Was schön war, Samstag bis Montag, 9. bis 11. April 2016
Kochen.
Das fast letzte Eckchen Platz in meiner Küche wird seit Samstag von einem Waffeleisen in Beschlag genommen. So ein Ding wollte ich schon länger haben, aber nach der kräftezehrenden Umzugswoche fand ich, jetzt wäre genau der richtige Zeitpunkt, um es zu kaufen. Samstag testete ich dieses Rezept an und buk damit ganz hervorragende, grundsolide, außen knusprige und innen saftige Waffeln – wobei ich die Flüssigkeitsmenge verdoppelte, um einen fließenden Teig zu bekommen; vorher klebte da ein dicker Batzen an meinem Teigschaber, ich wollte aber eine Kelle Teig einfüllen und keinen Brocken. Das war eine sehr gute Idee.
Am Sonntag durfte F. dann mitfrühstücken bzw. mitmittagessen, als ich Schokowaffeln mit Himbeersahne buk, auch hier wieder mit mehr Flüssigkeit.
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Lesen, Serien gucken, in Ruhe auf dem Sofa sitzen.
Keiner wollte was von mir, ich musste keine Kiste packen, ich konnte einfach so rumsitzen und es mir gut gehen lassen. Das hat größtenteils geklappt, aber Abschiedstränen kamen immer wieder; als ich die Pastateller benutzte, als ich die zwei kleinen Schälchen abwusch, die ich auch in den Koffer quetschen konnte (dieses türkise hatte ich sehr vermisst), als ich endlich mein geliebtes Nudelholz in die Kiste im Regal packte und es passte, im Gegensatz zu dem blöden Nudelholz, das ich hier vor dreieinhalb Jahren gekauft hatte und das nicht passte, weswegen ich es unten im Erdgeschoss in unsere Hausflohmarktecke legte, wo alle Bewohner*innen Zeug ablegen, das sie nicht mehr brauchen, das aber zu gut zum Wegschmeißen ist. War auch kurze Zeit später weg.
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Zuneigung gezeigt bekommen.
Als ich meinen Koffer am späten Freitagnachmittag in die Wohnung rollte, warteten auf meinem Küchentisch ein paar Kleinigkeiten von F. auf mich: eine Flasche Wein von meinem liebsten Neuseeländer Weingut, eine Packung Nougatpralinen (TEAM NOUGAT!), ein kleines Stofftier und eine Postkarte mit Münchner Motiven, auf der nur „Welcome home“ stand. Darüber musste ich zwar schon wieder heulen, aber ich habe mich gleichzeitig sehr gefreut. Sonntag abend brachte mir der Mann dann fast 400 Gramm Bärlauch aus dem Garten seiner Eltern mit, womit Montag die Pasten-, Pesto- und Butterproduktion anlaufen konnte, und zusätzlich noch ein paar Zweige Kirschblüten, die jetzt auf meinem Küchentisch stehen. (Und vor sich hinrieseln, aber das ist ausnahmsweise egal.)
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Semesterbeginn.
Ich freute mich seit Wochen auf diesen Montag, weil dann endlich wieder Uni ist und ich keine Zeit mehr zum Rumheulen habe. Als der Tag dann endlich da war, war ich aber ziemlich matschig vom Wochenende, wo ich krampfhaft versucht hatte, gute Laune zu haben. Wenn ich nicht hätte aufstehen müssen, wäre ich den ganzen Tag unter der Bettdecke geblieben. So twitterte ich hilflos vor mich hin …
Okay, Humanities, do your magic once again. #semesterbeginn #saveoursouls
— ankegroener (@ankegroener) 11. April 2016
… und raffte mich ins Historicum auf, was sich – natürlich – lohnte.
Mein erster Kurs in diesem Semester ist in meinem Nebenfach, das ich ein Jahr lang des Öfteren vermisst habe: Geschichte. Wir erinnern uns: Im sechsten Semester schrieb ich meine Bachelorarbeit und machte sonst quasi nix, und im ersten MA-Semester, meinem siebten Semester insgesamt, war laut Prüfungsordnung noch kein Nebenfach vorgesehen. Die ist in diesem Fall nicht bindend, wann wir was innerhalb der vier Semester belegen, ist eigentlich egal, aber ich habe mich im BA immer brav an die Vorschläge gehalten und fand den Aufbau sehr sinnvoll, also mache ich einfach so weiter.
In München muss man zu den 90 Hauptfach-ECTS-Punkten noch 30 im Nebenfach erwerben, das aus dem gemeinsamen geistes- und sozialwissenschaftlichen Profilbereich gewählt werden kann. Thereotisch wild durcheinander, praktisch nicht so ganz: Ich kann jetzt nicht einfach 30 KuGi-Punkte im Nebenfach sammeln, sondern nur … weiß ich nicht, weniger halt, ich könnte beispielsweise Kurse aus drei Fächern belegen, hier einen in Philosophie, da einen in den Gender Studies und dazu einen Hauch Kunstgeschichte. Darüber hatte ich kurz nachgedacht, denn künstlerischen Werken kann man sich auf verschiedene Art nähern, also ist es eigentlich ganz nett von der Uni, dass sie mir die Möglichkeit dazu gibt.
Ich habe aber im BA gemerkt, wie sehr ich in Geschichte von Kunstgeschichte und umgekehrt profitiert habe. Bei meiner kunsthistorischen Arbeit über Frauenchiemsee war es praktisch, ein Semester vorher in Geschichte einen Kurs belegt zu haben, in dem ich über die Funktionsweise von Klöstern im Mittelalter viel erfahren habe, unter anderem, aus welchen Gebäuden eine derartige Anlage überhaupt bestehen kann (Stichwort St. Galler Klosterplan). Deswegen wusste ich, wie besonders die Torhalle auf Frauenchiemsee ist, sowohl von ihrer Lage als auch ihrer Funktion, die wir bis heute nicht genau benennen können. Beim Geschichtskurs über die Stadt im Mittelalter erinnerte ich mich an eine Vorlesung über bürgerliche Bauten in mittelalterlichen Städten und wusste so, dass es damals bereits Kaufhäuser gab, nach denen der Dozent fragte. Und generell ist es nie verkehrt, halbwegs zu wissen, in welchen politischen und kulturellen Umständen Kunstwerke entstanden sind, um sie einzuordnen.
Zurück zum Wildwählen: Falls ich ein Seminar in Amerikanistik, eins in Kulturgeschichte, eins in Archäologie und eins in Vergleichender Literaturwissenschaft belegen würde, wäre das zwar bestimmt spannend, ich wäre aber viermal ein blödes Erstsemester. Ich habe von diesen Fächern überhaupt keine Ahnung, kenne die einschlägigen Bibliothekskataloge nicht, die Größen des Fachs, die Standardwerke, die Basics, die man so drauf haben sollte, um eine halbwegs anständige Hausarbeit abzugeben. Ich bin nicht mehr im BA, wo ich mir lustig Grundlagen schuf, sondern ich bin im MA und will dazu auch noch eine sehr gute Abschlussnote. Die hilft mir zwar, wie ich allmählich weiß, einen Dreck bei der Jobsuche, aber mein ganz persönlicher Ehrgeiz ist es, wieder zu den besten zehn Prozent zu gehören wie im BA.
Aus diesen beiden Gründen fiel die Wahl auf das Nebenfach Geschichte sehr leicht. Die Historiker*innen sind dazu auch noch etwas speziell: Wenn man ein Seminar bei ihnen belegt, muss man alle bei ihnen machen, da geht also nix mit wild Rumwählen. Ist mir recht.
Gestern saß ich in einer der zwei Übungen, die in diesem Semester anstehen plus ein Hauptseminar: Biografieforschung. Da ich erstens gerne Biografien lese und zweitens immer noch die Biografie eines NS-Künstlers (die Damen sind schon ganz gut von der Genderforschung abgegrast worden) im Hinterkopf habe für eine eventuelle Masterarbeit, fiel die Wahl nicht schwer. Scheint eine gute Wahl gewesen zu sein: Die Dozentin hat mir gefallen, der Kurs besteht aus entspannten zwölf Menschlein, und mein Referat wird sich mit Rebekka Habermas’ Frauen und Männer des Bürgertums. Eine Familiengeschichte (1750–1850) befassen.
Wir referieren alle über eine Biografie, die ein bestimmtes methodisches Vorgehen oder eine thematische Einordnung beim Biografieschreiben verdeutlicht; mein Referat gehört zum Themenkomplex „Mentalität und Erfahrung“. Ich kann mir unter den vielen Methoden und Ansätzen auf dem Seminarplan noch nicht viel vorstellen und bin daher entsprechend gespannt. Das Thema gefiel mir auch deshalb, weil mein Hauptseminar in Geschichte sich mit Kindheit und Jugend im 19. Jahrhundert befasst, wo sicher auch das Bürgertum eine Rolle spielen wird. Und schließlich muss ich zugeben, dass ich die bürgerliche Kunst des 19. Jahrhunderts mag – ja, auch das Biedermeier; hier eins meiner liebsten Porträts, es hat schon seinen Grund, warum ausgerechnet ein Bild wie Luise an meiner Wand hängt und mein Lieblingsbild in der Hamburger Kunsthalle von 1881 ist, von dem ich mich leider nicht verabschieden konnte, weil die Kunsthalle so gerade noch geschlossen ist. Und nicht zuletzt bediente sich die Kunst der NS-Zeit stilistisch unter anderem gerne in dieser Epoche.
Nach dem Kurs ging ich zu Fuß nach Hause, genoss die Sonne und freute mich, dass das Semester wieder losgegangen war. Trotzdem liegt über allem derzeit eine gewisse Grundtraurigkeit, aber ich weiß ja, warum sie da ist und sie darf auch da sein. Wenn sie vorbeischaut, achte ich auf sie, gebe ihr wahlweise Schokolade, Schnaps, Bibliotheksaufenthalte oder Bärlauchbutter und versuche, sie und mich ernstzunehmen.