Was schön war, Freitag bis Mittwoch, 19. bis 24. Juni 2020 – Zweiter Archivendspurt

Freitag: letzte Fußnoten in der Bibliothek des Deutschen Museums erledigen. Danach bekam ich von einer Blogleserin eine top-exklusive Privatführung durch das Magazin der Bib (danke!) und durfte im Rara-Lesesaal ein paar alte und tolle Bücher anschauen, zu denen mir der Leiter der Bibliothek etwas erzählte. Beim Bild einer 20 Zentimeter großen Vogelspinne, die einen Kolibri frisst, in Maria Sibylla Merians Der Raupen wunderbare Verwandelung und sonderbare Blumennahrung (die Ausgabe im Deutschen Museum ist von 1719) habe ich memmig weggeguckt, wo Merian lustig kupferstichte. In einem Buch von Alexander von Humbold bewunderte ich die clevere Zeichnung eines Berges, in den Pflanzen eingeschrieben wurden, je nach Höhenlage. An der Legende an der Seite entdeckte ich „Caffé“ und „Kartoffeln“, aber dann ging’s schon weiter. Mit dem Buch wäre ich gerne noch ein bisschen alleine geblieben. Es gab eine Enzyklopädie, die vor der Diderots erschien, ein Buch mit Abbildungen der Mondoberfläche und den Rest habe ich schon wieder vergessen, aber es war großartig, diesen Schätzen so nahe kommen zu können. Theoretisch könntet ihr das auch, aber jetzt gerade nicht. (Die SITUATION!)

Im Magazin lernte ich, dass die Erwerbungen hier nicht nach Sachgebiet stehen, sondern nach dem Jahr des Eingangs. Daraufhin wollte ich dringend irgendwas zwischen 1933 und 1945 sehen, guckte mich kurz 1939 (?) fest und sah als erstes komplette Jahrgänge einer Zeitschrift, die wir im ZI nur als Rara-Bestand haben, die ich aber hier anscheinend innerhalb von einer Stunde auf dem Tisch gehabt hätte. Ich unterschätze diese Bibliothek ganz ungemein. Macht nicht denselben Fehler wie ich! Gleich mal eine Lesekarte holen! Kostet nix! Ich lernte nämlich auch, dass die Bibliothek von Anfang an beim Museum mitgedacht wurde: Wer im Museum noch Fragen hatte, sollte einfach nach nebenan gehen und sich ein Buch aus dem Regal ziehen können. Deswegen ist die Bib auch öffentlich und am Wochenende geöffnet, genau wie das Museum. Bei mir hatte die Bibliothek schon gewonnen, als ich sah, dass Scans nichts kosten. Dafür gibt so so gut wie keine Steckdosen, aber irgendwas ist ja immer.

Samstag. Kopf ausgemacht, Curry gekocht, mich über den Klassenerhalt von Augsburg gefreut. Mich von der langen letzten Woche ausgeruht. Konnte mich nicht auf den Bachmannpreis konzentrieren, der mir im letzten Jahr so viel Freude gemacht hatte. Nur eine Lesung und eine Jurybesprechung nachgeholt und einen der neuen Juroren gleich mal backpfeifen gewollt.

Sonntag. Kopf wieder angemacht und das Abbildungsverzeichnis runtergerockt. Jetzt aber wirklich. Dabei natürlich noch einen Fehler gefunden – irgendwie in den 60er-Nummern verzählt, woraufhin ich 140 Folgenummern in Diss und Verzeichnis ändern musste. Zum ersten Mal kapiert, warum mir alle Leute gesagt haben: Automatisier das! Mach nicht deine übliche Handarbeit. Ihr hattet alle recht, und beim nächsten langen Text höre ich auf euch.

Montag. Endlich war mein im Mai beantragter Perso in München angekommen, was ich online jeden Tag hektisch abgefragt hatte, denn das Prüfungsamt hätte gerne eine Kopie desselben. Die Frist zur Anmeldung zur Promotionsprüfung geht bis heute; notfalls hätte ich meinen ungültigen Ausweis kopiert, den Abholschein der Stadt und das Schreiben der Personalausweisbehörde, das mir PIN und PUK mitteilte und das sinngemäß begann: „Ihr neuer Perso wird gerade hergestellt“, um irgendwie zu vermitteln: Ich habe theoretisch einen Ausweis, nur jetzt noch nicht! Das war netterweise nicht nötig.

Ich radelte zum online vereinbarten Termin bei Kreisverwaltungsreferat, wartete fünf Minuten, wurde aufgerufen und gab am Schalter meinen alten Perso und den Abholschein ab – beides vorher nicht kopiert, wozu auch, ich krieg ja jetzt meinen neuen Ausweis. Oder auch nicht. Jedenfalls vorerst nicht.

„Wurden Sie von uns über irgendwelche Probleme benachrichtigt?“ Nö. „Haben Sie das Schreiben der Personalausweisbehörde bekommen?“ Jepp. „Hm.“ *schwitz* „Ich komme gleich wieder, ich muss da was klären.“ Ich ergab mich meinem Schicksal, die Diss erst im Oktober abzugeben, wurde dann aber in ein Büro gerufen, wo man mich darüber aufklärte, dass meine Unterschrift nicht fälschungssicher sei und dass ich dafür etwas unterschreiben müsste, dass ich darüber aufgeklärt wurde. Ich fragte lieber nach, ob ich mit meinem nicht fälschungssicheren Schnörkel unterschreiben sollte oder in Schönschrift, aber ich durfte schnörkeln und dann hatte ich einen neuen Ausweis, der an Papas 92. Geburtstag auslaufen wird.

Nachmittags durfte ich dann ins Depot der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Diese Story wird mir bis an mein Lebensende peinlich sein: Ich hatte im Lenbachhaus und den Staatsgemäldesammlungen um farbige Abbildungen von einigen Werken Protzens gebeten, die die beiden Häuser besitzen. Das Lenbachhaus schickte nur eine Mail zurück, dass sie gerade unterbesetzt sind, dauert, aber ich ahne, dass da eh nichts Farbiges zu holen sein wird (mir ging’s auch nur um zwei Werke, eins kenne ich nicht, ist aber nicht so wichtig, das andere ist eine Autobahn, die habe ich nur in schwarzweiß). Die Staatsgemäldesammlungen mailten irre schnell zurück: Sie hätten nur eine farbige Aufnahme, immerhin die Autobahn, aber die hängt ja für mich zugänglich in Saal 13. Die ist auch die Autobahn, von der ich am meisten Abbildungen gefunden habe, daher hatte ich da sogar eine farbige Aufnahme. Man fragte mich, ob ich die Schwarzweißfotos von den anderen Werken haben wollte, würde aber ungefähr acht Wochen dauern, was ich verneinte.

Und dann kam abends noch eine weitere Mail vom Sammlungsleiter für die Klassische Moderne, der meinte, bei entsprechenden Vorlauf hätte ich mir natürlich auch die Originale im Depot angucken können. Ich las und versank vor Scham im Boden, denn das hatte ich natürlich vor ungefähr zwei Jahren im Hinterkopf – und es dann einfach irgendwann vergessen. Ich schrieb eine launige Mail zurück von wegen Diss-Stress und egal, schlief schlecht, schrieb am nächsten Morgen noch eine Mail und bat piepsig darum, vielleicht folgende zehn oder so Werke angucken zu können von den ca. 100, die die Staatsgemäldesammlungen besitzen und ergab mich in mein Schicksal, die Diss erst im Oktober abzugeben. Die meisten von Protzens Werken sind an Behörden oder ähnliches verliehen, so ein schönes Bergpanorama macht sich in bayerischen Ministerien schließlich immer gut. Aber fünf Werke wären zugänglich – nächsten Montag vielleicht? Wo-hoo!

Ich lernte einen freundlichen wissenschaftlichen Mitarbeiter kennen, der mir über sein Forschungsgebiet was erzählte und mich Dinge fragte, die wirklich alle fragen, wenn sie das Stichwort „Autobahnmalerei“ hören. Merke ich mir für die Veröffentlichung. Ein ebenso freundlicher weiterer Mitarbeiter ließ uns ins Depot, wo ich fünf Originale ansehen konnte – ein Werk, das mir angekündigt wurde, war nicht dabei, aber dafür ein anderes, nehme ich auch. Das ist dann auch das letzte Werk, das ich von meinem Maler, wie ich ihn inzwischen zärtlich nenne, in der Diss abbilden werde; das freut mich, dass ich einen bunten Abschluss habe.

Dienstag. Mit Maske und Handschuhen im Stadtarchiv die nun wirklich allerletzten Fußnoten nochmal abchecken, bei denen ich mir unsicher war. Das ging schneller als gedacht, das war fast ein bisschen schade. Danach radelte ich zur Post und gab meine Prüfungsanmeldung per Einschreiben auf. Als Belohnung radelte ich zum Asiashop und kaufte den dortigen Kühlraum leer, um Tom Kha Gai zu kochen und mich den ganzen Tag darüber zu freuen, Chilis essen zu können, ohne umzufallen.

Abends sah ich F. endlich mal wieder, er hatte einen winzigen Teil der Diss für mich korrekturgelesen, und ich fügte brav fast alles ein, was dem Mann aufgefallen war. Gemeinsam eingeschlafen.

Gestern war dann der letzte Termin: In der Bibliothek der Pinakotheken wollte ich die Kopie des Werkverzeichnisses von Protzen einsehen, von der ich einen Scan besaß. Ein paar Dinge konnte ich dort nicht gut lesen, ahnte schon, dass das in der Kopie nicht anders sein würde, aber im Gegensatz zu den Werken wollte ich mir hier nicht nachsagen lassen, hättenSe mal bei uns nachgefragt. Wie erwartet war die Kopie nicht aufschlussreicher als mein Scan, aber gut. Interessiert stellte ich außerdem fest, dass im winzigen schriftlichen Bestand zu Protzen, der dort verwahrt wird, ein Ausdruck dieses Blogeintrags vom März 2018 von mir lag, in dem ich sehr grob beschreibe, was alles im Nachlass liegt. Darüber musste ich sehr lachen, auch wenn mir der Besuch sonst nichts brachte. Außer dass ich mal in der Bibliothek der Pinakotheken war. Das ist ja auch was.

Im Laufe des Tages machte ich dann aus meinen ganzen Einzeldokumenten mehrere große. 359 Seiten reiner Text. 39 Seiten Literatur- und Archivangaben. 94 Seiten Abbildungen. 1884 Fußnoten. Einmal lese ich das noch durch und dann lasse ich es los.