The Day After Tomorrow

The Day After Tomorrow
(USA, 2004)

Darsteller: Dennis Quaid, Jake Gyllenhaal, Ian Holm, Sela Ward, Dash Mihok, Emmy Rossum, Kenneth Walsh
Musik: Harald Kloser
Kamera: Ueli Steiger
Drehbuch: Roland Emmerich, Jeffrey Nachmanoff
Regie: Roland Emmerich

Das Schöne an The Day After Tomorrow ist, dass Regisseur Roland Emmerich sich auf spannendere Bedrohungen für die Menschheit besonnen hat als doofe Aliens, die man mit lausigen Starfightern vom Himmel holen kann; dass weiterhin diesmal nicht die Amis die Welt retten, sondern sie im Gegenteil ziemlich (haha) kalte Füße kriegen und dass außerdem die Dialoge einen Hauch besser sind als z.B. in Independence Day oder dem Meilenstein an miesen Dialogen, Stargate. Das Dumme an The Day After Tomorrow ist, dass das immer noch nicht für einen guten Film reicht.

Auf Emmerich kann man sich ja verlassen: Wenn in seinen Filmen etwas passiert, dann immer in XXL. Seien es Godzilla, der den Madison Square Garden plattmacht oder eben ein paar Aliens, die das Weiße Haus in Trümmer legen – wenn schon, denn schon. Auch diesmal geht eine Menge zu Bruch, aber nicht durch Lebewesen, denen man schon irgendwie beikommen kann, wenn man nur genug Feuerkraft, markige Sprüche und amerikanische Flaggen dabei hat, nein, diesmal will Mutter Natur nicht mehr mitspielen. Genauer gesagt, der Golfstrom, dem wir unser gemäßigtes Klima verdanken. Durch die globale Erwärmung sind die Polkappen soweit abgeschmolzen, dass (ab hier Hirn ausschalten) die kalten Wassermassen das gesamte Klima beeinflussen. Kurz gesagt: Die Menschheit steuert auf die nächste Eiszeit zu. Und zwar nicht erst in ein paar Jahren, denn solange wollen wir ja alle nicht im Kino sitzen, sondern quasi übermorgen (cleverer Filmtitel, gell?).

Was also passiert? So ziemlich die gesamte Nordhalbkugel der Erde wird von Stürmen verwüstet, von Hagelschauern getroffen oder vereist in Sekundenschnelle – je nachdem, was den Charakteren gerade zustoßen soll. Können sich ein paar britische Hubschrauberpiloten nicht mehr vor der drohenden Vereisung in Sekunden retten, so haben im Gegensatz zu ihnen die Amerikaner ein paar Minuten mehr. Vielleicht liegt’s an der Zeitverschiebung, wer weiß das schon so genau. Vielleicht liegt’s auch, wie immer bei Emmerich, am arg durchgeplanten Drehbuch, das gnadenlos auf ein Ziel zusteuert. Alles, was sich dem in den Weg stellt, muss weichen. Die Logik sowieso.

Diesmal ist das Ziel die Versöhnung von Papa Dennis Quaid und Sohnemann Jake Gyllenhaal. Papa ist Klimatologe und warnt alle, die ihm zuhören wollen, vor der drohenden Eiszeit. Das Perfide an solch kalkulierten Actionfilmen ist, dass man schon nach fünf Minuten weiß, wie das Ding ausgeht. Natürlich hören die Wichtigen nicht auf Papa, natürlich fallen sich Sohnemann und Vater am Schluss in die Arme, natürlich passiert zwischendurch noch irgendwas, aber was, ist eigentlich egal. Gerade bei Emmerichs Filmen habe ich immer mehr das Gefühl, dass man sich die Dinger wegen drei schöner Effekte anguckt und den Rest halt irgendwie über sich ergehen lassen muss.

Umso mehr war ich darüber verwundert, dass Emmerich wirklich noch versucht, eine Botschaft unterzubringen. Von der augenfälligen „Habt mehr Respekt vor der Natur“-Message mal abgesehen, will er uns auch noch sagen, dass wir vielleicht doch alle Brüder sind. Im Kleinen wäre das die Geschichte mit dem Penner, der erst von allen abgewiesen wird und dann doch mit ihnen in der Bibliothek überwintern darf. Im Großen sind das die Massen von Amerikanern, die illegal über die Grenze nach Mexiko fliehen, um sich vor der Kaltfront in Sicherheit zu bringen. Und wer dieses Bild noch nicht kapiert hat, für den wird zum Schluss in der Ansprache des amerikanischen Präsidenten nochmal sinngemäß gesagt: Wir haben überlebt, weil uns Länder aufgenommen haben, die wir bisher als Drittweltländer bezeichnet haben. Ah, danke, jetzt hab ich’s verstanden.

Was The Day After Tomorrow davor rettet, eine komplette Gurke zu sein, sind – natürlich – die Bilder. Ich fand es sehr spannend, dass Emmerich aus täglich Gesehenem wie Wolken, Wellen oder Schnee Neues, Bedrohliches macht. Plötzlich kommt Wind nur noch als Tornado vor und zerstört mal eben das Hollywood-Sign (muss der Mann eigentlich immer Wahrzeichen ruinieren?). Plötzlich wird aus dem plätschernden Gewässer, das Ellis Island umspült, eine Flutwelle, die fast die Lady Liberty mitreißt. Und plötzlich ist die Stille, die von gigantischen Schneefeldern erzeugt wird, nicht mehr beeindruckend, sondern beängstigend. Vor allem, wenn noch die Spitze der Freiheitsstatue aus dem Schneefeld schaut.

Die Charaktere bleiben blass, wie immer, wenn die Bilder wichtiger sind und vor allem größer. Die Liebesgeschichte zwischen Jake und seiner Schulfreundin ist einem genauso egal wie das Schicksal des krebskranken Kindes, auf das die Mutter von Jake aufpasst. Ich finde es immer schade, dass Emmerich sich nicht auf zwei oder drei Figuren konzentrieren kann, sondern unbedingt die Tragweite der Katastrophe dadurch sichtbar machen will, dass er viele Handlungsstränge an vielen Orten stattfinden lässt. Dadurch müssen alle schablonenhaft platt werden, um möglichst schnell ihre Funktion zu erfüllen: die treusorgende Mutter, der entschlossene Vater (keiner schiebt seinen Kiefer markanter in die Kamera als Dennis Quaid), der großkotzige und zum Schluss reuige Vizepräsident … Emmerich legt teilweise interessante Charaktere an und lässt sie dann einfach verhungern. Was hätte der Mathe- und Computer-Nerd mit seinem Wissen alles anstellen können außer ein Radio zu reparieren? Wieso ist die Mutter, die dem kranken Kind etwas vorliest, Ärztin? Das hätte auch eine Putzfrau hingekriegt. Wieso muss der alte Kumpel von Quaid das Zeitliche segnen, und wieso berührt mich das nicht mal? Es gibt Actionfilme, die mehr aus ihren Figuren herausholen wie z.B. The Core, dessen Geschichte noch dämlicher ist als die hier, wo aber die Personen ein Herz zu haben scheinen und auch weniger Einzeiler aufsagen müssen.

Die einzige Figur in The Day After Tomorrow, die mich berührt hat und um die ich trauern konnte – denn natürlich bleiben einige der Helden auf der Strecke – war der britische Wissenschaftler, der wundervoll von Ian Holm verkörpert wird. Er schafft es sogar, auf die Menschheit anzustoßen, ohne dabei pathetisch zu wirken. Die Szene, in der drei englische Klimatologen auf ihr sicheres Ende toasten, war überhaupt eine, die zeigt, wie es hätte gehen können. Der eine stößt, worauf auch sonst, auf “England!” an, dann folgt Holm besonnen mit “To mankind!”, worauf der dritte, Bodenständige fast trotzig “To Manchester United!” ausstößt. Die drei haben es in ihrer begrenzten Zeit geschafft, ein weites Spektrum an menschlichen Gefühlen auszuloten, zu zeigen, dass natürlich das große Ganze wichtig ist, aber eben auch das Kleine, Persönliche. Ihre Hintergrundgeschichten, wenn auch nur sehr, sehr kurz angerissen, und ihre Dialoge waren einfach erfrischend normal und doch von soviel Humanität geprägt, dass ich mir vom nächsten Emmerich-Film wünsche, er würde mal in Europa spielen. Wir haben hier auch ein paar Staatsoberhäupter, die nicht zuhören wollen, und den Eiffelturm zusammenzufalten, sähe bestimmt auch ganz nett aus.

The Day After Tomorrow reißt sich ein bisschen mehr zusammen als Independence Day. Die Dialoge verzichten auf Ekliges wie “I love you, Dad”, sondern schneiden stattdessen sogar Themen an, die man nicht unbedingt in einem Katastrophenfilm erwartet. Ich hätte jedenfalls nicht mit einer Diskussion um Nietzsche, die Gutenberg-Bibel und die Rettung der Zivilisation gerechnet. Ja, sie war kurz, aber sie war immerhin da. Der Film hat weniger Heldenmut, weniger Stars & Stripes und kein „Jetzt zeigen wir’s dir aber, du Scheißsturm“. The Day After Tomorrow ist ruhiger, nachdenklicher, fast demütig vor der Macht des „Feindes“. Das reicht zwar nicht, um ihn wirklich einen guten Film zu nennen, aber er lässt sich angenehmer überstehen als die meisten Filme, die Emmerich in den letzten Jahren gemacht hat.

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