Gosford Park
Gosford Park (USA, 2001)
Darsteller: zu viele Namen – check it out at imdb
Drehbuch: Julian Fellows
Kamera: Andrew Dunn
Musik: Patrick Doyle
Regie: Robert Altman
Auch ne hübsche Idee, bei 30 Grad ins Kino zu gehen. Es lenkt allerdings richtig schön von der Hitze draußen ab, wenn man sich im Geiste auf einem englischen Landsitz im Jahre 1932 bewegt. Der Film fängt schon bei Regen an, und die Klimaanlage im Abaton kühlt sowieso jeden Knochen auf 14 Grad runter. Insofern: Bring it on, Robert Altman.
Gosford Park hat in diesem Jahr den Oscar für das beste Original-Drehbuch bekommen. Wahrscheinlich deshalb, weil es ein Film ist, bei dem man ständig in eben diesem Drehbuch nachschlagen möchte, wer zum Teufel gerade redet und mit wem. Über den Daumen gepeilt, spielen in diesem Film ungefähr fünf Millionen Menschen mit, deren Namen ich sofort nach Nennung wieder vergessen hatte. Selbst die Untertitel haben mich nicht großartig weitergebracht. Immerhin konnte ich mir die Gesichter merken. Auch praktisch, dass die eine Hälfte der Besetzung die Adligen spielt und die andere die Diener.
Womit wir beim Thema wären. In Gosford Park geht es vordergründig um ein großes Familientreffen zur Fasanenjagd. Und wie in allen guten englischen Adelshäusern gibt es die Lieblingskinder, die schwarzen Schafe, den greisen Patron, die junge Ehefrau, den Liebhaber der Tochter, der eigentlich mit der Tante verheiratet ist, eine Dienstbotin, die es mit dem Hausherrn treibt, weiteres Personal, das sich auch nicht ganz abgeneigt ist und noch hundert kleine Geschichten mehr.
Die Story selber war mir nach ungefähr 20 Minuten ziemlich egal, weil ich immer noch Mühe hatte, mir wenigstens die Hauptpersonen zu merken. Und genau deshalb hat der Film mir großen Spaß gemacht. Ich habe mich die ganze Zeit wie eine Fliege an der Wand gefühlt, die hinter alle Kulissen gucken darf und alle Intrigen und menschliche Dramen mitkriegt, ohne mir Gedanken über die Konsequenzen machen zu müssen. Ich musste mich nicht innerlich für einen Favoriten entscheiden, auf dessen moralischer Seite ich den Rest des Film verbringen wollte. Ich musste nicht mit den Guten leiden, die scheitern, ich musste die Bösen nicht verurteilen (schließlich passiert in der, na, 90. Minute des Film auch noch ein gemeiner Meuchelmord), nein, ich konnte mich einfach entspannt im eiskalten Kino zurücklehnen und dieses menschliche Panoptikum der Eitelkeiten an mir vorbeiziehen lassen. Dazu die wundervoll üppige Ausstattung, der riesige Landsitz, auf dem man sich als Zuschauer genauso verläuft wie die Dienstboten, und die hervorragene Besetzung – einfach schön.
Bonuspunkt: Der Film war im englischen Original. Und ich meine englisch und nicht amerikanisch. Eigentlich kann ich diesen versnobten Empire-Akzent ja so gar nicht leiden, aber hier passt er einfach perfekt. Plus dem fiesen Schottisch einer Dienstbotin, dem breiten Amerikanisch eines Hollywood-Produzenten, der auch auf der Party ist – ich wette, auf Deutsch macht der Film nicht halbsoviel Spaß.
Als ich aus dem Kino kam, hat es draußen gegossen. Und ich habe auf der Nachhausefahrt den Schnecken vor mir auf der Straße mit hochgezogenen Augenbrauen ein “Oh, carry on, stupid!” zugeraunt anstatt “Verpiss dich, wenn du nicht fahren kann, du Arsch!” zu brüllen. Noblesse … ähm … färbt ab. Kann irgendwer französisch?
“noblesse oblige” – ohne altklug klingen zu wollen ;))
aber schön zu hören, dass ich nicht die einzige war, die die personen und zusammenhänge nicht durchschaut hat :))
denise am 06. October 2005