#12von12 im April
Alle anderen Mitspieler*innen gibt’s bei Caro.
Mein Wecker sollte um 8 klingeln, ich war aber lange vorher wach. Bis kurz nach halb 7 las ich Twitter leer, dann döste ich anscheinend doch noch mal weg. Um halb 8 war ich wach.
Auf meinem Frühstückstablett gibt es eine bahnbrechende Neuerung: Grapefruitsaft statt Multivitamin!
Als ich in Wien war, griff ich morgens im Hotel spontan nach der Karaffe mit dem Grapefruitsaft und ließ den O-Saft stehen, der sonst in Hotels mein Kaffeebegleiter ist. Überhaupt: Hotel-Angewohnheiten. Bei mir kriegt jedes Hotel Abzüge in der Sympathienote, wenn es kein geschnittenes Obst auf dem Frühstücksbuffet gibt. Ich esse in Hotels grundsätzlich Müsli zum Frühstück, und ich habe nie Lust, mit den stumpfen Buttermesserchen einen Apfel oder eine Banane zu zerteilen. Fruchtcocktail aus der Dose lasse ich knurrend geltend. Das Hotel in Wien hatte nicht nur geschnittenes Obst, sondern neben den Fruchtsaftkaraffen charmanterweise auch noch einen kleinen Sektkühler stehen, zu dem ich am letzten Tag gut gelaunt griff. Seit Wien gibt es bei mir zuhause auch Grapefruitsaft, weil ich den bitteren Kick als einen sehr angenehmen Reinkommer in den Tag empfunden habe. (Keinen Sekt allerdings.)
Um 10 stand meine erste Übung in der Uni an: „Europäische Esskulturen nach dem Zweiten Weltkrieg.“ Weil ich um 14 Uhr die nächste Vorlesung hatte und damit zwei Stunden Zeit zwischen den Veranstaltungen, griff ich zum Radl, um zur Uni zu kommen, weil ich damit am schnellsten wieder zuhause bin.
Ich habe drei Jahre gequengelt, weil links neben meinem schönen Rad immer ein total verstaubtes Rad stand, das offensichtlich nie benutzt wurde, an dem ich gerne meine Klamotten eingesaut habe. Neuerdings steht das Rad mit dem Kindersitz neben mir, und jetzt quengele ich, weil ich über das Rad rübergreifen muss, um an meins zu kommen, um es dann mit der rechten Hand in den Gang zu ziehen, während ich mit der linken Hand versuche, den Lenker zwischen den beiden Rädern durchzubalancieren. Der Fahrradkeller ist meiner Meinung nach viel zu eng, aber ich bin froh, dass wir ihn überhaupt haben. Die Abstellmöglichkeiten sind blöderweise nach Wohnungseinheit vorgegeben, das heißt, ich kann mein Rad nicht irgendwo hinstellen, wo Platz ist, sondern habe einen festen Stellplatz. Was auch heißt, dass anscheinend jemand mit Kind dort eingezogen ist, wo bisher der Besitzer des Staubrades wohnte.
Im Historicum mit Blick auf die Schellingstraße. Hinter meinem Rücken verläuft die Amalienstraße. Der Kurs ist leider etwas voll, wir sind fast 20, weswegen die Referatsthemen natürlich mal wieder nicht ausgereicht haben. Generell bin ich noch etwas skeptisch, weil mir die Themen sehr zusammengewürfelt aussehen, aber ich lasse mich mal überraschen. Worüber ich grinsen musste: Sieben Semester lang ist mir nirgends Bourdieu begegnet, jetzt in zwei Tagen gleich zweimal, vorgestern bei den Biografien (Habituskonzept), gestern beim Essen (Distinktionsbedürfnis). Wie zu erwarten war, wollte keiner den Bourdieu als Referatsthema haben, obwohl der gestrige Dozent zum Originaltext noch eine zweiten im Seminarplan verzeichnet hatte, der den Franzosen quasi in Simpeldeutsch übersetzt.
Ich hätte gerne zum Text „Der dicke Körper und sein Konsum im Visier von Wissenschaft und Politik in der DDR und der BRD“ von Ulrike Thoms (Comparativ 21 (2011), Heft 3, S. 97–113) referiert, aber das schnappte mir jemand weg. Überhaupt war die Referatvergabe gestern eher doof, da der Dozent einfach der Reihe herum fragte, was gewünscht war, weswegen wir armen Hascherls, die am weitesten von ihm wegsaßen, keine Chance mehr auf ein gutes Thema hatten. Normalerweise stellen Dozierende die Themenliste einmal vor, gehen dann vom ersten Referatstermin nach hinten durch und fragen bei jedem Termin, wer das Thema gerne hätte. Wenn sich dann mehrere melden, wird kurz ausdiskutiert, was meistens immer klappt; eine KuGi-Dozentin, deren Kurse immer voll sind, ist inzwischen zum Auslosen übergangen: „Sie denken sich jeder eine Zahl zwischen 1 und 10, ich denke mir eine, wer am nächsten an meiner ist, kriegt das Thema.“
Gestern war das, wie gesagt, leider nicht so, weswegen ich mich erstmal an das Thema ranhängen durfte, weil der Dozent meinte, das könnten wir splitten. Im Laufe der Übung meinte er, zur Architektur von Küchen könnte man auch mal was machen, woraufhin ich mich sofort meldete und, in höflicher Form, „HABEN!“ signalisierte. Der dicke Körper und die Küchenarchitektur sind jetzt in einer Sitzung, und wir sollen versuchen, das Thema Norm, Normsetzung und das Abweichen davon als Überthema zu nehmen. Zwei Buchtipps hatte der Dozent auch schon für mich: Cold War Kitchen und Versuch über den Normalismus: wie Normalität produziert wird, die ich gestern sofort bei der Stabi bestellte.
Die anderen Referatsthemen drehen sich um die Soziologie des Essens, Ernährungsgeschichte als psychosoziales Problem, ausländische Gastronomie in der Bundesrepublik, Fleisch- bzw. Gemüsekonsum, die Technik hinter der Essensherstellung, Kultivierung des Appetits (durch Frauen- oder Gourmetzeitschriften) und Essen im Film. Klingt für mich erstmal nach einer sehr bunten Mischung, ich bin gespannt, ob da ein roter Faden bleibt oder wir einfach lustige Referate zum Essen kriegen. Auch wegen dieser bunten Mischung fand ich es schön, das Thema Dicksein auf der Liste zu finden, weil es für mich bedeutet, dass wir über die schon angesprochene Norm nachdenken und, Achtung, doofes Wort, andere Körper betrachten, also die, die nicht einer Norm entsprechen. Gerade deshalb hätte ich gerne das Thema „Dicker Körper“ gehabt, um aus simplem Eigeninteresse dafür zu werben, dass alle Körper okay sind und die politische Idee, gewisse Körper ausradieren zu wollen, eine ganz widerliche ist. Aber dann wappne ich mich im Vorfeld für die Diskussion und gucke mal, wie tolerant mein Seminar so ist.
Nach dem ganzen Reden übers Essen wollte ich Essen kaufen. Vor einigen Tagen wurde in meiner Instagram-Timeline schon angespargelt, und seitdem will ich das auch. Ich radelte zum Wochenmarkt in der Zieblandstraße und kaufte Spargel, Kräuter und Kartoffeln.
Nach einer kurzen Pause zuhause fuhr ich wieder in die Uni, genauer gesagt, ins Hauptgebäude. Dort fand meine erste Vorlesung in Kunstgeschichte statt: „Skulptur im Land der Maler? Niederländische Bildhauerkunst im 15. bis 17. Jahrhundert.“ Die war leider sehr schwach besucht, und es gingen während des Vortrags noch einige Studierende. Ich muss zugeben, ich fand es auch recht anstrengend, der polnischstämmigen Dozentin mit ihrem deutlichen Akzent zuzuhören, aber was sie sagte, reichte dann locker, um mich bei der Stange zu halten. Ihr Vortrag ging von Willem van Haechts Die Kunstkammer des Cornelis van der Geest (1628) aus, in dem wir die gleichwertige Präsentation von Gemälden und Skulpturen sehen. Der Hauptteil des Raumen wird zwar von Bildwerken bestimmt, aber auf der linken Seite sehen wir zwei Männer, die eine kleine Skulptur genauer betrachten; an der rechten Wand stehen Nachbildungen der antiken Meisterwerke (unter anderem meinen Liebling aus den Vatikanischen Museen), auf dem Tisch im Vordergrund stehen und liegen mehrere Kleinplastiken sowie Reliefs, die gerne aus Alabaster oder Elfenbein gefertigt wurden – die Dozentin meinte, gerade Materialgeschichte wäre ihr Steckenpferd, darauf kämen wir noch zurück –, in der Zimmermitte hängt ein Kronleuchter (Kunsthandwerk) und im Hof ist ein Brunnen zu sehen (Bauskulptur). Anhand dieses Bildes und einer kleinen historischen Einführung in die Geschichte der Niederlande entwarf die Dozentin ihren Seminarplan, und das klang alles sehr spannend. Unter anderem wies sie auf ein stilgeschichtliches Klischee hin, von dem ich noch nie gehört hatte: Nach der Reformation trennte sich das Gebiet aus den heutigen Niederlanden, Flamen und dem heutigen Belgien in die nördlichen und die südlichen Niederlande; der Norden galt nun als das Land Rembrandts: calvinistisch und intellektuell, während der Süden das Land Rubens’ war: katholisch und emotional. Ist nachweislich Quatsch, habe ich mir jetzt aber natürlich gemerkt.
Nach der Uni ging ich zu Fuß nach Hause. Neuerdings nervt mein linkes Knie ein wenig und ich weiß, ebenfalls seit Wien, dass ihm Bewegung gut tut. Radfahren leider nicht so sehr, weil es genau das Beugen ist, dass ihm weh tut. Rumlaufen ist hingegen super, ich bin völlig schmerzfrei und bleibe es danach auch. Bis ich eben wieder zwei Stunden in einem Hörsaal hocke und das Bein nicht ausstrecken kann. Dieses Phänomen hatte ich vor einigen Jahren schon mal im rechten Knie, das ging irgendwann wieder weg, weswegen ich das dieses Mal auch wieder aussitzen bzw. rauslaufen kann. Hoffe ich jedenfalls.
Auf dem Nachhauseweg ging ich zunächst die Schellingstraße entlang, wo zwischen Ludwig- und Türkenstraße diese kleine Tafel, neben einigen Bildtafeln, auf den Türkengraben hinweist. Den kannte ich auch schon aus einem kunsthistorischen Seminar, wo uns der Dozent erzählte, das Kanalsystem von Nymphenburg wäre auch eine schöne Masterarbeit. Habe ich im Hinterkopf.
Eingekauft, unter anderem den Schinken für den geplanten Spargel. (Nein, nicht die Chips.)
Die neue Folge Better Call Saul geguckt und entsetzt festgestellt, dass das schon die vorletzte dieser Staffel ist.
Die ersten Texte fürs Biografie-Seminar gelesen. Die Zeit der Textmarker hat wieder begonnen, wo-hoo!
There is no happiness like Spargel happiness.
Real-Wolfsburg nebenbei laufen gelassen, während ich Hay Day und Candy Crush spielte. Danach mit Buch ins Bett. Guter Tag.