Tagebuch, Mittwoch, 15. August 2018 – Kein Feiertag
Im Gegensatz zum Dienstag, wo ich was zu feiern hatte und wo dementsprechend persönlicher Feiertag war, war gestern offizieller Feiertag in den katholischen Gegenden in Bayern (also auch in München), aber ich saß am Schreibtisch und tippte für Geld, weil jemand im Norden auf meine Texte wartet anstatt frei zu haben. Also eher weniger Feier-, sondern ein normaler Arbeitstag. Auch gut.
In den letzten Jahren hat sich mein Portfolio etwas erweitert. Wo ich früher ziemlich ausschließlich für die Autoindustrie tätig war, habe ich heute vermehrt Kunden aus anderen Branchen. Das ist lustig, weil ich mich so dauernd mit Themen beschäftige, über die ich manchmal noch nie nachgedacht habe. Manchmal sind es netterweise auch Themen, über die ich dauernd nachdenke wie Kaffee oder Tee, und ich will so dringend einmal für Schokolade Werbung machen, aber das hat bisher noch nicht geklappt. Außerdem kommen neuerdings eher kleinere Firmen oder Auftraggeber auf mich zu, was mir auch sehr gut gefällt, weil die linke Hand meist weiß, was die rechte tut. Das ist bei riesigen Kunden manchmal eher nicht der Fall. Oder es gibt zu viele Menschen, die eine Meinung zum Text haben. Abstimmungen gehen schneller, weil eben nicht fünf Abteilungen drei Sätze abnicken müssen, Korrekturschleifen sind kleiner, der Job eher erledigt.
Was mir bei meinen geistigen Ausflügen in die Welt der Kommunalverwaltung, der Windenergie oder der Dachziegelproduktion aufgefallen ist: Auch hier lege ich gerne Wissensbröckchen an Wissensbröckchen. Das kannte ich etwas anders aus der Automobilbranche, wo mein neues Wissen (aus einem neuen Briefing) mein altes Wissen (die tausend Kataloge, die ich schon geschrieben hatte) ergänzte. Hier kommt bei jedem Job ein neuer Aspekt dazu, der aber, warum auch immer, meine geistige Landkarte von Deutschland und seiner Industrie, seinem Handwerk, seiner Firmenkultur in kleinen Schritten vervollständigt. Ich lerne viel über interne Abläufe, bekomme aber auch mit, wer eigentlich was so macht an unserem Industriestandort. Ich lerne Branchen kennen, von denen ich vorher noch nie gehört hatte, und manchmal ergeben sich Überschneidungen – in der Arbeitsweise, in der Auftragsvergabe, in der Zusammenarbeit mit anderen Branchen. Es fühlt sich alles praktischer an, obwohl ich genau das gleiche mache wie früher – ich sitze an meinem Schreibtisch und tippe, ich schreinere weder Küchenzeilen noch erschließe ich Neubaugebiete. Aber irgendwie fühlt es sich mehr nach sinnvoller Arbeit an als früher, weil ich über Produkte schreibe, deren Nutzen sich mir inzwischen besser erschließt als der Nutzen eines Autos, das dringend 250 fahren muss, drei Tonnen wiegt und so groß ist wie früher ein Kleinbus.
Ich ahne inzwischen auch, warum mir die Wissenschaft so viel Spaß gemacht hat: weil ich auch hier die innere Landkarte der Kunstgeschichte mit jedem Seminar vervollständige. Klar ist feministische Performancekunst der 1970er Jahre was anderes als altniederländische Malerei, aber beides bewegt sich in einem bestimmten Bezugsrahmen. Und je mehr ich über das eine weiß, desto mehr fällt mir auch beim anderen auf.
—
Weiterhin Dissertationsmotivationsloch. Verdammt.
—
Die innere Anspannung der letzten Woche fiel gestern völlig ab, ich war um 22 Uhr komplett bettschwer. Mein Kopf aber noch nicht, und auf einmal hinterfragte ich wieder alles. Erst gegen 2 (glaube ich) eingeschlafen.
Als bei den „15 häufigsten Fehlern beim Einrichten“ der Satz „zu viele Bücher horten“ kam, habe ich aufgehört zu lesen.
— Anke Gröner (@ankegroener) 15. August 2018