. Ich empfehle trotzdem, dem Ding mal eine Chance zu geben. Ja, Parsifal ist nicht unbedingt die nahbarste Oper von Wagner und auch nicht die kürzeste, aber meine Güte, jetzt reißt euch zusammen! Ich tu’s ja auch (FOLTERSTÜHLE!). Ernsthaft. Hört einmal auf mich und guckt euch das an. Eine größere Empfehlung habe ich derzeit nicht am Start. Und die vielen Versalien in diesem Text sollen ein dringender Hinweis sein, dass mir das Ding – und natürlich euer Kulturgenuss – wirklich am Herzen liegt.

Viel Spaß!

(MEIN RÜCKEN!)

„Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können …“

Und ich dachte noch, ein dünner Umschlag ist nie was Gutes. Aber dann war’s das doch.

Seit gut anderthalb Jahren gärt es in mir. Das fing in Rom mit Raffael und Michelangelo an, das ging mit Bayreuth weiter – das Wissen, dass das, was ich täglich tue, zwar gut und schön und ertragreich ist, aber es mich nicht mehr erfüllt. Erfüllt im Sinne von: mich herausfordert, mich zwingt, Neues zu wagen, mich in unbekannte Gefilde stürzt. Und gleichzeitig: mich beruhigt, mich erdet, mich glücklich macht. Ganz simple Anforderungen eben (haha).

Was die Arbeit angeht, gibt es bei mir ein Muster. Wann immer ich in einem Job alles erreicht hatte, was ging, wurde gekündigt. Der Sprung in die Selbstständigkeit veränderte meinen Job zwar nicht, aber das Gefühl, mit dem ich jeden Tag in eine Agentur ging. Das Gefühl, für mich zu arbeiten und nur für mich.

Was es allerdings nicht änderte, war die Tatsache, dass ich fachlich gesehen ziemlich auf der Stelle trat. Natürlich baut Audi dauernd neue Autos, die neue Kataloge brauchen, natürlich geht die technische Entwicklung stetig weiter, aber es bleiben eben Autos. Was ich jahrelang als beruhigend empfand – ich weiß, was ich tue –, war auf einmal beunruhigend: Ich weiß, verdammt noch mal, was ich tue. Jeden Tag, immer wieder. Und das fing im letzten Jahr an, mich sehr zu stören.

Ich will wieder etwas tun, von dem ich noch nicht weiß, wie es ausgeht. Ich will wieder lernen. Ich will mich wieder anstrengen. Und noch mal: Ich will wieder lernen.

Zunächst begann ich mit kleinen Veränderungen, die meinen Tag wieder spannender machen sollten: Ich nahm wieder Gesangsunterricht, ich trank viel Wein und merkte mir neue Geschmäcker und Düfte, ich pilgerte zu Fußballstadien, Museen und Opernhäusern, verliebte mich in eine neue Stadt und investierte viel in Bekanntschaften, aus denen tollerweise inzwischen Freundschaften geworden sind.

Das rettete mich durch viele Tage, aber es wurde mir immer klarer, dass nicht meine Freizeit eine Veränderung braucht, sondern meine Arbeitszeit.

Anfang des Jahres begann ich, mich in Jobbörsen umzusehen, die irgendwas mit der Oper zu tun haben, aber mir wurde relativ schnell klar, dass ich a) doch zu gerne Geld verdiene, als in diesem Bereich zu arbeiten und b) ich Oper lieber weiter als Zuschauerin wahrnehmen möchte anstatt hinter den Kulissen im Marketing oder in der PR. Mal abgesehen davon glaube ich, dass es im Theaterbetrieb noch mehr Irre gibt als in der Werbung, und die reichen mir schon.

Nachdem Musik als Glücklichmacher ausfiel, war ziemlich schnell klar, wohin die Reise gehen sollte: in die Kunst. Genauer gesagt, in die Kunstgeschichte.

Ich habe mich an vier Universitäten zum Studium der Kunstgeschichte beworben, ohne einen Hauch von Ahnung zu haben, was ich damit soll. Im Hinterkopf verbinde ich natürlich schon meine Fähigkeit zum hübschen Formulieren mit einem Abschluss in diesem wunderbaren Orchideenfach und sinniere über Dinge wie endlich mal lesbare Ausstellungskataloge, Audioguides, denen man gerne und fasziniert zuhört oder generell die Möglichkeit, Kunst nahbarer zu machen, indem man von diesem össeligen wissenschaftlichen Schreiben etwas runterkommt. Aber das ist, wie gesagt, alles im Hinterkopf. Im Vorderkopf steht schlicht der Wunsch, zu lernen.

Gestern war der oben erwähnte dünne Umschlag im Briefkasten. In ihm teilte mir das Immatrikulationsamt Dresden mit, dass ich gerne in ihrer schönen Stadt studieren dürfe, wenn ich das denn wolle. Ich warte noch auf drei andere Städte, die mir das bitte auch mitteilen sollen, auch wenn mir das schon sehr vermessen vorkommt. Ehrlich gesagt, habe ich mit keiner einzigen Zusage gerechnet, weswegen ich gestern schreiend in der Küche stand. Ich hatte schon ganz vergessen, wie sich das anfühlt, Post von Universitäten zu kriegen. Vor allem welche, auf die man wartet.

Wenn sich Hamburg fieserweise gegen mich entscheidet – die anderen beiden Städte waren eh nur auf Platz 3 und 4 der persönlichen Hitliste an Wunschstudienorten –, werde ich im Herbst zumindest tageweise nach Dresden ziehen. Denn den Kerl kriegen keine zehn Pferde aus der angeblich schönsten Stadt der Welt, und mal ehrlich, so eine klasse Wohnung finden wir auch nie wieder. Nebenbei würde ich auch gerne ein bisschen weiter über Autos schreiben, denn wie schon angemerkt: Geld verdienen ist schon toll.

Aber auch das ist erstmal in den Hinterkopf gerutscht. Vorne tanzt dafür ein hysterisches dickes Frauchen, das sich ständig selbst zubrüllt: FUCK YEAH ICH GEH WIEDER STUDIEREN! Abwechselnd mit: Ach du Scheiße, ich geh wieder studieren!

Vielleicht ist das nur eine Midlife-Crisis, die ich mit dem Erlangen eines Jodeldiploms bekämpfe. Vielleicht merke ich schon im ersten Semester, warum ich vor gefühlten hundert Jahren mein erstes Studium nicht abgeschlossen habe: weil mir Unis und Studierende auf den Zeiger gingen und ich Geldverdienen schon immer toll fand. Vielleicht finde ich eine Wochenendbeziehung zu anstrengend. Vielleicht geht mir Sächsisch (oder Berlinerisch oder Bayerisch) zu sehr auf die Nerven, um es mindestens drei Jahre fast täglich zu hören. Aber selbst wenn: Es ist eine Veränderung. Und genau die wollte ich haben.

FUCK YEAH ICH GEH WIEDER STUDIEREN!