Was auf den zweiten Blick schön, aber trotzdem total doof war, Mittwoch, 5. April 2017 – #FCAFCI

Gestern stellte ich fest, dass die dünnen Suhrkamps perfekt in die Innentasche meiner Spätherbst-Frühfrühlingsstadionjacke passen.

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So hatte ich im Zug etwas zu lesen, als ich mit F. in Richtung Augsburg zuckelte, wo wir uns das Spiel gegen Ingolstadt anschauen wollten. Wir erwischten eine schöne leere Tram vom Bahnhof zum Stadion, genossen dort die traditionelle Stadionwurst (aka „FCA-Knacker“, eine rote Bratwurst, gestern richtig schön heiß, in einer Laugenstange), ich erfreute mich wie immer am fähnchenschwingenden Kid’s Club, der zur Vereinshymne eine Runde um den Platz drehte, wobei das Publikum immer brav zurückwinkt, dann nahmen wir Platz, und ab da wurde der Abend eher scheiße.

Zur Halbzeit stand es bereits 0:2, das Endergebnis war dann 2:3, und bis auf 15 Minuten vor Schluss spielten die Augsburger nicht nur unterirdischen Müll zusammen, sondern ließen auch den Willen vermissen, der nötig gewesen wäre, um das Spiel zu gewinnen. Augsburg stand gestern mit 7 Punkten Vorsprung auf dem Relegationsplatz, Ingolstand direkt dahinter auf dem ersten Abstiegsplatz. Die drei Punkte hätten dem FCA einen Vorsprung von zehn Punkten sichern können, stattdessen sind es jetzt nur noch vier; man ist jetzt punktgleich mit Mainz und einen Zähler hinter dem HSV und Wolfsburg, die der FCA mit einem Sieg alle hätte überholen können. Hätte, hätte, Fahrradkette. Augsburg bleibt auf dem Relegationsplatz, hat aber noch schwere Spiele vor sich. Die drei Punkte waren eigentlich fest eingeplant, der Abend war deswegen eher anstrengend und ich dementsprechend mies gelaunt.

Aber: Ich habe eine neue Facette des Fußballguckens kennengelernt. Dem FC Bayern folge ich aufmerksam erst so seit sieben, acht Jahren, und in dieser Zeit spielte er einen teilweise überirdisch schönen – und erfolgreichen – Fußball. Der FCB war niemals auch nur in der Nähe von irgendwelchen Abstiegsplätzen – ganz im Gegensatz zu Augsburg. Dessen Saison war vom Umbruch gekennzeichnet: Nach der Europapokalteilnahme im letzten Jahr, wovon noch diverse Schals an Fans im Stadion künden, ist diese Saison eine ganz andere. Der neue Trainer wurde noch vor der Winterpause entlassen, sein Nachfolger macht … irgendwas, ich weiß nicht was, es sind neue, junge Spieler in der Mannschaft, die sich zwar emsig bemühen, aber denen schlicht Erfahrung fehlt, und durch viele Verletzte ist der Kader sehr schmal, der auch nicht aufgestockt werden kann, weil schlicht das Budget fehlt. Da kommt einiges zusammen, und deswegen spielt der FCA gerade gegen den Abstieg. Oder rumpelt sich so durch, wie man’s nimmt.

Die ganze Saison über hatte ich Spaß an dieser Art Fußball und dieser Art des Fußballguckens, weil es sehr anders ist als Spiele beim FCB zu sehen. Ein Stadion für 30.000 ist schlicht eine andere Hausnummer als eins für 75.000, und auch die ganze Stimmung ist eine andere. Beim FCB besteht gefühlt die Hälfte der Zuschauer*innen aus Touris, die aufgeregt alles und jeden knipsen, stolz ihre nagelneuen Trikots ausführen und gerne suchend im Weg rumstehen; die Stadionbeschallung ist nervig-professionell, alles ist riesig und groß und supi und champions of the world. In Augsburg wedelt der Kid’s Club, das Kaschperle aus der Augsburger Puppenkiste sagt den Spielstand voraus (immer falsch), die Tormusik ist Eine Insel mit zwei Bergen, und die Zuschauer*innen sehen so aus, als kämen sie seit 30 Jahren und hätten schon die Spiele in der dritten Liga mitangesehen. In seiner liebevollen Schraddeligkeit fühlt es sich in der WWK-Arena mit ihren Menschen fast wie bei meinem schmerzlich vermissten Altona 93 in der Hamburger Oberliga an: alles eine Nummer kleiner und sehr auf dem Boden geblieben. Deswegen störte mich auch der miese Fußball nicht, der hier gespielt wird – bis gestern. Denn gestern merkte ich zum ersten Mal, dass dieser miese Fußball dafür sorgen könnte, dass der FCA in der nächsten Saison zweitklassig spielen könnte. Das war ein komplett neues Gefühl für mich: Abstiegskampf. Und so schön ich es finde, eine neue Facette des Fanseins kennenzulernen, so sehr litt ich gestern 90 Minuten vor mich hin.

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Und dann hatte auch noch die Schwarze Kiste am Bahnhof schon geschlossen, so dass wir kein Trostbier für die Rückfahrt hatten. Musste eben zuhause eins aus dem Kühlschrank den Schmerz lindern.