Tagebuch Mittwoch, 31. Juli 2019 – Immer noch Archivglück
Okay, im Vergleich zu vorgestern war das gestern etwas mühseliger, weil ich bei jeder Kiste, die ich vom Rollwägelchen mit Protzens Nachlass runternahm, dachte, kennste schon, haste schon gesehen, haste fotografiert, haste zuhause schon stundenlang drüber gebrütet. Aber wie bereits des Öfteren erwähnt, sieht man dann doch immer noch was Neues, auch wenn es nur noch kleine Details sind und keine irren Entdeckungen. Mit denen rechne ich auch nicht mehr wirklich. Meistens war ich nur damit beschäftigt, im Text Fußnoten zu ergänzen, wo bisher nur stand „Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Deutsches Kunstarchiv, Nachlass Carl Theodor Protzen, Box ???“ und dann das betreffende Stück. Ich habe in den letzten Tagen viele Fragezeichen löschen können.
Um den Kopf ein bisschen abzulenken, bat ich um zwei Stücke aus dem riesigen Nachlass der Galerie Heinemann, der netterweise vernünftig verzeichnet ist, und konnte so noch zwei Dinge im Text ergänzen, die bisher noch mit „Originalquelle einsehen!“ markiert waren. Und nebenbei fand ich Dinge, die ich nicht auf dem Plan hatte, wie immer. (GEHT MEHR IN ARCHIVE!)
Außerdem erfuhr ich von der freundlichen Ansprechdame, dass die drei Maler, deren Nachlass ich in der Onlinesuche bei zweien als unverzeichnet interpretiert hatte, immerhin schon in Listenform aufgearbeitet waren. Ich muss also nicht selber in Kisten wühlen, um zu wissen, was Anton Leidl, Carl Otto Müller und Alwin Stützer hinterlassen haben, sondern kann erstmal ein paar DIN-A4-Seiten durchlesen. Das erbrachte leider das erwartete Ergebnis: Die Herren haben irgendwie, keine Ahnung warum, wie konnte das nur passieren, huch, große Lücken zwischen 1930 und 1950 und es finden sich nur ein paar sporadische Funde, von denen sie vermutlich ahnten, dass sie damit nicht so recht durchkommen, wenn die fehlen (Spruchkammerbögen, Ausstellungskataloge aus der NS-Zeit). Bei Herrn Stützer sind immer noch noch Tagebücher da, und genau da werde ich heute oder morgen mal reinschauen – und vorher beten, dass der Mann kein Sütterlin mehr geschrieben hat. Bei Protzen habe ich Glück, der schrieb so ein Mittelding zwischen Sütterlin und heutiger Schreibweise, das kann ich lesen.
Sehr matschig im Kopf und sehr hungrig um halb vier Feierabend gemacht. Ich arbeite durch, weil ich weiß, wie wenig Zeit ich habe, aber gestern dachte ich so gegen kurz nach drei, wärste man gegen eins auf einen Kaffee rausgegangen, dann könntest du jetzt besser denken.
Wie gut, wenn man abends mit einem charmanten Herrn zum Essen bei einem netten Italiener verabredet ist. Danach war mein Kopf auch wieder da, und so konnte ich im Hotel noch ein paar Textblöcke aufräumen. Spaßeshalber zählte ich dann mal wieder die Seiten zusammen, die ich bisher aus NICHTS, wie ich ja gerne rummeckere, zusammengekloppt habe. Ich bin dann jetzt bei 101, und ich bin immer noch nicht im Kapitel mit den Autobahnbildern. Ähem.