Tagebuch, Sonntag/Montag, 7./8. Juli 2019 – Kochfreuden
Da ich Samstag einen Lost-Marathon startete, den ich aber vermutlich nicht fortsetzen werde, hatte ich Sonntag fünf Zeitungen zum Nachlesen. Irgendwie war ich während der Woche nicht so recht in Laune gewesen, und so las ich stundenlang Politik und Feuilleton nach, blätterte die Wirtschaft durch und warf Finanzen und Sport ungelesen ins Altpapier.
Den Nachmittag verbrachte ich dann entweder fußballschauend oder kochend. Die USA schlugen die Niederlande im Finale der Fußball-WM, und mir geht das ewige „U-S-A!“ von den Rängen so auf den Zeiger! Ich hätte es Cholland auch gefühlt ein bisschen mehr gegönnt zu gewinnen, aber dann wären mir die vielen schönen Think Pieces zu den US-Damen entgangen. Die New York Times konnte mich über die Sprechchöre nach dem Finale aufklären, die ich nicht verstanden hatte: „Equal Pay!“ Hört man ja auch nicht alle Tage im Stadion. Die US-Damen verklagen nämlich gerade ihren Verband auf mehr Geld, auch weil sie deutlich erfolgreicher sind als die Herren, die trotzdem mehr Kohle bekommen.
In der Washington Post konnte man schon nach dem Viertelfinalsieg gegen Frankreich lesen, dass es den Frauen um mehr geht: Wer will schon equality, diese konservative Idee, nach der Frauen irgendwie zu den Männern aufschließen müssten. Wir machen das mal anders. Unter anderem dieses Zitat fand ich schön:
„It’s time to discard, finally, the nagging, jersey-tugging, chronic, small-minded doctrine that we must “contextualize” everything the U.S. women’s national team does as “relative” to the men’s game, and therefore they must be smaller, lesser. Sweet kicking Jesus, what titans these players are. Mental giants who show up big under unimaginably hot lights of controversy. Drivers of explosive new TV ratings, not just in America but in France, England, Germany, Brazil, Italy, with a billion viewers predicted by the end of the tournament.
All they’ve done is basically build a worldwide sport in less than two decades. The NFL needed 100 years to get into the public consciousness this way, the NBA 75. How about, just once, we marvel at what this women’s program has accomplished without all the “yeah buts.” […]
Real power is self-ownership — uncomplaining, unwhining pleasure in self-fashioning and rejecting victimhood. That’s what Rapinoe has, and it’s worth admiring no matter how much you may disagree with her specifics. The audience senses the strength of that self-ownership, and it’s why that audience keeps growing no matter Rapinoe’s trip-wire quarrels with the White House, or her self-professed “fabulous” gayness, or her expletives. Rapinoe did with Trump what an entire league of billionaire NFL owners couldn’t. She handled that guy.“
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Vor dem Spiel, in der Halbzeit und danach bereitete ich drei Kleinigkeiten für F. und mich zu. Der Herr schleppte einen Kracher-Rotwein dazu an – merke: mehr Montefalco Sagrantino trinken – und wir ließen uns Torta di melanzana, Peperonata sowie Kartoffeln mit Zucchini und Rosmarin schmecken.
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Gestern kam ich nach einer unruhigen Nacht nicht so richtig in Fahrt, trödelte ewig rum und raffte mich vormittags schlussendlich nur zum Einkaufen auf. Aber dafür mal was Anständiges: Ich traute mich an einen echten Fisch ran und nicht nur an die Tiefkühlblöcke. Ich ließ mir vom Fischhändler erklären, wie man einen Fisch filetiert, schaute ihm zu, kaufte dann brav die Filets und nahm mir fürs nächste Mal vor, einen ganzen Fisch zu kaufen, allerdings schon ausgenommen und entschuppt, wir wollen es ja nicht gleich übertreiben. Als ich meinte, mir täten die Fische so leid, wenn ich sie vermutlich zerhacke, weswegen ich sie mir lieber vorbereiten lasse, meinte er sehr richtig, das sei alles Übungssache. „Von den ersten dreien kochen Sie vielleicht Fischfond, aber das wird. Und sie sind ja schon tot, die merken das nicht mehr.“ Na gut.
Zuhause guckte ich ernsthaft Videos, wie man Fisch auf der Hautseite anbrät und lernte auch, dass man diese am besten einritzen sollte. Unter der Haut ist eine kleine Transchicht, und die brät quasi raus, wenn sie raus kann.
Als F. abends vorbeikam, hatte ich die Reste von vorgestern aufgewärmt und noch einen kleinen Salat mit Caesar Dressing gemacht. Majo klappte beim ersten Versuch, wie beim letzten Mal auch schon. Seit ich mir dauernd sage, ach, die kippt eh gleich rum, kippt sie nicht mehr um. Negative thinking! Ich bin da an was ganz Großem dran.
Was ich außerdem lernte: Fisch auf der Hautseite anbraten ist TAUSENDMAL EINFACHER als die blöden hautlosen Tiefkühlviecher! Durch die Haut bleibt der Fisch vor vornherein eher ganz beim Wenden, und so dünn wie die Wolfsbarschfilets waren, musste man sie eigentlich sowieso nicht wenden (auch das lernte ich in einigen Videos). Ich wendete sie trotzdem und das ging ohne Ankleben am Pfannenboden und ohne Stress. Wieso habe ich damit nicht viel früher angefangen? Unnötig zu erwähnen, dass sie ganz hervorragend geschmeckt haben.
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Ansonsten viel über Papa nachgedacht und traurig gewesen und überfordert von dem ganzen System an Reha, Krankenkassen, Pflegegraden und Scheiß. Gut, dass meine Eltern mit einer Ärztin befreundet sind, die neben ihnen wohnt – die wird derzeit dauernd von Schwester und Mütterchen nach Dingen gefragt und ist sehr hilfsbereit. Hadere zum ersten Mal in meinem Leben mit unserem Gesundheitssystem.
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Nachmittags saß ich mal wieder an der Diss, bei der ich jetzt im sogenannten Mittelteil angekommen bin – ich sehe den Anfang nicht mehr und das Ende noch nicht und habe das Gefühl, nur Quatsch zu schreiben und überhaupt braucht das auch alles kein Mensch, was ich hier mache. Das sei total normal, versichern mir alle Leute, die schon einen Doktortitel haben. Macht es aber auch nicht einfacher.
Die thematische Struktur hatte ich ja vor Wochen zugunsten einer chronologischen aufgegeben und jetzt merke ich langsam, dass vielleicht eine Mischform aus beiden das ideale sein könnte. Könnte. Weiß ich natürlich nicht. Muss ich erstmal aufschreiben. Hmpf.
Ich beendete gestern vorerst das Kapitel zu Jugend, Ausbildung und ersten Ausstellungen und Verkäufen, das bis 1925 ging und begann mit dem Kapitel 1926 bis 1933. Das hat schon 20 Seiten, ist aber noch längst nicht anständig ausformuliert, sondern eher eine lose Stoffsammlung und ein Berg von Notizen. Aus denen machte ich gestern hübsche Sätze wie zum Beispiel den hier, den ich auch vertwitterte, falls ich ihn wieder rausschmeiße: „Das ‚famose Fruchtstilleben‘ [Zitat aus einer Ausstellungsrezension] ist vermutlich ‚Stilleben mit Gurken‘ (zwischen 1925 und 1927, WV 126, 49 x 49 cm).“
Ich wühlte mich durch diverse Rezensionen, suchte die erwähnten Bilder und versah sie im Text mit Erstellungsdatum, Werkverzeichnisnummer und Maßen, falls vorhanden. Das Jahr 1926 ging recht schnell, da war noch nicht viel, aber 1927 stellte Protzen erstmals im Glaspalast aus. Die Kataloge zu den Glaspalast-Ausstellungen sind netterweise alle online; hier die Seite, auf der Protzen erwähnt wird. 1927 stellte er acht Bilder aus; Dischmatal mit Scaletta, Apenninlandschaft, Rast sowie Davoser See fand ich im Werkverzeichnis, Monreale/Sizilien, Posilippo/Neapel, Bei Florenz I sowie Certosa allerdings nicht. Aber der Begriff Certosa kam mir irgendwie bekannt vor … bis mir einfiel, dass ich genau dieses Werk letzte Woche im Lenbachhaus in der Hand gehabt hatte. Ich hatte Bilder in der Hand, die 1927 im Glaspalast gehangen haben! Ja, das klingt für die meisten von euch vermutlich total egal, aber ich hatte wieder diesen Hauch-der-Geschichte-Moment, den ich bei Originalen des Öfteren habe.