Tagebuch Freitag, 13. März 2020 – Frisch geimpft
Seit dem Podcast vom Dienstag überlegte ich, die Grippe-Impfung nachzuholen, die ich im letzten Herbst verschnarcht hatte, gab ja Wichtigeres. (Gab es nicht, wie ich jetzt weiß.) Hier ist das Skript; auf den Seiten 3 und 4 geht es um die Impfung gegen Grippe, obwohl die jetzige Saison jetzt gerade ausläuft, und Pneumokokken, von denen ich bis Dienstag nicht mal wusste, dass es sie gibt. Kurz und laienhaft zusammengefasst: Die Grippe-Impfung lohnt sich noch, weil die nächste Saison kommen wird, und beide Impfungen lohnen sich, damit der Körper bei einer Corona-Infektion nur damit zu tun hat und sich nicht auch noch um die beiden anderen Dinge kümmern muss, die auch die Lunge belasten: „Aber die nächste Influenza-Saison kommt auch, die Pandemie wird auch in der nächsten Influenza-Saison immer noch da sein. Und deswegen lohnt es sich auch jetzt noch mal, eine Grippeschutzimpfung mitzunehmen und sie insbesondere dann aber im nächsten Herbst aufzufrischen. Denn dann hat man von jetzt und nächsten Herbst zusammen einen ganz besonders guten Influenzaschutz in der dann kommenden, gleichzeitigen Influenza und SARS-II-Infektionswelle nächstes Jahr um diese Zeit.“ Die Pneumokokken-Impfung wird eher für die ältere Generation empfohlen, aber schaden kann sie vermutlich nicht, und so ganz jung bin ich ja auch nicht mehr.
Außerdem ging ein weiteres Medikament zur Neige, das ich täglich nehme, also musste ich eh in die Praxis meiner Hausärztin. Dort hingen schon unten an der Haustür Hinweiszettel, dass man bitte bloß nicht reinkommen sollte, wenn man symptomatisch wäre, ab nach Hause und telefonisch melden. Ich war nicht angesprochen, ging also hoch, fasste alles nur mit Handschuhen an und bekam mein Rezept ausgestellt. Dann wollte ich mir einen Termin für die Impfung geben lassen – telefonisch ging vorher gar nichts, sonst hätte ich das natürlich gemacht –, als man mir sagte, das ginge gleich jetzt. Pneumokokken-Impfung kostet übrigens 70 Euro, Grippe ging anscheinend aufs Haus, wenn ich die Rechnung richtig interpretiere. Und den Impfpass gab’s für einen Euro, denn meinen alten habe ich beim letzten Umzug irgendwie verschlampt.
Mit zwei Pflastern auf den Oberarmen fuhr ich wieder nach Hause und plante die nächste Woche geistig vor. Unser gemeinsames Abendessen auswärts sagten F. und ich ab, mir ist derzeit nicht so wohl dabei, eng in kleinen Restaurants aufeinander zu hocken. Auch über meine zwei geplanten Archivbesuche dachte ich nach, wobei ich ja weiß, dass sich in Archiven eher keine Menschenmassen bewegen. Die Entscheidung über die Besuche wurde mir aber im Laufe des Tages abgenommen: Das Deutsche Museum schließt ab heute seine Pforten, wovon sehr wahrscheinlich auch Bibliothek und Archiv betroffen sind, obwohl das nicht explizit auf der Website erwähnt wird. Die Leiterin des Archivs der Akademie der bildenden Künste informierte mich persönlich per Mail davon, dass sie derzeit alle Besuche absagte, und ich schrieb zurück, dass ich das richtig fände und mich schon auf den Nachholtermin freute.
Und dann kamen nachmittags die Meldungen rein, dass auch die Bibliotheken schließen, ich sah zuerst die Stabi, dann mein geliebtes Zentralinstitut, und jetzt beim Schreiben dieses Eintrags sehe ich, dass auch die Uni-Bibliotheken alle dicht machen. Hätte ich mal gestern noch diese Fernleihe im Lesesaal eingesehen, die seit vorgestern dort für mich liegt. Mist.
Ich schwankte und schwanke seit gestern hin und her zwischen „Dann lese ich jetzt halt anständig Korrektur“ und „Ich werde bis Juni wohl doch nicht mehr fertig mit der Diss“. F. schrieb per DM, dass es doch okay sein, wenn ich den Kopf mal ausmache, und heute morgen sah ich einen Tweet, der das Dilemma, neben dem gesundheitlichen Aspekt, gut zusammenfasst: „Is anyone else’s brain so broken that you’re beating yourself up for not being productive enough about work during an unprecedented global pandemic?“
Als introvertierter Mensch, der andere Menschen eh gerne meidet, mache ich seit Tagen Witze darüber, wie super ich darauf vorbereitet bin, alleine zuhause zu sein und vor mich hinzupuscheln, aber, totale Überraschung, auf einmal fühlt sich das alles nicht mehr so super an.
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Ein paar Tipps für den Lagerkoller:
– das zweite Hauskonzert von Igor Levit nachhören (habe ich gestern live verpasst, läuft gerade nebenbei)
– Die Bayerische Staatsoper streamt ausgewählte Vorstellungen kostenlos
– Die Wiener Staatsoper streamt ab sofort täglich
– Die digitale Plattform der Berliner Philharmoniker ist für 30 Tage kostenlos
– noch mehr Streams werden hier zusammengefasst
– In Bayern sind auch alle Museen dicht, ich folge diversen ArtBots von Andrei Taraschuk auf Twitter. Unsere nächste Fehlfarben-Ausgabe war übrigens für April geplant, die wird dementsprechend verschoben. Auch weil unser dritter Mitspieler gerade sehr weit weg ist und von dort seit gestern alle Flüge nach Deutschland gestrichen sind.
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Nebenbei: Bei der NY Times, der Washington Post und dem New Yorker sind die Artikel über Corona frei zugänglich. Wenn die Süddeutsche da vielleicht mal drüber nachdenken und ihr dämliches SZplus dafür abschalten könnte? So wie die Hinweise für die morgige Kommunalwahl? Bezahlschranke, echt jetzt?