Tagebuch, Montag, 2. Juli 2018 – Stabi, Fuppes, Weizenbrot
Morgens zur Stabi geradelt, dabei wie üblich Monologe mit Autofahrern geführt: „Ja, klar, blink halt nicht, passt schon … nee, fahr ruhig bis an meinen Hinterreifen an der Ampel, dann bin ich garantiert schneller weg … ach, Sicherheitsabstand, das ist doch was für Anfänger, hast recht …“
Tief durchgeatmet, mich nicht ärgern lassen, auch nicht von den Radler*innen, die an einer Baustelle mal eben den Fußweg benutzten, ohne abzusteigen (ja, Kinder, das ist auch scheiße), an der Stabi aber schon keinen Platz mehr an den Fahrradständern gefunden, so voll war es morgens bereits. Mir fiel ein, dass das Semester ja gerade in die Endrunde geht – die Termine habe ich gar nicht mehr im Kopf, seit ich mich nicht mehr für Prüfungen anmelden oder Klausuren schreiben muss. Nur noch zwei Wochen, dann ist mein zweites Promotionssemester schon wieder rum bzw. die Zeit der Vorlesungen in diesem Semester. Nur noch eine Eichhörnchensitzung!
In der Stabi zwei Jahrgänge der Straße aus meinem Regal gezerrt und darin Aufsätze über die künstlerische Auseinandersetzung mit den Reichsautobahnen nachgelesen, die ich in Ansätzen schon aus anderen Werken kannte. In meiner üblichen Fußnotenfaszination über Paul Bonatz, einen der Hauptverantwortlichen für den Brückenbau der Autobahnen, gestolpert und über ihn ein paar Aufsätze gelesen, ich hab ja Zeit. Ein Zitat von ihm ist mir im Gedächtnis geblieben, ich las es, als ich gerade im ZI saß: Er meinte, die Architektur des „Dritten Reiches“ wäre quasi komplett Schrott, aber die beiden Führerbauten am Königsplatz in München seien wirklich gut gelungen. Als jemand, der dauernd in einem dieser Bauten sitzt, nicke ich das mal ab.
Außerdem blätterte ich in einigen Ausstellungskatalogen über die Neue Sachlichkeit und war wie immer hingerissen. Ich glaube, ich habe meine künstlerische Heimat gefunden. Aus Neugier und Interesse treibe ich mich in den späten 30ern herum, aber die 20er schaue ich mir immer gerne an. Praktisch, dass ich den Zeitumfang meiner Diss mal auf 1925 bis 1940 gesetzt habe, best of both worlds.
Neben mir blätterte eine junge Dame in diversen Jahrgängen der Brigitte und ich guckte ab und zu mal rüber – meist, wenn sie einen Karton öffnete, in dem ein Jahrgang lag, denn dann schwappte eine Welle modriger Luft zu mir rüber. Die Straße hat nicht so gestunken. Ich lasse das mal so stehen. Der junge Herr rechts von mir blätterte in gar nichts, er guckte sehr lange stumm auf irgendwelche Notizen, legte dann seinen Kopf auf seine Arm und ruhte sich ein bisschen aus.
Im Scanraum der Stabi gelernt: Man kann bei Overheadscannern die Platten, auf denen man die Bücher ablegt, seitlich hochklappen, so dass die Bücher nicht ganz flach liegen – gut fürs Buch (oder für einen Jahresband von Nazikram) und der Scan ist trotzdem plan. Wieder fasziniert von dieser Technik gewesen – und mich verschämt daran erinnert, dass ich bei der ersten Benutzung dieser Dinger die Bücher mit dem Schriftbild nach unten auf die Platten gelegt hatte, wie man das von Kopierern halt kennt und mich gewundert habe, dass ich immer nur den schwarzen Einband auf dem Vorschaubild hatte.
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Pünktlich zum Fußball zuhause gewesen, es aber nicht ertragen, Brasilien zuzugucken bzw. Neymar. Nebenbei Zeitung gelesen … oder nee, Zeitung gelesen und nebenbei stumm den Livestream laufen lassen. Das Daumendrücken für Mexiko hat nicht geholfen. Vor dem nächsten Spiel Masterchef Australia geguckt, dann erstaunt Japan zugeschaut und mich über die schöne, ruhige Hymne gefreut. Immerhin waren hier meine Daumen auf der Seite der Sieger.
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Mich den ganzen Tag von Cold Brew und belegten Broten ernährt, mein Weizenbrot hält sich sehr gut, wird nicht trocken und schmeckt auch nach Tagen noch super. Im Kühlschrank steht schon Buttermilch fürs nächste Rezept aus dem tollen Backbuch.