Adaptation

Adaptation (Adaption, 2002)

Darsteller: Nicholas Cage, Meryl Streep, Chris Cooper, Tilda Swinton, Cara Seymour
Drehbuch: Charlie Kaufman, nach einem Roman von Susan Orlean
Kamera: Lance Acord
Musik: Carter Burwell
Regie: Spike Jonze

Adaptation ist ein cleverer Film. Er beruht auf einem Buch, das keine Story hat und erzählt trotzdem eine. Er schafft Charaktere, wo vorher keine waren. Er amüsiert das Publikum mit kleinen Geschichten aus Hollywood und über das Drehbuchschreiben, und man kann sich genüsslich zurücklehnen und zugucken, wie der Film alle Regeln bricht, die uns gerade erklärt wurden. Sehr clever. Genauso clever wie die Besserwisser früher in der Schule, die in den Sommerferien schon die Bücher fürs nächste Jahr durchgelesen hatten, damit sie vorbereitet waren. Genauso clever wie die Blödmänner im Job, die irgendwie anders sein wollen, um aufzufallen. Sehr clever. Und total enervierend.

Die Geschichte: Drehbuchautor Charlie Kaufman hat den Job bekommen, aus dem Buch The Orchid Thief von Susan Orlean ein Drehbuch zu machen. Er liest das Buch und stellt fest: Es hat keine Story. Also beginnt er, sich Storys zu überlegen, die vielleicht andeutungsweise im Buch vorkommen. Er rätselt über die Entstehung des Lebens, die Schönheit von Blumen, die Verlogenheit und Sehnsucht der Hauptfiguren. Aber er hat immer noch keine Geschichte. Und plötzlich, aus purer Verzweiflung, beginnt er, die Story über sich selbst zu schreiben, über einen Drehbuchautor, der an einer literarischen Vorlage scheitert. Sehr clever. Und bis dahin auch noch sehr amüsant.

Aber dann will der wahre Kaufman zu clever werden. Er lässt seine Protagonisten goldene Drehbuchregeln aufsagen, um sie filmisch zu durchbrechen. Das ist bei den ersten Malen sehr unterhaltsam, zum Beispiel, wenn er den Film-Kaufman zu seiner Produzentin sagen lässt, dass er keine Sexszene oder Knarren oder Autojagden ins Script einbauen will und wir genau das früher oder später zu sehen bekommen. Er sagt aber auch, dass er nicht will, dass seine Hauptpersonen Hindernisse überwinden müssen oder etwas lernen sollen, denn so sei das wahre Leben nicht. Erstens einmal: Genau so ist das Leben. Und zweitens: Wenn die Charaktere keine Hindernisse überwinden müssen, warum sollte ich mir dann einen Film über sie ansehen? Warum sollte ich Menschen zwei Stunden lang zuschauen, denen nichts passiert?

Dieses Dilemma ist auch Kaufman bewusst geworden, und er treibt sein Drehbuchregeln-Brechen weiter: Anstatt die bis dato sehr stimmige und skurrile Geschichte genauso stimmig und skurril aufzulösen, übertreibt er es leider. Seine Figuren werden plötzlich unscharf, sie tun Dinge, die wir von ihnen einfach nicht erwarten. Und damit meine ich nicht, dass sie über sich hinauswachsen (das wäre ja den Regeln entsprechend), sondern sie tun Dinge, die sie verdammt nochmal einfach nicht tun würden, weil sie nicht ihrem Charakter entsprechen. Der letzte Akt des Films fühlt sich an wie ein neuer Film mit neuen Figuren. Kaum einer mehr ist der, als den wir ihn oder sie kennengelernt haben. Und hier schließt sich der schlechte Kreis: Genauso wie der wahre Kaufman sich mit Adaptation vor dem Job der Buch-Adaption drückt, drückt er sich mit dem letzten Akt vor der halbwegs vernünftigen Auflösung seines eigenen Skripts. Das mag ja der Ausbund an Cleverness sein, aber für mich ist das einfach eine feige Hintertür.

Adaptation ist nicht deswegen kein guter Film geworden, weil er Regeln bricht. Die besten Filme sind die, die Regeln brechen, weil sie unerwartet sind. Auch Adaptation ist unerwartet, aber es fühlt sich nicht stimmig an. Wenn man seine Charaktere im Stich lässt, lässt man auch das Publikum im Stich, das an diesen Charakteren hängt. Und auch wenn das wieder eine der Regeln von Skript-Guru Robert McKee ist, die in Adaptation als wertloser Müll hingestellt werden, so ist sie meiner bescheidenen Meinung nach eine wichtige und gute. Ich habe zwei Stunden meiner Zeit geopfert, um einen Film zu sehen. Dann gib mir bitte auch einen, der mich halbwegs zufriedenstellt. Er muss mir nicht gefallen, er muss nicht so ausgehen, wie ich es gerne gehabt hätte, aber er muss passen. Nach Adaptation habe ich mich einfach verarscht gefühlt, so als ob Kaufman mich dafür auslacht, mein Herz an seine Charaktere verschenkt zu haben, die er zum Schluss der absoluten Lächerlichkeit preisgibt. War es falsch von mir, von der gefühlvollen Interpretation von Meryl Streep berührt zu sein, weil sie zum Schluss zur absoluten Irren mutiert? War es falsch, einen Charakter wie Chris Coopers John Laroche seltsam anrührend zu finden, weil er zum Schluss zum Idioten wird? Ist das meine Strafe dafür, dass ich über den Film-Kaufman gelächelt habe, weil er eben ein kleiner, hilfloser Nerd ist, aber zum Schluss plötzlich der siegesgewisse Held? Ich weiß es nicht.

Wäre Adaptation besser geworden, wenn er keine Regeln gebrochen hätte? Nein, denn dann wäre er nur ein typischer „Inside Hollywood“-Film geworden. Wäre er besser geworden, wenn er die Regeln radikaler gebrochen hätte? Vielleicht. So wie er jetzt ist, bleibt er leider in der halbgaren, selbstverliebten, zu cleveren Mitte und ist so als Film genau dasselbe wie sein eigener Inhalt: ein Protokoll des Scheiterns.

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