Tagebuch Mittwoch, 4. November 2020 – Unkonzentriert und nölig, aber mit Milchreis

Nach nur gut dreieinhalb Stunden Schlaf war ich wieder wach, also wach in Anführungszeichen, kochte die übliche Kanne Tee (letzte Grünpack-Packung angebrochen, muss wieder nachordern) und setzte mich an den Schreibtisch.

Ich las den ganzen Tag in einer anderen Dissertation bzw. in der üblichen Sekundärliteratur, was mich gerne an meinen eigenen Fähigkeiten zweifeln lässt, weil andere viel schlauer sind. Dr. F. so per DM: „Lässt das Imposter Syndrome nach einer erfolgreichen Verteidigung nach?“ Ich so: „Keine Ahnung, sag du’s mir.“

Ich bejammerte mal wieder die möglicherweise fehlende Theorie in meiner Diss. Ich erwähnte es vermutlich schon mal, aber je länger ich mich mit Kunstgeschichte beschäftige, desto mehr erkenne ich, dass ich mich eher als Historikerin denn als Kunstwissenschaftlerin sehe. Das ganze theoretische Geblubber, das auch gerne in musealen Wandtexten zu finden ist, geht mir des Öfteren sehr auf die Nerven. Ich arbeite zehnmal lieber in Archiven mit Originalquellen als mit den bedeutungsschwangeren Sekundärtexten. Gerade bei der Auseinandersetzung mit NS-Kunstwerken geht es – meiner Forschungsmeinung nach – grundsätzlich um eine eher persönliche Deutungshoheit, indem man eine Autobahnbrücke entweder als bedrohlich, beeindruckend oder langweilig beschreibt. Je nach eigener Auslegung des Begriffs „Kunst“, über den Enzyklopädien geschrieben wurden, kann man den Werken, die zwischen 1933 und 1945 an Museumswänden gehangen haben, jede gewünschte Bedeutung einschreiben oder genau diese verneinen. Vermutlich klingt meine Diss an manchen Stellen ähnlich bockig wie dieser Blogeintrag.

Auch deshalb fand ich das Doktorandenkolloquium so nett, weil man mal nicht darüber diskutieren muss, ob das, womit wir uns beschäftigen, nun Kunst ist. Größtenteils keine besonders gute Kunst, aber halt Kunst. Was mir auch geholfen hat, waren die vielen Fragen, die an die Vortragenden, auch an mich, gerichtet wurden. Für meine Verteidigung versuche ich natürlich schon im Vorfeld zu überlegen, wo Nachfragen kommen könnten, und ich fand es sehr überraschend, auf was ich im Kolloquium antworten musste. Alles, was ich mir vorher überlegt hatte, war egal, es kamen ganz andere Fragen. Die haben mich immerhin auf ein paar Ideen für die Verteidigung gebracht.

Das Lernen für die Disputation ist ungewohnt, weil ich größtenteils meinen eigenen Kram auswendig lerne. Ich habe ein miserables Namensgedächtnis, immer, wenn ich Maler oder Malerinnen der GDK erwähne, blubbere ich was von „der Maler dieses dreiteiligen Werks mit Bauer, Soldat und Arbeiter“ anstatt Hans Schmitz-Wiedenbrück zu sagen, weil mir der Name halt nie einfällt. (Indem ich ihn aufschreibe, merke ich ihn mir vielleicht endlich mal.) Die Maler, die ich etwas länger in der Diss erwähne, habe ich drauf, alle Maler*innen und ihre Werke aus meinen knapp 1900 Fußnoten muss ich auswendig lernen. Was gestern etwas schwer fiel, weil ich einen Hauch müde und unkonzentriert war.

Zum Mittag Kartoffelbrot mit den üblichen Belägen (Senf, Salat, Gurke, Käse, dieses Mal noch Fenchelsalami), dazu eine Runde Gemüse zum Wegknabbern und eine der letzten Folgen Gilmore Girls. Ist der Re-Watch auch wieder durch.

Abends war ich kurz davor, noch was zu backen, weil ich was Nettes machen wollte, als mir Herr Hirngabel seinen Milchreis in die Timeline spülte. Milchreis! Eine völlig unterschätzte und glücklich machende Köstlichkeit. Gleich angesetzt, und während er vor sich hinblubberte, rührte ich schnell noch Florentiner zusammen, für die ich überraschenderweise alles im Haus hatte (eine Zitrone statt einer Orange reingerieben). Damit ging der Tag wenigstens entspannt und satt zuende UND ich habe heute Kekse zum Frühstück.

Gegen eins vor CNN weggedöst, was anscheinend gut war, die US-Wahl ist auch heute noch nicht durch.