Bücher Dezember 2010
Vincent Klink – Sitting Küchenbull
Schön, sehr schön, aber mit einem gewaltigen Fehler: viel zu kurz. Die Erinnerungen von Koch Vincent Klink beginnen in der Kindheit beim Schweineschlachten, dann müssen die unvermeidlichen Bundeswehranekdoten rein, und ganz kurz vor Schluss kommt noch ein bisschen Karriere. Und genau davon hätte ich gerne mehr gehabt und zwar viel mehr, denn Klink plaudert sehr lesbar und entspannt vor sich hin. Und für mich mehrmals überraschend: In den 50er und 60er Jahren, als er auf dem Land aufwuchs, war es ein Zeichen von Kultiviertheit, den ganzen Dosenkram zu essen anstatt das langweilige Zeug, was vor einem auf dem Feld wächst. Und selbst er als kulinarischer Mensch hielt Fertigkram erstmal für eine gute Sache. Das hat sich inzwischen wieder geändert, aber das fand ich erstmal überraschend. Das Buch liest sich viel zu schnell weg und fängt so an:
„Neunzehnhundertneunundvierzig, in der Tat ein Spitzenjahrgang, und meine Geburt war auch ein Donnerschlag. Kaum war Mama auf den Beinen, wurden alle Freunde eingeladen, und eine Bowle sollte den neuen Erdenbürger angemessen feiern. Wein wurde mit Sprudel vermischt und Zitronenscheiben dazugeworfen. Die erste Weinbuddel war okay, die anderen beiden Flaschen sahen genauso aus, aber sie enthielten Birnenschnaps. Wie mir berichtet wurde, geriet die Feier sehr temperamentvoll. Die Insassen des Narrenschiffs waren alle dermaßen blau, dass man das Baby vergaß. Ich lag mit vollen Windeln einsam in meinem Kinderzimmer und erbrütete mir den ersten Psychoschaden.“
(eBook) Stephenie Meyer – Breaking Dawn
Uh. Ãœber die ersten beiden Twilight-Bände konnte ich mich schön lustig machen, den dritten fand ich gar nicht mal so doof (innerhalb des Twilight-Universums, nicht im Vergleich mit Jonathan Franzen), aber der vierte ging gar nicht. Die erste Hälfte des Buchs fand ich fast körperlich unangenehm, und ich musste mich mehrmals überwinden, den Quatsch weiterzulesen. Wo die ersten Bände simpler, pubertärer Herzschmerz sind, geht der vierte um Leib und Leben, und es ist immer Bellas Leib und Leben. SPOILER (weil es nicht ohne geht): Die Arme wird in der Hochzeitsnacht schwanger (lasst euch das eine Warnung sein, liebe kreuzbrave Mädchen – schnarch), und es ist relativ schnell klar, dass ihr der Vampirmenschmischling alles andere als gut tut. Die nervige Märtyrerhaltung Bellas läuft hier zu ekligster Höchstform auf, und als dann noch klar wird, welches Geschlecht der Nachwuchs hat, ahnt man schon, was das mit Jacob zu tun hat, und dann kommen noch 300 Seiten mit blöder Kampfvorbereitung ohne Höhepunkt und dann ist endlich Schluss. Die einzigen Stellen, die ich mochte, waren die, in denen Bella durch ihr neues Dasein als Vampirin endlich Nervensäge Edward ebenbürtig ist bzw. ihm teilweise sogar überlegen. Endlich macht sie mal, was sie will, ohne dass der Beißer ihr das ausreden kann, weil er’s ja immer nur gut meint. Fürchterlich.
Crystal Renn – Hungry
Crystal Renn ist eins der erfolgreichsten Plus-Size-Models, wobei plus size in ihrem Fall Größe 42 heißt – die Durchschnittsgröße der amerikanischen und ich glaube auch der deutschen Frau. Ihr Buch ist eine größtenteils sehr lesbare Mischung aus Autobiografie und einem Abriss über Diätwahnsinn, Körperfeindlichkeit und ihrem Weg, sich selbst zu akzeptieren – nachdem sie sich zunächst auf circa 45 Kilo bei 1,75 runtergehungert hatte, um als Model erfolgreich zu sein. Ein bisschen hatte ich schon von ihr zitiert, und hier kommt die
(Leseprobe bei amazon.de)
Miguel de Cervantes (Susanne Lange, Übers.) – Don Quijote von der Mancha
Letzten Monat hatte ich den Herrn Cervantes auch schon in der Mangel, allerdings in der Übersetzung von Ludwig Braunfels, und die hat schon über 100 Jahre auf dem Buckel. So liest sich das dann auch. 2008 hat Susanne Lange das Mammutwerk nochmal übersetzt, und das hat mich wirklich begeistert. Ich kann kein Wort Spanisch und deswegen überhaupt nicht sagen, wie gut oder schlecht sie das Original übertragen hat. Ich kann allerdings sagen, dass die Sprache immer noch „alt“ klingt, sich aber nicht mehr so liest. Gerade Don Quijote klingt immer ein bisschen verschrobener und stilblütiger als zum Beispiel Sancho Panza (der wird hier mit Z geschrieben, genau wie Rozinante, den ich auch vorher immer mit S kannte – und von dem ich immer dachte, er wäre eine sie). Andere Figuren klingen wieder anders, vernünftiger, nicht ganz so geistig umnachtet oder einfältig wie der Ritter und sein Knappe. Außerdem ist der Anhang ein steter Quell der Freude, denn er erklärt so ziemlich jede Anspielung und kulturelle Referenz, die den spanischen Leser_innen von 1604 total geläufig waren, mit denen ich jetzt aber gerade nichts anfangen kann.
Der Preis der Neuübersetzung ist alles andere als der übliche Taschenbuchpreis, aber das waren mal richtig gut ausgegebene 68 Euro. Vielleicht schaut ihr mal selbst? Hier das erste Kapitel im Tonfall von Herrn Braunfels, hier die Neuübersetzung. Und hier das Original.
Susanne Fröhlich – Und ewig grüßt das Moppel-Ich
Ich mochte an dem Buch die Abschiedsrede an Reiswaffeln und Kalorienzählen, aber dafür das herzliche Willkommen an Desserts und Vergebung. Ich mochte ganz und gar nicht: das Interview mit 160-Kilo-Mann Rainer Calmund, der anscheinend frei von jeder Selbstwahrnehmung meinte: „Der Frau, die meine Gewichtsklasse hätte, müsste ich dringend sagen: Nimm mal ab, sonst bist du nicht mehr attraktiv als Frau.“ Außerdem hat mir – logisch – der gedankliche Weg vom Moppel-Ich von 2004 bis heute gefallen. Damals war Abnehmen zwar anstrengend, aber dringend nötig, heute findet Frau Fröhlich sich anscheinend auch mit Größe 44 okay. So isses.
Maximilian Buddenbohm – Es fehlt mir nicht, am Meer zu sein
Aber mir fehlt es, noch mehr von diesen Geschichten zu lesen. Ich mag das Blog von Herrn Buddenbohm sehr gerne, ich lese mit Begeisterung die Storys über seine Kinder, obwohl mir Kinder sonst total egal sind, aber ich muss gestehen, um die Travemünde-Geschichten habe ich meist einen Bogen gemacht. Vielleicht weil sie mir im Blog zu lang waren, wo ich eher die kurzen, pointierten Erlebnisse gewöhnt bin. (Ja, ich bin als Leserin genauso verwöhnt und nölig wie ihr auch.) Im Nachhinein war das anscheinend ein prima Plan, über diese Geschichten hinweggelesen zu haben, denn jetzt habe ich sie alle in Buchform bekommen, mit einem roten Faden, immer wiederkehrenden Menschen und dem seltsamen Gefühl, im Schnee in der Kälte auf den Bus zu warten und dabei über die zugefrorene Ostsee zu lesen. Ich mochte die Stimmung im Buch, die ich als anders empfinde als die im Blog; etwas behutsamer vielleicht. Für das Wort kriege ich wahrscheinlich Kloppe, aber „berührend“ passt auch. Große Empfehlung.
(Leseprobe bei Merlix)
Douglas Coupland – Generation A
In Generation A geht es um fünf Menschen, die von Bienen gestochen werden. Klingt erstmal sehr unaufregend, ist es aber nicht, denn: Bienen sind eigentlich seit Jahren ausgestorben. Alle fünf werden in Labore verfrachtet, und je länger das Buch dauert, desto verwirrender wird alles, denn irgendwann sitzen sie um ein Feuerchen und erzählen sich Geschichten, die sich immer ähnlicher werden. Und ehe ich noch mehr Plotpoints verrate: Ich mochte an Generation A, dass mir das Wort „McJob“ wiederbegegnet ist, über das ich zum ersten Mal in Couplands Generation X gestolpert bin. Ich mochte wieder den beiläufig einstreuten Techie-Schnickschnack, der manchmal echt ist und manchmal wunderbar ausgedacht, aber echt scheint (gerade wenn es um seltsame Internet-Memes geht). Ich mochte den Tonfall, das Thema, dass Bücher und Geschichten eine gute Sache sind und dass menschlicher Kontakt, ganz gleich in welcher Form, die Welt retten kann. Endlich mal wieder ein Coupland, den ich mochte. (Ja, ich bin als Leserin genauso verwöhnt und nölig wie ihr auch.)
(Leseprobe bei amazon.de)