Was schön war, Montag, 12. März 2018 – Sol Gabetta
F. und sein Mütterchen haben schicke Abonnementskarten bei Münchenmusik. Gestern konnte seine Mutter leider nicht ins Konzert gehen, weswegen ich die Begleitung machen durfte, was mich sehr gefreut hat. Das Finnish Radio Symphony Orchestra spielte mit der argentinischen Cellistin Sol Gabetta im Gasteig auf, der eierlegenden Wollmilchsau aller Veranstaltungsorte. Dort kannte ich bisher nur die Räume, in denen die Stadtbibliothek ist, einige Unterrichtsräume der VHS, in denen ich mal Italienisch gelernt hatte, und die Räumlichkeiten, in denen sich Orgakram vom Filmfest München abspielt. Daher musste ich erstmal fragen, wie ich denn zur Philharmonie käme. Netterweise kann man dafür den gleichen Eingang benutzen, den ich kenne, entspannt mit der Rolltreppe in den ersten Stock fahren und dann im Gebäudeinneren zur Philharmonie schlendern. Wusste ich auch noch nicht. F. gab fürsorglich meine Jacke ab, während ich mir den verwinkelten Brutalismusbau anschaute und mich wunderte, wie hier irgendjemand ohne Hilfe seine Eingangstür zum Saal findet. Der Saal selbst hat einen lustigen Grundriss, und ich habe noch nie so gut bei einem philharmonischen Konzert gesessen. Kein Wunder, dass F.s Familie diese Karten nie wieder hergeben wird.
Das Konzert begann mit Jean Sibelius, den ich immerhin vom Namen her kannte, aber ich hätte kein Stück benennen können. Für uns wurde die Sinfonie Nr. 7 in C-Dur Op. 105 gegeben, die mir sehr gut gefiel. Dann verkleinerte sich das Orchester etwas, und die Solistin des Abends, Sol Gabetta, betrat die Bühne, nachdem ein Helferlein ihr ein kleines Podest neben das Dirigentenpodest gestellt sowie ihren Notenständer in Kniehöhe aufgebaut hatte. Die Dame hatte von vornherein gewonnen, weil unter ihrem langen Kleid Glitzerschuhe hervorblitzten. Dann begann das Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 (bereits in den 1930er Jahren angefangen, 1955 in dieser Fassung fertiggestellt) von Bohuslav Martinů, und ich war von den ersten Tönen an begeistert. Auch von Gabetta, die sehr mitging, was ich äußerst charmant fand. Wenn sie nichts zu tun hatte, wippte sie im Takt mit, schüttelte auch gerne mal ihre Arme, als ob sie auf einem Popkonzert im Publikum war, und ich hätte mich nicht gewundert, wenn sie die Melodie mitgepfiffen oder irgendwann dem ersten Geiger neben ihr mit einem schwungvollen „Wo-hoo!“ ihre Begeisterung zu verstehen gegeben hätte.
Noch toller war natürlich ihr Spiel. Ich habe in meinen Zehnerjahren jahrelang Geige gespielt, aber darin leider keine große Meisterschaft entwickelt (Saiten hassen mich). Ich fand es immer irre schwierig, die Lagen zu wechseln, also Entfernungen auf dem Griffbrett zu überwinden. Nun ist eine Geige ja winzig, und beim Cello wundere ich mich daher noch viel mehr darüber, wie man in Sekundenbruchteilen das ganze Griffbrett bespielen kann. Über den Kontrabass möchte ich gar nicht nachdenken, dann brauche ich Riechsalz. Ich habe Gabetta sehr gerne bei ihrer Arbeit zugeschaut, auch weil sie so schön changierte zwischen absoluter Konzentration auf ihren Job, die man ihr sehr ansah, und dazwischen eben die kleinen Pausen, in denen sie völlig entspannt dem Orchester lauschte.
Aber: Wer zum Teufel ist Bohuslav Martinů und wieso habe ich bisher noch nichts von ihm gehört? Ich war total gebannt, vor allem vom zweiten Satz, bei dem ich mal wieder vergaß zu atmen, weswegen ich wieder einen fiesen Hustenanfall hatte. Ich bin für klassische Konzerte einfach nicht gemacht. Ich erwische mich auch gerne dabei, wie ich meinen Kopf vogelartig nach vorn vorschiebe, um ja nichts zu verpassen. Das merke ich daran, dass mein Hals irgendwann knackt, weil er gerne wieder normal auf meiner Wirbelsäule sitzen würde anstatt so albern verschoben. Vermutlich steht mir auch der Mund offen und ich sehe wie ein kompletter Idiot aus. Das lohnt sich aber, auf jeden Fall für sowas wie das Werk von Martinů. Hier könnt ihr es hören. Falls ihr gerade keine halbe Stunde Zeit habt, nehmt den zweiten Satz, der beginnt hier bei Minute 9.
Vielleicht wollt ihr euch auch Frau Gabetta bei der Arbeit angucken. Ich habe wahllos Camille Saint-Saëns rausgegriffen, auf YouTube findet sich aber noch viel mehr von ihr.
In der Pause gab’s standesgemäß Häppchen und Rosésekt und wir unterhielten uns darüber, wieso wir, unabhängig voneinander, nicht viel früher schon einen Tisch für die Pause vorbestellt haben, egal wo. Ich stand immer ewig in der Opernpause am Sektstand an und schaffte es kaum noch, aufs Klo zu kommen, bis F. bei unserem ersten gemeinsamen Besuch einen vorbestellten Tisch vorschlug. Auf die Idee war ich noch nie gekommen, weil ich das irgendwie immer zu posh fand. Total bescheuert, denn man kommt entspannt an seinen Stehtisch, wo der Sekt auf einen wartet und muss nicht doof anstehen. Im Gasteig kostet das nicht mal einen Aufpreis, während man in der Oper ein bisschen mehr fürs Getränk zahlt. Egal. Ich habe mich daran sehr schnell gewöhnt und genieße das inzwischen sehr.
Nach der Pause gab’s noch Tschaikowskys 5. Sinfonie, die irgendwie durchrauschte. Hübsch halt, aber F. dachte laut Eigenaussage an Wohnungskram, während ich im Kopf mit Arbeit beschäftigt war. Die Zugabe habe ich nicht erkannt, aber ich würde auch auf Tschaikowsky tippen, denn auch Gabettas Zugabe war von diesem Komponisten. Die habe ich immerhin erkannt; es war Kuda, kuda aus Eugen Onegin, die einzige Arie, die ich mir aus dieser Oper mal gemerkt habe, als ich sie vor vielen Jahren in Berlin sah.