Tagebuch Freitag, 13. November 2015 – …
Im Iconic-Architecture-Kurs hörten wir das zweite Referat zum Guggenheim Bilbao. Im Gegensatz zum ersten, das sich ausschließlich mit der Architektur des Gebäudes beschäftigte, ging es gestern um die Guggenheim Foundation und dass diese die Franchise-Geberin für die ganzen Guggenheims weltweit ist. Das wusste ich noch nicht – ich dachte, das Museum expandiert auf eigene Kosten, um seine Sammlung weltweit zu präsentieren. Letzteres tun die Stiftung, aber: Es kostet sie weit weniger als ich dachte. Im Fall von Bilbao gehört das Gebäude der baskischen Regierung, die Bau und Unterhaltung bezahlen durfte und darf und sich den Namen Guggenheim und die Sammlung quasi dauerleiht. Wenn diese Rechte in gut 50 Jahren ausgelaufen sind, kann sich Bilbao überlegen, ob es das alles verlängert (falls die Guggenheim Foundation will) oder ob ins Gebäude lieber ein Basketball-Court und eine große Frittenbude gehört.
Wir sprachen auch über den anderen Fall der Zusammenarbeit, die kein Franchise ist, sondern ein Joint Venture, genauer gesagt, die still und leise abgewickelte Deutsche Guggenheim in Berlin. Die Website ist noch da, aber per Sticker als „Archiv 1997–2012“ gekennzeichnet – und man findet nirgends Infos darüber, warum diese Zusammenarbeit nicht mehr existiert.
Die Referentin sprach auch über kulturelles versus ökonomisches Kapital à la Bourdieu. Den habe ich ja bisher noch in keinem Referat gehabt und mich dementsprechend gefreut. War auch alles hübsch erklärt und nachvollziehbar. Leider las die Referentin fast komplett vor wie auch die Dame am Mittwoch zum Bitterfelder Weg. Ich versteh das ja, Mädels, klar kann man so die Hausarbeit schon hübsch anformulieren, aber es ist so. extrem. anstrengend. zum. Zuhören. Wisst ihr doch eigentlich auch selbst. Knurr.
—
Das war mein Blogeintrag, wie ich ihn um kurz vor 20 Uhr tippte. Dann bereitete ich mir ein schnelles Abendessen zu und machte es mir vor dem Laptop gemütlich, um in Ruhe das Spiel der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Frankreich in Paris anzuschauen. Länderspiele sind mir eher egal, Freundschaftsspiele noch mehr, aber gestern abend lief nach sehr langer Pause Mario Gomez mal wieder auf, und so saß ich gut gelaunt vor dem Rechner, guckte und aß. In der ersten Halbzeit war zweimal ein lauter Knall zu hören und ich dachte sofort, Alter, die Pyro-Deppen sind wieder da. Fußball halt. Im Laufe des Spiels wurde aber recht schnell klar, dass das keine Feuerwerkskörper waren, die wir gehört hatten. Auf Twitter mehrten sich die ersten Gerüchte über Anschläge, nach dem Spiel schaute ich die Tagesschau und heute, die Opferzahlen gingen immer mehr nach oben, und ich merkte recht schnell: Ich will das nicht. Ich kann das nicht.
Ich verzweifele an solchen Abenden immer sehr an der Menschheit, und ich kann das nicht mehr aushalten. Ich dachte an 9/11, an die Geiselnahme in einem Theater und einer Schule in Russland vor längerer Zeit, an Charlie Hebdo, und ich will einfach nicht mehr lesen, wieviele Menschen es sind, die ihr Leben verloren hatten, ich will kein Newsblog und keinen Ticker und vor allem kein Periscope. Es ist kurz nach Mitternacht und ich klappe den Rechner jetzt zu.