Was schön war, Mittwoch, 15. Juli 2020 – Basilikum und Frauenmantel
Das Mütterchen durfte ausschlafen, nachdem sie Montag und Dienstag sogar vor mir aufgestanden war, um außerhäusige Termine wahrzunehmen. Ich schlief bis 7 und versorgte dann das Väterchen, bloggte in Ruhe, las dafür in der Dorfchronik und entdeckte meine Mutter auf einem Volksschulfoto von 1953. Die bereits gestern verlinkte Chronik ist von Hobbyhistorikern geschrieben worden, das merkt man bei vielen Formulierungen und meinem ewigen Stirnrunzeln, das bei solchen Texten immer „QUELLE?!?“ bedeutet. Sie ist aber gleichzeitig mit sehr viel Mühe und Liebe zum Objekt zusammengetragen worden, was es im Ganzen zu einer spannenden Gesamtquelle macht, auch wenn ich ahne, dass vieles mit einer Fußnote in Richtung „Hat mir jemand erzählt“, „Ich glaube, das war so“, „Ist quasi Dorfwissen“ versehen werden müsste.
—
Dienstag hatte ich schon mein liebstes Ottolenghi-Rezept für scharfen Tofu für die Eltern gekocht und ihnen damit die Zutaten Ingwer („das nehm ich sonst in den Tee“) und Chili nahegebracht. Tofu ist hier immer im Haus, weil meine Mutter den gerne im Salat isst, die dunkle Sojasauce wäre eigentlich gerade im Angebot bei Edeka gewesen, weswegen ich überhaupt auf das Rezept kam, aber das Mütterchen fand die Zutat nicht im zwei Meter langen Sojasaucenregal. Macht nichts. Ich stellte allerdings belustigt fest, dass die helle Sojasauce, die hier vorhanden ist, seit zehn Jahren abgelaufen war, das Ketjap Manis war noch im zeitlich vorgegebenen Rahmen. Da Sojasauce aber Jahre fermentiert, wandte ich meine übliche Technik bei abgelaufenen Lebensmitteln an: Riecht es noch gut? Schmeckt es noch gut? Dann isses noch gut. Die Sauce roch etwas säuerlicher als gewohnt, aber das hieß für mich: fermentiert halt weiter vor sich hin. (Oder zerfällt in Atome, egal, wir leben noch.)
Beim Ketjap Manis fiel mir auf, dass ich damit großgeworden bin: Das Zeug hieß bei uns Sojasauce. Ich musste erst 30 oder so werden und mit Hamburger Werbern Sushi essen, bis ich verstand, dass die Zutat, die allgemein als „Sojasauce“ bezeichnet wird, also die japanische, eigentlich anders schmeckt. Dabei erinnerte ich mich auch an einige Lieblingsspeisen aus der Kindheit. Ich kann mich nicht an viel Fleisch erinnern (hier wurde gespart), aber an den Sonntagsbraten: Das war ein Huhn aus dem Römertopf mit Reis, Erbsen, Champignons und eben ordentlich Ketjap Manis.
Gestern gab’s dann Kartoffeln mit Kräuterpesto, auch Ottolenghi, und ein bisschen Rührei dazu. Die Hühner, die uns diese Eier lieferten, hatte ich Dienstag bereits kennengelernt, die holt meine Mutter nämlich immer aus der Nachbarschaft bei einem Ehepaar, das ein paar Hühner im Garten hat, warum auch nicht. Dort schoben wir Väterchen im Rollstuhl hin, holten Eier, und ich bewunderte den schicken Garten.
Für das Pesto holte ich Petersilie aus dem Hochbeet hier im Garten, Basilikum und Parmesan hatte das Mütterlein am Dienstag mit eingekauft. Ehe Fragen kommen: Ich hatte angeboten einkaufen zu gehen, aber ich glaube, für meine Mutter und ihr Seelenheil ist es ganz gut, wenn sie mal wieder vor die Tür kommt nach vier Monaten. Davon ließ sie sich eh nicht abbringen, die Infiziertenzahlen sind hier in der Gegend erträglich, soweit ich weiß, sie fährt Auto, und der Supermarkt ist groß genug zum Abstandhalten. Und wenn die Pflegebedürftigkeit meines Vaters ein winziges bisschen was Gutes hat, dann die Tatsache, dass hier Desinfektionszeug und Mundschutze reichlich vorhanden sind und eh selbstverständlich genutzt werden. Was ich in den letzten Tagen auch gelernt habe: Man kann durchaus 16 Stunden lang mit Maske rumlaufen, ihr Jammerlappen in den Supermärkten und U-Bahnen mit euren schlimmen, SCHLIMMEN 20 Minuten. (Knurr.)
Neben der Petersilie holte ich wieder Radieschen und Rucola für den Mittagssalat und guckte mich ein bisschen am Wegesrand um. Auf Insta lernte ich, dass diese Pflanzen Frauenmantel heißen, wo ich nur „oh, Wasserperlen, voll schön“ dachte.
Die beiden Ottolenghis kamen gut an, das hat mich gefreut.
—
Nachmittags mit Vaddern auf die Ergotherapie im Wohnzimmer gewartet und einfach nebeneinander stumm aus dem Fenster ins Grüne geguckt und solche Dinge gesagt wie „Das ist so schön beruhigend“ und Dinge gehört wie „Deswegen ist es ja Grün“. Das war schön.