Tagebuch Mittwoch, 12. Dezember 2018 – Schöner Alltag

Gemeinsam aufgewacht. Den ganzen Tag am Schreibtisch verbracht und konzentriert gearbeitet. Mich dabei über guten Tee, die schöne Sternenlichterkette im Fenster, das winzige Weihnachtsbäumchen auf dem Tisch (Gastgeschenk vom Samstag) und viele Ideen gefreut. Davon hätte ich heute gerne nochmal dasselbe. Das gemeinsame Aufwachen hat schon mal geklappt. Gib alles, Universum!

In der Mittagspause meine Alugrafie von Leo von Welden vom Rahmen abgeholt. Ich beschrieb letzte Woche das ausführliche und kenntnisreiche Beratungsgespräch, und jetzt wo ich den Welden gerahmt vor mir sehe, kann ich den Laden sehr weiterempfehlen: Das war die winzige Werkstatt Bild & Rahmen in der Schleißheimer Straße (keine Website, daher die eher unaussagekräftige Yelp-Seite).

Gestern war es schon zu dunkel, um es anständig an der Wand zu fotografieren, an der es demnächst hängt, deswegen steht es hier auf einem Stuhl im Flur und kriegt künstliches Licht ab. Das Hintergrundpapier ist dunkelgrau, nicht schwarz, was das Schwarz der Alugrafie noch dunkler wirken lässt, und ich bin wirklich froh über die Rahmenwahl. Der ist zwar brandneu, sieht aber nicht so aus, und das passt gut zum Stil des Bildes. Auch dass man die nicht gerade untere Kante sieht, weil die Rahmerin mir ein Passepartout ausgeredet hat, gefällt mir außerordentlich gut. Ich habe für die Arbeit mit Material und allem 159 Euro bezahlt und finde das sehr gerechtfertigt.

Ich wartete den ganzen Tag auf ein DHL-Paket, das nicht in eine Packstation geliefert werden konnte. Erst als ich um 19 Uhr fettglänzend am Herd stand, klingelte es. Dafür dass der Lieferant vermutlich schon sehr lange unterwegs war, hatte er bemerkenswert gute Laune. Dankeschön!

Abends hatte sich F. zum gemeinsamen Essen angekündigt. Inzwischen habe ich mich in Salz. Fett. Säure. Hitze weiter vorgearbeitet – okay, und ein bisschen vorgeblättert – und halte mich seit einigen Tagen an die simple Regel: Vertrau deinen Kocherfahrungen mehr als Minutenangaben in Rezepten. Außerdem hatte ich von Samin Nosrat auch in ihrer Netflix-Serie gelernt: Fleisch ewig früh salzen.

Ich dachte gestern über bayerische Küche nach und dann über spanische, weil mir F. das Kochbuch Basque von José Pizarro geschenkt hatte. Im bayerischen Kochbuch fand ich, dass man Fleisch auch mal fünf Minuten vor dem Braten salzen könne, während Nosrat dafür plädiert, es einen Tag früher zu salzen als es in die Pfanne kommen soll. Ich kaufte zwei Rumpsteaks mit ordentlichem Fettrand und salzte sie, direkt nachdem ich wieder zuhause war, gut zwei Stunden, bevor ich sie braten wollte. So konnte ich beobachten, dass das Fleisch dunkler wurde bzw. sein Rotton ging ins Burgunderrot über, wo er vorher frisch rot, fleischigrot halt gewesen war. Die Oberfläche wurde glänzender und weniger definiert. Ich weiß noch nicht genau, welche chemische Reaktion da stattgefunden hat, aber das Endergebnis überzeugte mich sehr vom frühen Salzen.

Das Rezept in Basque wollte T-Bone-Steak, aber daran traue ich mich noch nicht heran. Überhaupt habe ich mich ewig nicht mehr an kurzgebratenes Rindfleisch gewagt, weil ich in den letzten Jahren diverse Stücke ruiniert hatte. Egal ob ich nach Gefühl oder Minutenangaben kochte und briet, egal wie oft ich bei Masterchef sehen konnte, was Köche und Köchinnen mit Steaks machen, damit sie gut werden – ich selbst habe noch nie ein gutes hinbekommen. Meist waren sie zu durch und schmeckten nach nichts. Gut, letzteres kann am Fleisch selbst gelegen haben. Erst seit ich ein bisschen darauf achte, was ich so in mich hineinwerfe, gebe ich ordentliches Geld für ordentliches Fleisch aus. Aber Steaks habe ich, wie gesagt, ewig nicht mehr gemacht, weil ich davon ausgegangen bin, das Geld zum Fenster rauszuschmeißen, weil ich das Fleisch nicht vernünftig braten kann.

Ein Nebeneffekt des Buchs von Nosrat ist, mir selber wieder zu trauen, eher auf Erfahrungswerte zu setzen, auf Geruch und Optik, auf die gute alte Fingerprobe beim Steak und nicht auf meinen iPhone-Timer. Also gab ich anständig Geld aus, salzte die dicken Steaks und ließ sie dann bei Raumtemperatur rumliegen, während ich eine Salsa zubereitete, die Basque dazu vorschlug. Dazu eine Schalotte in richtig viel Olivenöl sanft anbraten, dann zwei gehackte Knoblauchzehen dazu, 300 g grob gehackte Cherrytomaten, 6 Anchovis (einfach so, wie sie sind) und die abgeriebene Schale einer Zitrone. Die Kochanweisung dazu lautete, ganz im Sinne von Nosrat: so lange braten, bis die Tomaten weich, aber noch nicht matschig sind und die Anchovis zerfallen. Ich wusste gar nicht, dass Anchovis in der Hitze zerfallen, aber Überraschung, genau das taten sie. Ich kostete brav mehrfach die Salsa und salzte nur wenig nach, weil das die Anchovis schon gut erledigt hatten, und freute mich über den irre frischen Kick durch die Zitrone. Erst abends am Tisch fiel mir auf, dass die Salsa von Pizarro alles verband, was Nosrat predigt: Salz, Fett, Säure und Hitze.

Aus Nosrats Buch hatte ich auch gelernt: Wenn du keinen Profigrill zuhause hast, aber eine richtig heiße Pfanne brauchst – wie für Steaks zum Beispiel –, dann stell sie doch einfach in den heißen Ofen, bevor du sie auf den Herd packst. Genau das tat ich. Ich habe immer noch keine gusseiserne Pfanne, weil ich ja immer dachte, die brauche ich nur für Steaks und die kann ich ja nicht, aber die kommt jetzt sofort auf den Weihnachtswunschzettel. Gestern nutzte ich wie immer meine Edelstahlpfanne, Hauptsache, nichts Beschichtetes, soviel wusste ich auch schon. Der Ofen lief auf 200 Grad, die Pfanne blieb 15 Minuten drin, ich legte die Ofenhandschuhe sehr, sehr sichtbar in meine Augenlinie, um sie bloß nicht zu vergessen, wenn die Pfanne auf dem Herd stand, schloss die Küchentür, öffnete das Küchenfenster sehr weit, warf die Abzugshaube an und betete zu den Rauchmeldergöttern, mich zu verschonen. Ich salzte das Fleisch noch einmal, kein Pfeffer, Sonnenblumenöl in die Pfanne, das quasi sofort zu rauchen begann, ich wartete trotzdem noch ein winziges bisschen, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass es echt in Millisekundenschnelle heiß genug für das Fleisch war, ich probierte es mit einem Holzstäbchen, das sofort Blasen warf und ergab mich in mein Schicksal: Fleisch in die Pfanne! Ahoi!

Man konnte der Maillard-Reaktion quasi zugucken! Es roch von Anfang an deutlich anders als sonst: kräftiger, fleischiger, würziger, aber nicht verbrannt oder rauchig. Ich guckte nicht auf die Uhr, sondern auf die Oberfläche des Fleischs. Als ich der Meinung war, ich könnte es wenden, tat ich genau das, freute mich über eine herrliche Unterseite, guckte dem Fleisch weiter zu, wagte es irgendwann, den Finger aufs Fleisch zu drücken, um zu prüfen, ob es medium war, meinte medium zu spüren, und stellte die Pfanne in den weiterhin auf 200 Grad bullernden Ofen.

Währenddessen schraubte ich einen Tempranillo auf und ließ F. schon mal das Salatdressing kosten. Natürlich hatte ich wieder eine Majo gemacht und das Caesar-Dressing, weil ich dachte, wenn in der Salsa Anchovis und Zitrone drin sind, dann passt das Dressing zum grünen Salat ja super. Tat es auch. Gestern brauchte ich allerdings vier Versuche für die Majo; das erste Mal letzte Woche war anscheinend pures Anfängerglück. Gestern verbanden sich Eigelb und Öl zunächst nicht, die Majo blieb viel zu flüssig. Keine Ahnung, ob man das noch hätte retten können, aber ich stellte die Schüssel weg, nahm eine neue, schlug ein neues Eigelb auf und gab Öl dazu. Das klappte ganz gut, dann kippte ich zuviel Öl auf einmal zur Masse und sofort geronn alles. Aber ich hatte ja schon gelernt: Das kriegt man wieder hin! Die dritte Schüssel aus dem Schrank geholt, einen halben Teelöffel sehr heißes Wasser dazu, die kaputte Majo tropfenweise dazugeben und schlagen, bis der Arm abfällt! Das klappte so gut, dass ich auch hier plötzlich zu viel Masse dazugab, worauf wieder alles geronn. Die vierte Schüssel aus dem Schrank geholt, alles nochmal, mein rechter Arm ist inzwischen doppelt so dick wie mein linker, aber ich hatte endlich perfekt cremige Majo, die ich mit Zitrone, Essig, Anchovis, Parmesan, Knoblauch und Worcestersauce abschmeckte. Sie brauchte kein Extrasalz mehr, weil ich mich inzwischen traue, von allem anderen Salzigen genug in die Fett-Ei-Mischung zu werfen.

Das Steak war meiner Meinung nach fertig, keine Ahnung, wie lange es im Ofen gewesen war, darauf könnte ich vielleicht beim nächsten Mal achten; nun hob ich es aus der Pfanne und ließ es zehn Minuten lang rumliegen. Nach der Ruhezeit kam es mit Salat und Salsa auf den Teller, ich fotografierte, ohne wirklich auf Winkel und Bildausschnitt zu achten, denn OMG Hunger! und schnitt das Fleisch an. Eine herrliche Kruste, nicht zu fest, nicht zu nachgiebig. Das Fleisch war ein winziges bisschen über Medium drüber, aber noch deutlich rosa, und es schmeckte herrlich. F. meinte, das sei das beste Steak, was er je außerhalb eines Restaurants aus einer Pfanne und nicht vom Grill gegessen habe und nein, das liegt nicht daran, dass der Mann mich toll findet! Glaube ich jedenfalls, ich wollte nicht nachfragen, sondern nur stumm mein Fleisch genießen. Die Salsa dazu war hervorragend, die kann ich hiermit auch locker weiterempfehlen. Stelle ich mir zu Fisch fast noch besser vor. Sogar der Fettrand, den ich vorher eingeschnitten hatte, war knusprig geworden, wie beim guten alten bayerischen Schweinebraten! Very happy Anke.

F. guckte noch das Bayernspiel auf meinem Laptop, ich räumte die Küche wieder in einen menschenwürdigen Zustand und fiel dann sehr müde ins Bett. Eigentlich nur ein normaler Alltag, Arbeiten, Einkaufen, Kochen, aber er hatte sich sehr gut und rund und voll angefühlt.

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