Tagebuch Mittwoch, 19. Februar 2020 – 😮😡😍
Früh aufgestanden, früh in U-Bahn und Tram gesetzt, um früh im Lesesaal der Bibliothek des Deutschen Museums zu sein, um einen Platz an den Tischen zu kriegen, die Steckdosen haben. Alles geschafft – aber mein Netzteil zuhause liegen gelassen. Very, very slow clap.
An einen anderen Tisch gesetzt, damit jemand anders die Steckdosen genießen kann, und weiter in Die Straße geblättert, dieses Mal die Jahrgänge 1936 bis 1938. Außerdem vor dem Losfahren von zuhause bestellt: Zwei Jahrgänge von Verkehrstechnik. Ich ahne, dass ich das in irgendeiner Fußnote gefunden hatte, denn in meinem Diss-Dok war eine genaue Datumsangabe dazu; ich habe keine Ahnung mehr, woher ich das habe, aber es war hervorragend, denn dort las ich den ersten anständigen Verriss über die Ausstellung „Die Straßen Adolf Hitlers in der Kunst“ (1936). Es gab zu dieser Zeit keine Rezensionen oder Kritiken mehr, sondern nur noch Kunstberichte, und so liest sich das leider auch: Ein Bild nach dem anderen wird aufgezählt, es kommen so wachsweiche Anmerkungen wie „tiefe Tonigkeit“ oder „stimmungsvolle Landschaft“ und das war’s. Auf 20 Seiten, wenn es um die GDK geht. Schnarch.
Der Verfasser des Artikels, den ich großflächig zitiere, schätzte die Autobahnmalerei ziemlich richtig ein; er fragte sich, und ich paraphrasiere, warum man riesige Ölgemälde dazu anfertigt, um einen flüchtigen Bauzustand festzuhalten – er nannte sie „farbige Baustellenberichte“. (Darüber hatte ich auch schon nachgedacht: die Baustelle in der Kunstgeschichte. Außer dem Turmbau zu Babel war da nicht viel. Nein, Ruinenbilder sind was anderes.) Und dann kommt der totale Burn gegen die gesamte angeblich neue deutsche Kunst und ich feierte den Herrn dafür gestern wirklich sehr: „Die Malerei wird sich, wenn sie allgemeine Bedeutung haben will, der künstlerischen Überhöhung allgemein bewegender Themen zuwenden, so wie es im Mittelalter die Darstellung des Heiligen und Großen war. Damit hat sie ein weites Feld. Wenn auf diesem Felde heute noch verhältnismäßig wenig geerntet wird, so mag es sein, daß wir noch eine Zeit der Reife brauchen. […] Die Autobahnen selbst können uns der beste Beweis sein. Diese kühnen Schöpfungen liegen uns näher als die Bilder, die über sie gemalt werden können, und die Arbeit, die hier geleistet wird, ergreift uns in ihrer ethischen und wirtschaftlichen Bedeutung so unmittelbar […] daß eine Übersetzung ins Künstlerische vorläufig weder möglich noch notwendig erscheint. Um zu einer solchen Überhöhung zu kommen, muß vielleicht noch einige Zeit hingehen, wie sich gewöhnlich die künstlerische Form nicht mit dem Erlebnis zugleich einstellt, sondern allmählich heranreift.“
(Quelle: Leitl, Alfons: „Die Reichsautobahnen und die Kunst. Zur Ausstellung ‚Die Straßen Adolf Hitlers in der Kunst‘“, in: Verkehrstechnik 22 (1936), S. 583/584.)
Ich weiß nicht genau, ob es sich um diesen Alfons Leitl handelt, könnte aber hinkommen.
Außerdem fand ich in Die Straße endlich mal Fotos der ganzen Brücken, die Protzen gemalt hatte und kann die jetzt mit den Werken vergleichen; die meisten stehen nämlich nicht mehr. Und dann fand ich noch raus, dass nicht nur die Bibliotheksnutzung im Deutschen Museum nichts kostet, sondern dass sie auch kein Geld für Scans haben wollen und feierte daher einfach weiter.
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Den Nachmittag versaute ich mir dann selbst. Beschwingt heimgekommen dachte ich mir, backste doch mal wieder Franzbrötchen. Dafür habe ich zwar schon vier Rezepte oder so ausprobiert und keins war annähernd so, wie ich es haben möchte, aber gestern fühlte sich wie ein guter Tag an, um ein fünftes anzutesten. Ich mach’s kurz: Es war fürchterlich und ich danach stundenlang sehr mies gelaunt.
Ich verstehe es einfach nicht. Es ist doch nur Hefeteig mit Zimt und Zucker drauf. Ich kann doch auch Zimtschnecken, wieso keine Franzbrötchen? Ich habe sogar Croissants hingekriegt, ES SIND DOCH NUR FRANZBRÖTCHEN! Von denen, die ich bisher aus dem Ofen gezogen habe, war keines so, wie ich es haben will: innen fluffig und nicht zu trocken, außer knusprig. Ich will mehrere Schichten haben – sonst könnte ich ja Zimtschnecken backen – und die Dinger sollen flach sein und nicht aufgehen. Habe ich noch nie hingekriegt. Wenn hier jemand ein Anke-sicheres Rezept hat, BITTE SCHICKEN! Ich verzweifele an meinem Lieblingsgebäck!
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Immerhin abends netten Besuch gehabt und gemeinsam eingeschlafen. Alles wieder gut.