Tagebuch Samstag/Sonntag, 25./26. Juli 2019 – Wochenende
Die letzten beiden Wochenenden war ich in der alten Heimat, um meiner Familie etwas unter die Arme zu greifen und das Väterchen im Krankenhaus zu besuchen. Dieses Wochenende war ich müde von allem und konnte mich daher am Samstag erst am späten Nachmittag dazu durchringen, ein seit Monaten geplantes großes Fest zu besuchen. Im Nachhinein war ich sehr froh, mich aufgerafft zu haben, denn ich hatte den besten Tisch des Abends. Logisch. (Es gab Widerrede.)
Mit den zwei charmanten Herren neben mir fand ich endlich Menschen, die den Schlingensief-Parsifal in Bayreuth genauso doof fanden wie ich. Ansonsten wurden am Tisch erstmal die Vereinspräferenzen geklärt – Bayern, Augsburg, einmal HSV, aber der Herr kam in Tracht, war also offensichtlich assimiliert und rollte auch nur müde mit den Augen, als man ihn auf seinen Verein ansprach. Dann wurden diverse Toralarme auf den Handys aktiviert, damit man mitkriege, wie hoch Leipzig im DFB-Pokal-Finale gegen Bayern bitte verlieren möge. Das klappte ganz hervorragend. (3:0.)
Irgendwann wurde die kleine Kapelle, die uns beim genüsslichen Buffetleeräumen begleitete, von einem DJ abgelöst, wir gingen von der Empore mit den Tischen nach unten ins geräumige Foyer, ich rauchte die erste Zigarette des Jahres – so selten wie ich auf Feierlichkeiten gehe, wird es vermutlich auch die einzige bleiben – und genoss im Laufe des Abends drei Cosmopolitans. Ich schnackte mit diversen Menschen, die ich aus dem Interweb kannte oder die mich lasen und mich nun ansprachen. Fangirls begrüßt, selbst Fangirl gewesen, immer lustig mit uns Blogfuzzis. Ãœber die Rente gesprochen, wie’s Hamburg so geht, Fragen nach meinem Vater beantwortet, auch mit Menschen geredet, die ich noch nicht kannte, alles nett und unaufgeregt, man musste an keinen peinlichen Spielchen teilnehmen oder mies getimten Gruppenaktivitäten, jeder konnte einfach sein Ding machen, wie entspannend das war im Gegensatz zu vielen durchchoreografierten Hochzeiten.
Um kurz nach Mitternacht war ich dann durch mit Reden und Trinken und Rumstehen, verabschiedete mich von den fünf Menschen, in deren Traube ich gerade stand und ging schnell und still nach Hause.
Nebenbei: tollste Location! Ich wusste gar nicht, dass man die privat anmieten kann, ich kannte die bisher nur als einen Ort, an dem ich mal einem Vortrag über die digitale Vermessung von ägyptischen Ruinen zugehört hatte.
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Herr F., die alte Feiernase, blieb natürlich länger, daher schlief ich allein, was aber auch schön war. Entspannt und spät erwacht, die restliche Samstagszeitung gelesen und dann nur noch die Nase in einem Buch oder auf meiner digitalen Farm gehabt.
Am frühen Nachmittag was gekocht, nachdem ich morgens nur den üblichen Kaffee hatte, und auf Insta einen Kommentar bekommen, der garantiert lustig gemeint war, der mich aber total auf dem falschen Fuß erwischte. Anscheinend fasst mich alles an, was irgendwie darauf anspielt, was ich esse, wann ich esse, wieviel ich esse und warum. Stundenlang überlegt, das Bild zu löschen, damit auch der Kommentar verschwindet, dann beschlossen, es stehenzulassen. Darüber nachgedacht, keine Essensfotos mehr zu posten, damit diese Gefahr gleich gebannt ist, aber ich mag gerade die Essensbilder so gerne, weil sie mir selbst zeigen, was sich ändert. Betrübt darüber gewesen, dass Essen anscheinend noch immer nicht unproblematisch ist, obwohl es doch schon so viel besser geworden ist und ich es mir schon lange als Genuss zugestehe. Es bleibt kompliziert.