Was schön war, Dienstag, 7. Juli 2020 – Die März-Reservierung aus dem Broeding nachholen
Ausgeschlafen, Masterchef Australia geguckt, Hamilton-Biografie weitergelesen, wie vorgestern dauernd auf dem Sofa eingenickt.
Zwischendurch an die Nähmaschine gesetzt (von freundlichen Leser:innen finanziert, vielen Dank, ich nehme es als Diss-Geschenk) und meinen ersten Mund-Nasen-Schutz mit Bändern genäht, die man hinter dem Kopf verknoten kann. Ich musste bisher nur einmal meine Maske länger tragen als die 20 Minuten im Supermarkt, nämlich einmal im Archiv und einmal auf der einstündigen Zugfahrt nach Nürnberg. Da nervten die Gummibänder schon irgendwann, also wollte ich mal Bänder ausprobieren.
Wie auf Insta jemand kommentierte: Gut gebügelt ist halb genäht. Das hatte ich vorher schon geahnt und auch bei meinen händisch erstellten Masken alles, was ging, gebügelt, aber ich ahne, dass das beim Maschinennähen noch wichtiger ist. Die Bänder sehen aus wie ein Projekt aus Zwangsarbeiterlagern, aber für die Zugfahrt wird’s reichen.
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Abends trauten F. und ich uns in einen geschlossenen Raum, wenn auch mit geöffneten Fenstern. Wir hatten zu meinem Geburtstag im März standesgemäß im Broeding, unserem Lieblingsrestaurant, reserviert, aber selbst abgesagt – nur wenige Tage vor der angeordneten Ausgangssperre. Jetzt feierten wir nachträglich Geburtstag und zeitlich korrekt die abgegebene Diss. Ein wenig nervös waren wir beide, aber mit Blick auf die derzeitigen Infiziertenzahlen glaubten wir das Risiko einschätzen zu können. Ich weiß immer noch nicht, ob das die korrekte Lebensweise während der Pandemie ist, ich persönlich fürchte mich mehr vor der Zugfahrt in den Norden, aber das ändert sich auch alle fünf Minuten. F. ist weiter im Home Office, auch ich bleibe inzwischen fast komplett zuhause, weil ich ja nicht einmal mehr in Bibliotheken oder Archive muss, und gehe nur zum Einkaufen vor die Tür. Das halten wir auch weiterhin so; der Biergarten am Sonntag war meine erste private Begegnung mit anderen Menschen außer F. seit März, wenn ich mich richtig erinnere.
Das Broeding hat ungefähr die Hälfte der normalen Tische entfernt und man kann sich auch in den Garten setzen; wir entschieden uns für drinnen, wo wir zunächst die einzigen Gäste waren, bis noch ein zweites Paar hinzukam, die sich brav weit von uns wegsetzten. Es war sehr schön, wieder dort zu sein und zu essen und sich Weine erklären zu lassen, aber so ganz das alte Broeding ist es natürlich – leider – noch nicht. Ich kenne den Laden nur voll bis ganz voll, und so nett das war, nicht so laut sprechen zu müssen, so sehr hat es mir doch gefehlt, zusammen mit der üblichen Restaurant-Geräuschkulisse. Aber das Essen war wie immer wunderbar, ich habe mich sehr gefreut.
Der Gruß aus der Küche war Saibling mit Kohlrabisprossen, knackig-fein und zitronig-frisch. Als Aperitif hatten wir uns für einen 2018er Kraemer Pet Nat (Müller-Thurgau, Franken) entschieden. Die Wein-Notation übernahm wie immer F., ich vergesse alles, sobald der Sommelier vom Tisch weg ist, aber ich höre ihm immer gerne zu. Der Pet Nat war einen Hauch hefig, aber ansonsten knochentrocken und herrlich.
Erster Gang: Salade „Nicoise“ mit Makrele, die Anführungszeichen stammen von der Restaurantswebsite und deuten vermutlich an, dass kein Thunfisch im Salat ist. Egal, hervorragend. Tolles Dressing. Dazu gab’s einen 2018er Lichtenberger Gonzalez Muskat Ottonel, ebenfalls schön trocken. Ãœberhaupt waren wir gestern recht trocken und unschwer unterwegs, perfekt.
Kalte Gurken-Melonensuppe mit Feta. Die Gurke war angenehm pfeffrig, das kenne ich von meinen üblichen Supermarktgurken gar nicht mehr. Dazu gab’s einen 2018er Kikelet Tokaji Lonyai Furmint (Berecz Stephanie).
Mein Lieblingsgang: Loup de Mer mit Roter Bete, Kartoffeln, Mais und Verjus. Dazu ein paar kleine Kügelchen Fingerlimette, die uns erklärt wurde, während bei mir innerlich Homer Simpson Fahrrad fuhr und sang: „Kenn ich aus Masterchef Australia, kenn ich aus Masterchef Australia.“ Der Mais war zuckersüß, die Bete wunderten mich etwas, weil sie noch nicht Saison haben (oder gibt’s welche, die jetzt schon bei uns rumliegen?), sie waren daher nur leicht erdig am Gaumen, und alles zusammen war genau meins. Dazu gab es einen überraschenden 2015er Heinrich Chardonnay Leithaberg. Heinrich ist eins meiner liebsten Weingüter aus Österreich, aber ich habe davon, soweit ich mich erinnere, bisher nur Rotweine getrunken und neulich mit F. auf dem Balkon einen natural Rosé. Von denen kann man anscheinend wirklich alles trinken, sogar Chardonnay, den ich eher selten freiwillig bestelle.
Eine Riesenportion Zweierlei vom Bauerngockel mit Romanesco, Karotten und Pfifferlingen. Die Karotten waren eingelegt, aber knackig, die Pfifferlinge schmolzen dahin, und einmal im Leben möchte ich so eine Hühnerbrust braten können. (Vielleicht doch noch auf Köchin umschulen?) Dazu den ersten Roten: ein 2009er Loimer Terrassen Pinot Noir, auch trocken, gerne wieder. (Marzipankirsche ganz hinten im Gaumen.)
Den Käsegang hatte ich begonnen, bevor mir einfiel, dass ich noch fotografieren muss. Es gab – natürlich – Käse vom Jamei, den wir uns derzeit dauernd aus Kempten mitbringen lassen. Daher schmausten wir hier nur wissend vor uns hin und freuten uns über Apfelgelee und einen kleinen Salat. Dazu ein Süßwein, von dem sich F. gleich ein Fläschchen zum Mitnehmen gönnte, genau wie vom Muskat Ottonel: 2016er Corte Sant‘Alda Recioto Recioto della Valpolicella.
Als Zwischengang vor dem Dessert gab’s noch ein kleines Irgendwas, das ich weinselig schon wieder vergessen habe. Mandeltörtchen, der Rest ist verfressene Seligkeit. An die frischen Zitronenverbene-Blättchen erinnere ich mich noch. (Pfirsich?)
Zum Abschluss ein Zitronentörtchen mit Himbeeren und ich vermisste nicht mal Schokolade, so schön war alles. Dazu eine 2009er Kracher Zwischen den Seen Welschriesling Trockenbeerenauslese Nummer 3 und als Rausschmeißer noch ein Schnäpschen von der schwarzen Johannisbeere, Kirsche für den Herrn.
Das war herrlich, mal wieder tafeln zu können, und ich entspannte mich auch relativ schnell, was vielleicht auch daran lag, dass wir fast alleine im Gastraum waren. Es ist trotzdem noch alles komisch, aber von mir aus kann das auch noch so lange komisch bleiben, bis wir einen Impfstoff haben. Das Abstandhalten funktioniert in der Stadt schon nicht mehr ganz so gut, ich trage inzwischen auch draußen öfter die Maske, um mich an Menschen vorbeizuschlängeln. So auch gestern, als wir zur Tram gehen wollten und durch eine ganze Horde Polizist:innen durchmussten, die gerade eine U-Bahn-Station absperrten, keine Ahnung, warum.