Tagebuch Montag, 27. April 2020 – Einleitung und Hefeteig
Sehr gut geschlafen – aber nur bis 4 Uhr morgens. Dann rumgewälzt bis 6, den Wecker um 7 ignoriert und bis 9 geschlafen. Eher mies gelaunt in den Tag gekommen. Festgestellt, dass jetzt eine Baustelle unter meinem Schlafzimmerfenster ist, die ich leider auch im Arbeitszimmer höre, so lange die Fenster geöffnet sind.
Den Tag verbrachte ich entweder am Schreibtisch – weiter am Abbildungsverzeichnis arbeitend und nebenbei den zweiten Korrekturgang durchführend, gestern wurde die Einleitung abgeschlossen – oder in der Küche, wo ich in Etappen meinen ersten Kouign amann zubereitete. Ich bin noch nicht ganz zufrieden (zu früh aus dem Ofen genommen, zu wenig Karamell), aber Zucker und Butter schmecken zusammen schon sehr gut.
Abends mit F. per Facetime gesprochen, wir sind für Freitag wieder so altmodisch persönlich miteinander verabredet. Danach alleine auf dem Balkon rumgesessen und in die Dämmerung geguckt. Es ist immer noch ein bisschen Stoff in der Prosecco-Flasche, die ich letzte Woche zum Abschluss der Erstfassung der Diss geöffnet hatte.
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Ich mochte an dem Text die Zärtlichkeit, mit der über Gemälde gesprochen wird. Und dass die olle Aura eben doch vorhanden ist. (Walter Benjamin Ultras.)
„The other morning, I woke in the dark with terrifying visions. To quiet myself, I imagined walking into the great lobby of the Metropolitan Museum of Art—hundreds of miles away from my dark room in Chicago. There would be cherry blossoms in the huge vases, maybe dogwood. I ascended the stone stairs, turned to the right, and threw myself down before Nicolas Poussin’s “Blind Orion Searching for the Rising Sun,” from 1658. I wanted to watch mythic Orion, his eyes closed and hand outstretched, making his way along the soft dirt path toward the radiant, arriving day.
I went to the Met every Friday night for sixteen years, until I left New York in 2011. I visited “Blind Orion” over and over. In the painting, Orion is a giant. He has been blinded by an angry king and is being guided by Cedalion, a small figure on his shoulder, toward the light of the sun, which will bring back his sight. It’s a painting about vision and wonder: look at the beautiful world he is about to see again.
When I reluctantly left my inward vision to begin another day of sheltering in place with our two young children, I laughed a little, thinking that, of all the work at the Met, I’d chosen to remember this painting, in which damage is repaired, and everything that has been taken away will be restored in the morning.“
Und den Absatz fand ich auch schön:
„Museums know the desires of our hands. That is why they have so many “Do Not Touch” signs, so many guards to caution us back. The special presence of paintings comes from their being at once untouchable and viscerally evocative of touch.“
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Weniger zärtlich, sondern seltsam: „A UK Museum Challenged Bored Curators Worldwide to Share the Creepiest Objects in Their Collections. Things Got Really Weird, Fast.“
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Das Altpapier des MDR fasst meine derzeitige Medienmüdigkeit ganz gut zusammen, wo gelangweilte (meist) Herren meinen, ihre schlichte „Dagegen“-Position sei gerade irgendwie förderlich.
„Nun sind die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus nicht alternativlos, aber das meinen die Autoren meinem Textverständnis nach auch nicht. Sie begründen vor allem, warum sie nach der Beschäftigung mit den sich ständig verändernden Erkenntnissen davon absehen, gegebenenfalls begründungsschwache Gegenpositionen einzunehmen, nur um dadurch Meinungsstärke zu demonstrieren.
Die taz touchiert hier eine der größeren Fragen, die sich Medien in der Pandemiesituation stellen: Wie weit kommt man mit den Werkzeugen, die so im Debattenkasten herumliegen? Was nützen sie, wenn man doch nun auf einer ganz neuen Baustelle arbeitet? Kann es unter Laien große Meinungsvielfalt über epidemiologische Erkenntnisse geben, und wenn ja: Ist der Dunning-Kruger-Effekt auch eine Meinung? Wie entsteht Erkenntnisgewinn?“