Was schön war, Samstag/Sonntag, 9./10. November 2019 – Diss und das (sorry. Es ist Montag)
Samstag versucht, sowohl die Tweets zur Pogromnacht als auch zur Maueröffnung zu ignorieren, weil mich beides gerade auf unterschiedliche Weise anfasst. Abends dann doch schwach geworden und YouTube-Clips von der Bornholmer Straße geschaut. Doch wieder geheult, weil ich mich noch an meine damalige völlige Fassungslosigkeit erinnere, mit der ich, zwanzigjährig, alles mitbekam und trotzdem nicht glauben konnte, was sich da entwickelte. Dass aus zwei deutschen Staaten wieder einer werden würde, hätte ich nie geglaubt. Aber darüber, wie sich dieses Land entwickelte, könnte man mal wieder nachdenken.
Dazu las ich dann Sonntag dieses gute Essay: Revolution ohne Helden.
„Die offizielle Gedenkwoche der Bundesregierung in diesem Jahr trägt den Titel “30 Jahre friedliche Revolution – Mauerfall”. Die offizielle Website dieser Gedenkwoche aber heißt nur noch: “mauerfall30.berlin”. So ist es oft: Der Mauerfall rückt ins Zentrum und alles wird seltsam körperlos. Am 9. November 1989 fiel die Mauer. Mit der Wende kam die Einheit. Als wäre der Weltgeist in dieses Land gefahren. Als hätten nicht Menschen gehandelt. Als lasse sich eine Revolution ohne Revolutionäre auch nur denken. […]
Manche Revolutionen, wie die in Frankreich und den USA, haben das westliche Verständnis von Geschichte und Politik grundlegend verändert. In vielen Ländern sind Revolutionen selbstverständlich Teil des kollektiven Selbstverständnisses. Revolutionsgeschichten, die sich herausgebildet haben, kreisen um handelnde Personen, um Helden, um Revolutionäre. […]
Selbst die Novemberrevolution 1918, diese merkwürdig vergessene deutsche Revolution, hat ihre ikonischen Momente, hat Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, hat Philipp Scheidemann, der vom Balkon des Reichstags die Republik ausruft. Heute kann man hinter diesem Balkon als Abgeordneter im Restaurant sitzen. […]
In der Schlüsselszene der Revolutionsgeschichte von 1989 verkündet Politbüromitglied Günter Schabowski im grauen, etwas zu großen Anzug die Öffnung der Grenzübergänge, kratzt sich auf Nachfrage am Kopf, und sagt dann: “Das tritt, nach meiner Kenntnis ist das sofort, unverzüglich.” Man kann nicht einmal sagen, dass dieser Satz von der Revolution geblieben ist, weil ihn kein Revolutionär gesprochen hat und weil es nicht einmal ein Satz war. […]
Dass es im kollektiven Gedächtnis keine eindeutigen Führungsfiguren gibt, mag auch an denen liegen, die dazu hätten werden können – Menschen, die heute “Bürgerrechtler” heißen, nie “Revolutionäre”. “Die haben allesamt darauf verzichtet, sich vorzudrängen”, sagt Schulz. Aram Radomski, der die Leipziger Montagsdemo vom 9. Oktober filmte und damit in die Welt trug, sagte einmal: “Manchmal stört es mich, wenn ich deswegen zu einem Symbol gemacht werde. Das bin ich nicht.”
“Für viele war auch das Parteiensystem nicht geeignet, ihre Vorstellung von Politik umzusetzen, wie für Bärbel Bohley”, sagt Roland Jahn. Bohley, Mitbegründerin des Neuen Forums, ging in den Neunzigern nach Bosnien. In der Bundesrepublik spielte sie keine herausgehobene Rolle mehr. […]
Die friedliche Revolution fraß ihre Kinder nicht, sie löste nur alles auf, worin die Kinder waren. Wie oft gibt es das, dass ein Volk eine Revolution macht und dann wird es geschluckt? Dass Revolution nicht der Beginn von etwas ist, sondern vor allem das Ende?
Westdeutschland nahm die DDR in sich auf und das Ergebnis war kein neues Land, sondern das alte, mit ein paar neuen Menschen.“
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Den Rest des Tages verbrachte ich mit schönem Kleinkram: Ich machte den Balkon winterfertig, sagte traurig meinen einjährigen Blumen Auf Wiedersehen, topfte die Kräuter um, die ich in die Küche retten wollte und putzte den Balkon, bevor es draußen frostig wird.
Dann buk ich Kekse, abends gab’s ein Grilled Cheese und dazwischen schaute ich die neuen Folgen Masterchef – The Professionals, was ich sehr gerne mag (totale Ãœberraschung). Dort stellen sich Köche und Köchinnen den Juror*innen; ihre erste Runde ist immer, einen Klassiker zuzubereiten, ich bloggte bereits mal darüber. Ich finde es immer spannend, wie Profis an eigentlich simple Dinge wie eine Hollandaise rangehen und freue mich grundsätzlich über die Erklärungen dazu, warum sie jetzt was machen und warum was eben nicht.
Ansonsten gab es die ersten vier Folgen von The Morning Show mit Jennifer Aniston und Reese Witherspoon, der neuen Flagship Show von Apple TV. Ich kann mich noch nicht entscheiden, ob ich die Serie mag oder nicht; zwischendurch kommt was, das mir gefällt, aber meistens frage ich mich, was ihr da gerade zu Problemen aufbauscht, die keine sein müssten, wenn man kein Drehbuch für eine Stunde Folge vollkriegen müsste.
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Gestern saß ich den ganzen Tag an der Diss. Okay, erst schlief ich gnadenlos bis 9. Aber dann. Ich groovte mich langsam wieder in den riesigen Protzen-Teil rein, in dem mich mittendrin abgebrochen hatte, um mich an die Autobahnen zu setzen. Jetzt kommt also wieder das, was ich vorher schon monatelang gemacht hatte: Werkverzeichnis mit Fotos seiner Bilder zu vergleichen, um sein Werk vollständig aufzubereiten, Archive durchwühlen, um Ausstellungen zu finden, Datenbanken durchwühlen, um Rezensionen dazu zu finden.
Ich hatte 1937 abgebrochen, weil ich wusste, dass jetzt die Großen Deutschen Kunstausstellungen kämen, für die ich dringend ins Staatsarchiv muss. Um wieder in den Schreibfluss zu kommen, las ich meine bisherigen Kapitel dazu nochmal durch und redigierte natürlich erstmal ewig rum, kam aber immerhin bis 1934, und da mache ich dann heute weiter.
Außerdem konnte ich mich in der Diss selbst zitieren. Alles erreicht.
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Was sich Historiker*innen von Archiven wünschen: eine Umfrage
Ich hatte mich an der Umfrage auf Twitter nicht beteiligt, weil ich dachte, ich hätte alberne Sonderwünsche, aber anscheinend geht es vielen so, dass sie gerne WLAN hätten und fotografieren möchten. Irre. Durch den Artikel wurde ich aber auch angeregt, über Nachnutzung von einmal ausgehobenen Archivalien nachzudenken: Was wäre, wenn ich die Akten, durch die ich mich wühle und die ich fotografiere/scanne/transkribiere, auch einfach anderen zur Verfügung stellen würde, damit die nächste Nutzerin nicht die gleiche Arbeit nochmal machen muss? Ich wäre dabei!