„Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können …“

Und ich dachte noch, ein dünner Umschlag ist nie was Gutes. Aber dann war’s das doch.

Seit gut anderthalb Jahren gärt es in mir. Das fing in Rom mit Raffael und Michelangelo an, das ging mit Bayreuth weiter – das Wissen, dass das, was ich täglich tue, zwar gut und schön und ertragreich ist, aber es mich nicht mehr erfüllt. Erfüllt im Sinne von: mich herausfordert, mich zwingt, Neues zu wagen, mich in unbekannte Gefilde stürzt. Und gleichzeitig: mich beruhigt, mich erdet, mich glücklich macht. Ganz simple Anforderungen eben (haha).

Was die Arbeit angeht, gibt es bei mir ein Muster. Wann immer ich in einem Job alles erreicht hatte, was ging, wurde gekündigt. Der Sprung in die Selbstständigkeit veränderte meinen Job zwar nicht, aber das Gefühl, mit dem ich jeden Tag in eine Agentur ging. Das Gefühl, für mich zu arbeiten und nur für mich.

Was es allerdings nicht änderte, war die Tatsache, dass ich fachlich gesehen ziemlich auf der Stelle trat. Natürlich baut Audi dauernd neue Autos, die neue Kataloge brauchen, natürlich geht die technische Entwicklung stetig weiter, aber es bleiben eben Autos. Was ich jahrelang als beruhigend empfand – ich weiß, was ich tue –, war auf einmal beunruhigend: Ich weiß, verdammt noch mal, was ich tue. Jeden Tag, immer wieder. Und das fing im letzten Jahr an, mich sehr zu stören.

Ich will wieder etwas tun, von dem ich noch nicht weiß, wie es ausgeht. Ich will wieder lernen. Ich will mich wieder anstrengen. Und noch mal: Ich will wieder lernen.

Zunächst begann ich mit kleinen Veränderungen, die meinen Tag wieder spannender machen sollten: Ich nahm wieder Gesangsunterricht, ich trank viel Wein und merkte mir neue Geschmäcker und Düfte, ich pilgerte zu Fußballstadien, Museen und Opernhäusern, verliebte mich in eine neue Stadt und investierte viel in Bekanntschaften, aus denen tollerweise inzwischen Freundschaften geworden sind.

Das rettete mich durch viele Tage, aber es wurde mir immer klarer, dass nicht meine Freizeit eine Veränderung braucht, sondern meine Arbeitszeit.

Anfang des Jahres begann ich, mich in Jobbörsen umzusehen, die irgendwas mit der Oper zu tun haben, aber mir wurde relativ schnell klar, dass ich a) doch zu gerne Geld verdiene, als in diesem Bereich zu arbeiten und b) ich Oper lieber weiter als Zuschauerin wahrnehmen möchte anstatt hinter den Kulissen im Marketing oder in der PR. Mal abgesehen davon glaube ich, dass es im Theaterbetrieb noch mehr Irre gibt als in der Werbung, und die reichen mir schon.

Nachdem Musik als Glücklichmacher ausfiel, war ziemlich schnell klar, wohin die Reise gehen sollte: in die Kunst. Genauer gesagt, in die Kunstgeschichte.

Ich habe mich an vier Universitäten zum Studium der Kunstgeschichte beworben, ohne einen Hauch von Ahnung zu haben, was ich damit soll. Im Hinterkopf verbinde ich natürlich schon meine Fähigkeit zum hübschen Formulieren mit einem Abschluss in diesem wunderbaren Orchideenfach und sinniere über Dinge wie endlich mal lesbare Ausstellungskataloge, Audioguides, denen man gerne und fasziniert zuhört oder generell die Möglichkeit, Kunst nahbarer zu machen, indem man von diesem össeligen wissenschaftlichen Schreiben etwas runterkommt. Aber das ist, wie gesagt, alles im Hinterkopf. Im Vorderkopf steht schlicht der Wunsch, zu lernen.

Gestern war der oben erwähnte dünne Umschlag im Briefkasten. In ihm teilte mir das Immatrikulationsamt Dresden mit, dass ich gerne in ihrer schönen Stadt studieren dürfe, wenn ich das denn wolle. Ich warte noch auf drei andere Städte, die mir das bitte auch mitteilen sollen, auch wenn mir das schon sehr vermessen vorkommt. Ehrlich gesagt, habe ich mit keiner einzigen Zusage gerechnet, weswegen ich gestern schreiend in der Küche stand. Ich hatte schon ganz vergessen, wie sich das anfühlt, Post von Universitäten zu kriegen. Vor allem welche, auf die man wartet.

Wenn sich Hamburg fieserweise gegen mich entscheidet – die anderen beiden Städte waren eh nur auf Platz 3 und 4 der persönlichen Hitliste an Wunschstudienorten –, werde ich im Herbst zumindest tageweise nach Dresden ziehen. Denn den Kerl kriegen keine zehn Pferde aus der angeblich schönsten Stadt der Welt, und mal ehrlich, so eine klasse Wohnung finden wir auch nie wieder. Nebenbei würde ich auch gerne ein bisschen weiter über Autos schreiben, denn wie schon angemerkt: Geld verdienen ist schon toll.

Aber auch das ist erstmal in den Hinterkopf gerutscht. Vorne tanzt dafür ein hysterisches dickes Frauchen, das sich ständig selbst zubrüllt: FUCK YEAH ICH GEH WIEDER STUDIEREN! Abwechselnd mit: Ach du Scheiße, ich geh wieder studieren!

Vielleicht ist das nur eine Midlife-Crisis, die ich mit dem Erlangen eines Jodeldiploms bekämpfe. Vielleicht merke ich schon im ersten Semester, warum ich vor gefühlten hundert Jahren mein erstes Studium nicht abgeschlossen habe: weil mir Unis und Studierende auf den Zeiger gingen und ich Geldverdienen schon immer toll fand. Vielleicht finde ich eine Wochenendbeziehung zu anstrengend. Vielleicht geht mir Sächsisch (oder Berlinerisch oder Bayerisch) zu sehr auf die Nerven, um es mindestens drei Jahre fast täglich zu hören. Aber selbst wenn: Es ist eine Veränderung. Und genau die wollte ich haben.

FUCK YEAH ICH GEH WIEDER STUDIEREN!