Was schön war, Sonntag, 9. Oktober 2016

Ich habe ein Köfferchen gepackt für einen Miniurlaub in Madrid.

Was schön war, Samstag, 8. Oktober 2016

Level 1000 bei Candy Crush erreicht. Man muss Ziele haben im Leben!

Spontan Lust auf Lemon Curd gehabt, flugs einen angerührt und mich wie immer am sonnengelb leuchtenden Glas erfreut, bevor das gute Zeug aufs Weißbrot kam.

Die deutsche Fassung von La page blanche von Pénélope Bagieu durchgelesen. Das hat ungefähr 20 Minuten gedauert, während ich mit dem mühsamen Entziffern des Originals zwei Tage beschäftigt war, weil ich so viele Vokabeln nachgucken musste. Vielleicht hat sich deshalb das Buch für mich auch so gut angefühlt, weil ich es mir im wahrsten Sinne des Wortes erarbeitet habe anstatt es auf deutsch einfach wegzulesen. Es ist übersetzt natürlich genauso gut – und ich habe jetzt auch die Panels verstanden, die ich mir nicht zusammenklauben konnte –, aber ich bin doch froh, dass ich es zuerst auf Französisch gelesen/erraten habe.

Tagebuch, Freitag, 7. Oktober 2016 – FUCK

Und ich noch so am Dienstag zu F: Hach, ich freu mich so aufs neue Semester, so tolle Kurse! Der zweite Teil des Rosenheim-Seminars, für das ich mich nochmal mit Leo von Welden beschäftigen werde – und in Geschichte das Seminar über den Münchner Kunsthandel von der Weimarer Republik bis in die 1950er Jahre, für das wir in Archiven rumhängen und Provenienzforschung betreiben. Vielleicht kommt dabei sogar noch eine neue Idee für meine Masterarbeit rum, jetzt wo ich gerade so gerne in der NS-Zeit und in Archiven unterwegs bin.

Und dann gestern so eine Mail von der Dozentin: zu wenige Anmeldungen, sehr schade, kein Seminar über den Münchner Kunsthandel.

FUCK.

Am Anfang der vorlesungsfreien Zeit bastelte ich in fünf Minuten meinen Stundenplan, und ich erinnere mich noch an meinen Gedanken, yay, nur gutes Zeug, nichts Halbgares, weil das Ganzgare parallel zu irgendwas anderem Ganzgaren liegt, nein, nur Kurse, die ich wirklich haben will. Ich meldete mich zu meinem Lektürekurs und dem Aufbauseminar in Geschichte per Mail an und begann das lustige Hausarbeitenschreiben.

Dann begann vor zwei Wochen die Belegungsphase in Kunstgeschichte, bei der ich feststellen musste, dass das Rosenheim-Seminar nun parallel zu meiner liebsten Vorlesung – Architekturgeschichte 19./20. Jahrhundert – lag. FUCK. Knurrend die weiteren Vorlesungsmöglichkeiten durchgeguckt: Cézanne und seine Zeit: halbwegs interessant, weil 19. Jahrhundert, anstrengender Dozent, aber dafür extrem lehrreich – liegt parallel zum Kunsthandel-Seminar. Geschichte der documenta – liegt parallel zum Lektürekurs in Geschichte. Kunstgeschichte der Welt 1300–1800 – fängt erst um 18 Uhr an, da schläft mein Kopf schon. Bauen und Leben im Osmanischen Reich – islamische Architektur ist mir eigentlich wurst, aber der Kurs fängt um 10 Uhr an und es geht um Architektur. Kann nicht schaden. Belegt.

Das ist jetzt alles hinfällig, weil das Kunsthandel-Seminar ausfällt und ich mir dafür einen Ersatz suchen muss. Die Auswahl an Moderner Geschichte für uns arme Nebenfachstudis war ziemlich mäßig; gerade mal fünf Seminare waren übrig. Wissenschaft und Religion, das Thema, was mich am meisten interessiert hätte, liegt parallel zur Vorlesung über ikonische Architektur, an der ich gnadenlos festhalte; ich will in meinen Hauptfach nicht zwei Vorlesungen belegen, die beide nicht so wirklich interessant für mich sind, aber zeitlich hübsch liegen. Internationale Bewegungen und Internationalismus im Umfeld der Vereinten Nationen 1945 bis 1990 – liegt parallel zum Rosenheim-Seminar. Nation und Nationalismus im iberischen Raum, 19. und 20. Jahrhundert – noch nie mit Spanien etc. beschäftigt, nope. Geschichte im Zeitalter des Europäischen Konzerts – erstmal den Begriff „europäisches Konzert“ gegoogelt. Hm. Hmmmm. Liegt auch gut, Freitag, 15 Uhr, geht. Hmmm.

Letzter Kurs: Die Geschichte der Menschenrechte im 20. Jahrhundert – liegt wie die documenta-Vorlesung parallel zum Lektürekurs, der aber nur zweimal stattfindet, einmal am Semesteranfang, wo wir eine dicke Bücherliste bekommen, die wir selbständig durchackern und einmal am Semesterende, wo ein Gespräch über die Lektüre unsere Prüfungsleistung ist (dieses Konzept war mir neu). Erstmal fand ich Menschenrechte eher unspannend, weil mir das Thema riesengroß und fast beliebig vorkam. Ich guckte mir daraufhin die Lektürevorschläge an, die die Dozentin in der Kursbeschreibung hinterlassen hatte und stieß auf ein Buch von Stefan-Ludwig Hoffmann, Moralpolitik. Geschichte der Menschenrechte im 20. Jahrhundert, und eine Rezension dazu. Darin musste ich zwar sehr über die beknackte Formulierung „Dieser Menschenrechtsband […] bietet einen bunten Blumenstrauß von gut durchdachten […] Beiträgen“ lachen, aber sie machte mich dann doch neugierig. Der Termin 17 bis 20 Uhr ist allerdings unterirdisch, gerade im Wintersemester. Von 10 bis 12 sitze ich in osmanischer Architektur, von 14 bis 16 in ikonischer und dann von 17 bis 20 … ächz.

Aber: Die Vorlesung über Cézanne kann ich jetzt belegen, weil das Kunsthandel-Seminar ja yadayadayada. Dann könnte ich das Osmanische Reich kicken und wäre nur von 14 bis 20 Uhr in der Uni. Hm. Hmmmm.

Cézanne-VL belegt (gut, dass die Belegungsfrist noch bis morgen geht) und mich für die Menschenrechte angemeldet. Jetzt, beim Blogeintragschreiben, denke ich aber doch wieder über das europäische Konzert nach. Hm. Hmmmm.

FUCK.

Was schön war, Donnerstag, 6. Oktober 2016 – Bookhugging

Zur Unibibliothek gefahren und zwei Bücher abgeholt. Eins davon begann ich sofort zu lesen – ich hatte das Buch über den Kongo ja gerade beendet –, als ich mit Bus und Tram ein paar Besorgungen machen musste, bevor ich wieder aufs Sofa und unter die Decke durfte. Es nieselte ein wenig, und an jeder Haltestelle umarmte ich das Buch mit meinen weichen Jackenärmeln, damit es nicht nass wurde. Ich merkte mal wieder, wie gerne ich Bücher im Arm habe. Vermutlich eine meiner sinnlosesten Kernkompetenzen; bringt aber in meinen Augen irrwitzig viele Karmapunkte.

Tagebuch, Mittwoch, 5. Oktober 2016

Morgens in Moosburg für einen Termin gewesen, der unerwartet kurz war. Ich hatte noch Zeit, ein bisschen durch den Ort zu schlendern, sah die Mariensäule von 1890, die ich künstlerisch eher unspannend fand, aber ich mag grundsätzlich den Sternenkranz und das Sonnenlicht sah hübsch aus. Tourifoto gemacht.

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Danach ging ich zum Münster, vor dessen Tür – genauer gesagt, zehn Meter vor dessen Tür – noch eine zweite Kirche steht, was ich recht putzig fand. Das Innere des Münsters ist komplett modernisiert, die Holzdecke sieht aus, als wäre sie gerade frisch angedübelt worden, aber ich konnte mich am Kontrast zwischen Kalksteinkanzel und gotisch-barockem Altarraum erfreuen. Was weniger erfreulich war: Meine Turnschuhe quietschten auf dem Steinplattenfußboden lauter als ich sie je gehört habe. In der Kirche saß eine einzige Frau in den Bänken, die offensichtlich die Stille des Gotteshauses genießen wollte, und ich quietschte und quietschte und quietschte in einer Tour, als ich durch den Mittelgang auf den Altarraum zuging. Ich setzte mich kurz selbst in die Bänke, sprach ein kurzes Gebet, guckte dann wieder in der Gegend herum (was ich halt so mache in Kirchen) und beschloss, für den Rückweg zum Portal durchs Seitenschiff zu gehen, um die Dame etwas weniger zu stören. Ganz dumme Idee, denn dort war der Boden gefühlt noch glatter und quietschiger und ich machte noch mehr Lärm als beim Gang zum Altarraum. Entschuldigung!

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Auf der Zugfahrt nach und von Moosburg las ich endlich das Buch über die Geschichte des Kongo zuende und kann es euch sehr ans Herz legen. Das hätte ich eigentlich auch schon nach 30 Seiten gekonnt, das fängt nämlich gut an und geht dann so weiter. David van Reybrouck nutzt den simplen Kniff, uns Geschichte an Menschen näherzubringen anstatt an der großen politischen Erzählung. Die ist immer da, aber von Reybrouck pickt sich einige Akteure (und Akteurinnen!) heraus, an denen er Politik, Kultur, Ökonomie etc. im Kleinen aufzeigen kann, was das Verständnis für das Große sehr erleichtert. Manchmal überschneiden sich die Lebensläufe der Personen sogar, was für mich das Buch so gut gemacht hat. Der Autor bleibt außerdem nicht nur bei der Geschichte, sondern schweift kurz ab, zum Beispiel in den Erzabbau, die kongolesische Musik, den Bierkonsum (und damit die Geschichte von europäischen Brauereien in Afrika), er schreibt über sich verändernde Kleidung und Geschlechterordnungen, was mich zu einem weiteren Punkt bringt, der mir gefallen hat: Er spricht nicht nur über Männer, die Geschichte machen, sondern auch die Frauen. Ich kenne jetzt die erste ausgebildete Fallschirmspringerin des Kongo, Alphonsine Mosolo, Régine Mutijima, die als Direktorin einer Mädchenschule an der Nationalen Souveränen Konferenz beim Übergang der Zweiten zur Dritten Republik mitarbeitete – und leider auch viele Frauen, denen sexuelle Gewalt angetan wurde in den Kriegen, die im Kongo stattfanden. Alleine dass das Thema Vergewaltigung als Kriegsmethode nicht mal eben so im Nebensatz erwähnt wurde, sondern einen wichtigen Platz bekommt, weil es natürlich kulturelle Folgen hat, macht das Buch besonders. (Rezensionen beim Perlentaucher.)

Abends erfuhr ich vom Tod Brigitte Hamanns, was mich traurig machte. Von Hamann habe ich diverse Bücher gelesen; ihr Werk über Winifred Wagner führte zu meiner Kiefer-Wagner-Hausarbeit, und ihr Buch über Sisi hatte ich ständig im Kopf, als ich durch die Hofburg marschierte.

Was schön war, Dienstag, 4. Oktober 2016 – Nachahmer*innen

Ich habe mich darüber gefreut, dass auch andere Blogger*innen inzwischen bewusst über Dinge schreiben, die schön waren. Mequito hat hier damit angefangen und macht das inzwischen wöchentlich, ähnlich wie franziskript, die sich hier aber auch Gedanken darüber macht, wenn mal was nicht schön war. Herr Buddenbohm macht das nur ab und zu, und diese Dame hat es in „Das Gute im Leben“ umgetauft, was auch schön ist.

Was schön war, Montag, 3. Oktober 2016 – Casey gucken

Der ehemalige Mitbewohner spielte mir neulich leichtsinnigerweise ein, zwei Videos von Casey Neistat vor. Das war interessant, das Konzept, jeden Tag einen ungefähr acht- bis zehnminütigen Film über sich (Vlog) auf YouTube zu posten, fand ich auch spannend, aber das war’s dann auch. Erst nach Abgabe aller Hausarbeiten dachte ich, guckste dir doch mal sein erstes Vlog an (Film vom 25. März 2015, veröffentlicht am 26.3.). Ach, wenn ich schon da bin, auch noch sein zweites. Um es kurz zu machen: Ich habe in den letzten Tagen ein Jahr lang Casey nachgeholt, bin jetzt im März 2016 und möchte euch jetzt ebenfalls anfixen. Falls das überhaupt noch möglich ist, denn bei fünf Millionen Abonnenten bin ich vermutlich eine der letzten, die auf den Mann aufmerksam geworden ist. (Gemacht wurde.)

Das gehört auch durchaus in die „Was schön war“-Kategorie, denn gestern sah ich das erste Video, in dem seine bisher eher mäßig verlaufenden Versuche, mit Drohnen zu filmen, endlich erfolgreich verliefen. Also so, dass die Drohnenbilder eine sinnvolle Erweiterung seiner bisherigen Kameras sind. Auch das fand ich spannend: zu sehen, wie er arbeitet. Ich muss ein bisschen ausholen:

Ich gucke so gut wie nie YouTube, außer wenn ich mir visuelle Anleitungen für irgendwas holen will, was mir nach schriftlicher Erklärung nicht so klar ist (meistens sind das Koch- oder Handwerkszeugdinge, Hähnchen dressieren, mit Fondant arbeiten, Perlatoren auswechseln). Ich habe aber außer ein paar Museen nichts und niemand abonniert, weil ich schlicht lieber lese als Videos zu schauen. Das bewegte Bild gehört für mich komischerweise immer noch in die, ich nenne sie jetzt mal so, alten Medien wie Fernsehen und Kino. Musikclips sind eine Zwischenstufe, aber da ich kaum noch neue Musik höre oder sie finden will, ist das Thema für mich auch eher durch. Wenn ich Bewegtbilder sehen möchte, erwarte ich eine gewisse Qualität. Das Verwackelte von Vine oder Snapchat ist mir nach wenigen Versuchen schon sehr auf den Keks gegangen und ich habe darin auch keinen Mehrwert gefunden außer kurze Lacher bei Katzenvideos. Deswegen war es sehr ungewohnt und unerwartet für mich, dass mich ein YouTube-Kanal so faszinieren konnte.

Wenn ich nur seine ersten ein, zwei, fünf oder zehn Vlogs gesehen hätte, hätte ich vermutlich auch nicht weitergemacht, denn die suchen noch erkennbar eine Bildsprache oder ein inhaltliches Konzept. Wie bei allem: Man muss erstmal rumprobieren, bis man einen Rhythmus oder einen Modus gefunden hat, der funktioniert. Ich kannte nun aber durch den ehemaligen Mitbewohner schon ein paar filmische Ergebnisse Neistats, die mir gefallen haben – und ich wusste, dass er mit Kameras umgehen kann –, und deswegen guckte ich weiter. (Einschub: Making-of Snowboarding with the NYPD und dann den Film dazu; macht in der Guckreihenfolge durchaus Spaß und verdeutlicht, wie viel Material für die kurzen Vlogs nötig ist.)

Mir ist durch Neistat wieder klargeworden, wie faszinierend das biografische Aufzeichnen ist (auch ein Grund, warum ich es mache), mir ist aber auch klargeworden, wie selektiv wir teilen. Ich erwischte mich selbst dabei, Dinge anzunehmen, weil ich geglaubt habe, ihn und seine Familie zu kennen, was natürlich Quatsch ist. In diesem Video verabschiedet er sich von seiner Frau, die ihn in Kapstadt zum Flughafen brachte, von wo er wieder nach New York flog, dem gemeinsamen Zuhause. Ich sah dort das erste Mal, wie er Candice umarmte. Darüber hatte ich mich 300 Filme lang gewundert, dass man so selten Zärtlichkeiten zwischen den beiden sah, während er recht oft zeigt, wie er mit der gemeinsamen Tochter schmust. Und damit sind wir beim Punkt, den ich oben anriss: seine Art zu arbeiten. Neistat sagte in einem Vlog, dass er sich natürlich mit Kuss und allem von seiner Frau verabschiedet, aber sich dazu entschlossen hat, das nicht zu zeigen. Was er zeigt, ist die eher kurze, mündliche Verabschiedung, vielleicht noch ein Winken und das war’s; er nannte es „a punctuation mark for the vlog“ (ca. 5:05 min), einen Abschluss für eine Szene. Das Vlog ist nicht sein Leben, es ist (Zitat, gleiches Video wie eben) „an afterthought“, es ist ein Ausschnitt, so wie jedes Vlog, jedes Blog nur ein Ausschnitt des gezeigten Lebens sein kann. Ich fand es spannend, an mir selbst festzustellen, was ich gerne nervigen Mailschreiber*innen vorwerfe: die Annahme, mich zu kennen, weil man mein Blog liest. Ich bin in genau die gleiche Falle getappt.

Meine halbgare Entschuldigung ist natürlich die, dass Bilder noch mehr einen Eindruck verfestigen als Worte. (Die Kunsthistorikerin in mir versucht sich gerade an Grundlagentexte zu erinnern, die diesen Satz belegen könnten, aber es sind Semesterferien, mein Kopf guckt Videos.) Vielleicht liegt es auch an der Qualität der Bilder, die bei mir diesen Eindruck hinterlassen haben. Neistat hat von Anfang an sehr hochwertig produziert – vielleicht, nein, bestimmt machen andere YouTuber*innen das auch, ich habe schlicht keinen Vergleich, daher bleibe ich für diesen Beitrag bei Neistat. Er hat nicht einfach sein iPhone umgedreht und sich mit ausgestrecktem Arm gefilmt, sondern eine anständige Spiegelreflex auf einen Gorillapod geschraubt, den er so geschickt vor sich herträgt, auch auf Fahrrädern und Skateboards, dass man völlig vergisst, dass die Kamera da ist. (Edit: Nerdwriter1 hat sich mit der Art des filmischen Erzählens von Neistat auseinandergesetzt, via @ronsens.) Im Laufe der Zeit kamen diverse GoPros dazu und seit einigen Wochen (März 2016, wie gesagt) fliegen auch Drohnen durch sein Vlog. Die ersten Aufnahmen sind die zu erwartenden Testflüge, die meistens mit einem Crash enden, aber in seinem letzten Südafrikaaufenthalt kamen die ersten Bilder zustande, die eine deutlich andere Qualität hatten als seine bisherigen Bilder, die meist seinen Alltag in New York zwischen Zuhause, seiner Firma und seinem privaten Studio zeigen.

Einschub: Alleine über das Studio könnte ich seitenweise lobhudelnde Blogeinträge schreiben; es gibt so viele Details und Eckchen, die spannend sind und über die Neistat teilweise selbst kleine Filme gedreht hat. Außerdem hat das Studio eine ganz besondere intime Atmosphäre, was mir aber auch erst nach hunderten von Filmen klargeworden ist. Man kommt ihm und seiner Art zu denken, zu arbeiten, filmisch zu konzipieren recht nah. Hier ein Film über seine roten Aufbewahrungsboxen, in dem gleich zu Beginn ein winziger Kniff deutlich macht, wie sich Neistat von anderen Filmer*innen unterscheidet, die einfach nur in die Kamera quatschen oder mal eine Schrifttafel hochhalten oder einblenden. Achtet mal drauf, wie hier der Titel ins Bild kommt. Simple Idee, verbindet aber raffiniert mehrere Bildebenen miteinander. Mochte ich.

Zurück zu den Drohnen: Die Drohnenbilder machen Neistats Welt um so vieles größer. Ich mag genau diese Intimität und Vertrautheit, die aus den stets ähnlichen Bildern und Timelapses aus New York entsteht; sein Appartement, der Weg zur Arbeit, Bilder von Straßenzügen, dem Central Park, den Brücken nach Manhattan, das alles schafft eine gewisse Verortung, aber eben auch eine gewisse Enge. Bilder aus der Luft erweitern den bisher recht kleinen Eindruck, der durch die Kamerahaltung Neistats gezwungenermaßen entsteht. Meist muss er die Kamera bei sich, fast am Körper führen; oft steht sie auf einem Stativ vor ihm, wenn er direkt zur Zuschauerin spricht, gerne stellt er sie irgendwo ab und läuft an ihr vorbei, um eben doch mal den Bildausschnitt etwas größer zu kriegen. Ein Drohnenbild erweitert diesen Ausschnitt nun um ein Vielfaches und es hat mich selbst erstaunt, wie effektvoll das war. Ich weiß nicht, ob der Effekt auch funktioniert, wenn man gerade nicht 300 Filme gesehen hat, bei denen die Kamera nie weiter als 20 Meter von Neistat weg war, aber ich glaube, auch die reine Filmqualität mit der Kombi aus Bild und Ton ist hier besonders gelungen und sehenswert. Auch das ist für mich großer Punkt an Neistats Vlog: der Schnitt und die unterlegte Musik. Er nutzt sehr oft die gleichen Stücke, und in diesem, für mich so meilensteinhaften Film, kommt ein Stück zum Einsatz, das ich sehr gerne mag.

Vielleicht sollte ich den Film endlich mal verlinken: hier ist er. Er beginnt wie viele seiner Vlogs mit einem kleinen Clip, in dem er auf einen Umstand oder eine Anomalie aufmerksam macht, die ihm passiert oder die er mitbekommt; hier ist es die eher unspektakuläre Tatsache, dass er kein einziges Shirt für Südafrika eingepackt hat, aber auch das mag Neistat so sympathisch machen: dass er sich nicht dauernd als den Topchecker inszeniert, sondern auch Missgeschicke postet. Es geht weiter mit seinem üblichen Establishing Shot und der Titelsequenz, die fast immer ein Timelapse ist, über den das Datum und der Ort, an dem sich Neistat gerade befindet, eingeblendet werden.

Danach baut er seine neue Drohne zusammen. Klingt langweilig, ist aber durch den schnellen, nicht hektischen Schnitt sehenswert. Die Musik wird dafür unterbrochen und direkt danach wieder aufgenommen. Diese Art des Stoppens, der Unterbrechung des Sehflusses (gibt’s das? Ich dachte gerade an Lese- und Erzählfluss) nutzt Neistat gerne und wie ich meine, sehr effektiv. Hier ist sein Video zum einjährigen Bestehen des Vlogs, wo er diverse Titeleinblendungen clever unterbricht. Auch über dieses Video könnte ich lobhudeln, weil er nicht nur spricht, sondern zeigt, worum es ihm geht (alte Wohnorte in New York), aber ich lasse das jetzt mal. (Masterarbeitsthema? Hmmmmmmmm.)

Danach erzählt er ein bisschen, warum er und seine Frau gerade in Südafrika sind. Auch hier wieder ein kleiner Effekt: Sobald er vom täglichen Geschehen weggeht und einen kurzen Rückblick macht, wird das Bild schwarzweiß statt farbig und er blendet Emojis ein; die hätte ich nicht gebraucht, aber die scheinen gerade eine kleine Vorliebe von ihm zu sein. Dann geht’s nach draußen, wo die Drohne einen Testflug absolvieren soll. Ich gehe davon aus, dass Neistat sich bewusst diesen Ort ausgesucht hat: Anstatt auf dem Rasen des Hauses vor dem kleinen Swimmingpool zu drehen, sehen wir eine schnurgerade Straße (schöner einfarbiger Untergrund, auf dem die Drohne gut zu sehen ist), während im Hintergrund eindrucksvoll der Lion’s Head aufragt. Sobald die Drohne sich in die Luft erhebt, sehen wir Neistat sehr freudig in die Kamera lächeln – auch so ein Signature Move, der mir den Mann ganz fürchterlich sympathisch werden hat lassen. Ich nehme ihm ab, dass er sich freut und mich freut es, dass er uns daran teilhaben lässt.

Beim ersten Flug werden die Drohnenbilder teilweise mit dem Ton überdeckt, den die statische Kamera aufgezeichnet hat. Ich lasse es jetzt mal, auf alles hinzuweisen, was ich gut gemacht finde, aber auch diese Kleinigkeit wollte ich erwähnen, weil es eben den engen Eindruck des Sich-Selbst-Filmens auflöst. Die Freude, die Neistat empfindet, als die Drohne wieder bei ihm ist, kann man vermutlich nur nachvollziehen, wenn man seine ganzen Crashs gesehen hat; das könnt ihr ja nachholen. Bei 4:55 dann wieder so ein kleiner Kniff: Neistat unterbricht die Aufnahme von sich selbst mitten im Satz, weil klar ist, worum es geht; er muss nicht alles ausformulieren, die Zuschauerinnen haben schon kapiert, worauf er hinauswill, der Film wird nicht länger als er werden muss. Meine Lieblingssequenz beginnt um die Minute 6 herum, wo dann auch endlich mein Lieblingssong zu hören ist und man mal wieder Neistats Schnitttechnik bewundern kann. (Die Fußabdrücke im Sand bei 7:18! Was für eine Bildqualität!) In diesem Video sind die Drohnenaufnahmen noch nicht vollständig sinnvoll in die Handlung eingeliedert, sie sind noch Prop, aber einen Tag später auf dem Berg anstatt am Strand funktioniert das schon tadellos.

Ich breche das Fangirling hier mal ab, aber ich hoffe, ich konnte erklären, wieso ich auf einmal stundenlang vor YouTube hänge. In diesem Zusammenhang: Das Holstee-Manifest kann vermutlich schon jede*r mitsprechen, aber es gibt eine Zeile, die mich immer an dem Ding gestört hat (wie überhaupt Manifeste eh nie für alle funktionieren): „If you don’t have enough time, stop watching TV.“ Wenn du Filme oder Fernsehen machen willst, musst du erstmal wissen, wie Filme oder Fernsehen funktionieren, also musst du gucken, je mehr, desto besser. Ich habe zwar auch verinnerlicht, dass Lesen eine produktivere Tätigkeit sein soll als fernzusehen bzw. Videos anzuschauen, aber ich frage mich neuerdings, ob das wirklich so ist. Mich haben 300 Folgen Neistat dazu inspiriert, mal die Videofunktion an meinem iPhone auszuprobieren, über bewegte Bilder anstatt über statische Kunstwerke nachzudenken, mein eigenes Bloggen zu reflektieren, mich darüber zu freuen, wie viele verschiedene Möglichkeiten wir heute haben, uns auszudrücken und Dinge zu teilen – und es ist ein langer Blogeintrag dabei rumgekommen. Finde ich okay.

Was schön war, Sonntag, 2. Oktober 2016 – Wiesnausklang

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Ich habe mich gefreut, @nedfuller wiederzusehen – das letzte Treffen ist über vier Jahre her – und seine bessere Hälfte @quarkbaellchen kennenzulernen. Außerdem gehörte der ehemalige Mitbewohner zur gut gelaunten, zehnköpfigen Tischrunde, was mich ja immer freut, und natürlich F., der mir ritterlich ältere Herren vom Leib hielt und mir auf dem Heimweg noch gebrannte Mandeln kaufte. Die esse ich gerade zum Frühstück. (Leberkassemmel und Kopfschmerztablette sind schon im Magen.)

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Das Tüpfelchen auf dem I war unser Sitzplatz im Festzelt Tradition, dessen Bereiche nicht mit Nummern gekennzeichnet sind, sondern mit Namen. Wir saßen endlich mal bei Wilhelmine Reichard, der ersten Ballonfahrerin Deutschlands.

Tagebuch, Freitag/Samstag, 30. September/1. Oktober 2016

Was ich am Freitag nicht gemacht habe: mir ein neues Semesterticket zu kaufen, das ab dem 1. Oktober für sechs Monate gilt, weswegen ich am Samstag morgen von F. lieber zu Fuß nach Hause gegangen bin anstatt schwarz zu fahren.

Was ich stattdessen gemacht habe: den ganzen Tag an einem Kuchen rumgepuschelt. Das Rezept für den Mürbeiteigboden, auf den dann Lemon Curd und eine Baiserhaube kommen, klang recht simpel, aber ich habe natürlich vergessen, die ganzen Abkühlzeiten mitzukalkulieren. Daher war ich von morgens (mehr Zitronen kaufen) über mittags (Teig ruhen lassen, ausrollen, blindbacken, backen) und nachmittags (Lemon Curd anrühren, auskühlen lassen, auf den inzwischen ausgekühlten Teig kippen) bis abends (Baisermasse machen, Kuchen zusammenbauen, im Ofen bräunen lassen) beschäftigt. Im gerade noch so vorhandenen Tageslicht machte ich dann wenigstens ein in meinen Augen atmosphärisch hübsches Bild …

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… und stellte fest, dass der Kuchen gerne auseinanderfließt, wenn man es wagt, seine hübsche Haube anzuschneiden. Schmeckt aber gut, daher werde ich mich auf eine neue Rezeptsuche begeben.

Samstag räumte ich das Küchenschlachtfeld vom Freitag auf und fuhr gegen 14 Uhr ins Stadion, wo ich den FCB mal so richtig scheiße spielen sah, weswegen sie gegen Köln auch nur ein Unentschieden erreichten.

Ich schrieb vor ein paar Tagen, dass ein Stadion der einzige Ort wäre, für den ich mir Nachwuchs anschaffen würde. Das möchte ich hiermit zurückziehen. Gestern saßen ein Vater mit seinem kleinen Sohn hinter mir (keine Ahnung, wie alt der Junge war, er konnte die Zahlen an der Anzeigetafel lesen, hatte aber anscheinend noch nie ein Fußballspiel gesehen), und ich hörte 90 Minuten lang Fragen, Fragen, ein paar Feststellungen und dann noch weitere Fragen: „Wie lange dauert das Spiel? Wieso pfeifen die Leute? Wieso klatschen die jetzt? Was macht der Mann da? (Foul) Was kostet eine Karte? Da sitzen Tauben auf dem Dach! Da ist eine Kamera! DA IST NOCH EINE KAMERA! DA HÄNGT EIN BEAMER! Wieso kommt keine Zeitlupe auf dem Beamer? (Anzeigentafel) Wieso steht es 10:1, es steht doch gar nicht 10:1? (Eckenverhältnis auf der Anzeigetafel) Gewinnen die Deutschen? (Bayern) Kann ich deine Fahne mal mit in die Schule nehmen? Die Seite ist viel lauter als die andere! Was singen die da? Ich glaube, die singen „Bayern“. Was ist jetzt los? (Freistoß) Wieso geht der jetzt? (Spielerwechsel) Was ist jetzt los? (Halbzeit) Ich dachte, das geht bis 16.15? Wieso geht das bis 17.15? Was ist jetzt los? (Zwei Bälle im Spiel) uswusf“

Birnen, Bohnen und Bacon

Das Ding heißt im Original natürlich Birnen, Bohnen und Speck und ist ein dicker Eintopf, bei dem ein Speckstück mitkocht. Ich habe stattdessen das schöne Rezept aus Deutschland vegetarisch zubereitet und zwei Streifchen Bacon dazu angebraten.

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Für vier Personen.

2 Zwiebeln achteln und in einem Topf mit
4 EL Sonnenblumenöl goldbraun braten. Mit
1 l Gemüsebrühe auffüllen und noch
4 Zweige Bohnenkraut sowie
1 Lorbeerblatt dazugeben. Zweige nicht abpflücken, einfach komplett rein damit. Alles einmal aufkochen, dann
650 g festkochende Kartoffeln (das waren bei mir mittelgroße 10 Stück), in Viertel geschnitten, dazugeben und zehn Minuten abgedeckt kochen.

Währenddessen
250 g grüne Bohnen putzen, dazugeben und weitere zehn Minuten abgedeckt kochen.

Währenddessen (das ist ein sehr praktisches Rezept, man hat dauernd Zeit für Zeug)
4 kleine Birnen zu 100 g halbieren, das Kerngehäuse herausschneiden und die letzten fünf Minuten mitkochen.

1 kleine Dose weiße Bohnen (ca. 400 g) abtropfen lassen, abspülen und ganz zum Schluss rein in den Topf. Ebenfalls rein:
1 Bund Petersilie, gehackt. Alles einmal aufkochen lassen. Abschließend Bohnenkraut und Lorbeerblatt entfernen und mit Salz, schwarzem Pfeffer, 1 Prise Zucker und 1–2 TL Weißweinessig würzen.

Während alles kocht, kann man nebenbei ein paar Streifen Bacon fettfrei anbraten, auf Küchenpapier abtropfen lassen und zum Servieren dekorativ über den Eintopf legen. Oder letzteres lassen, dann ist das ganze sogar vegan.