Schullektüren

In meiner Ecke des Internets erinnern sich gerade einige Menschen an die Bücher, die sie in der Schule lesen mussten oder durften. Ich habe bei einem meiner letzten Umzüge endgültig die ganzen kleinen gelben Reclams verklappt, die ich seit 30 Jahren mit mir rumschleppe, daher vergesse ich vermutlich vieles. Das hier wird auch keine vollständige Liste, ich wollte einfach mal nachdenken, was mir noch einfällt – und ob die Lektüren einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.

Hermann Hesse, „Unterm Rad“

Ich weiß noch, wie bedrückend ich dieses Buch fand, aber ich erinnere mich hauptsächlich an diese Lektüre, weil wir eine Vertretungslehrerin hatten, mit der ich nicht warm wurde. Dieses Halbjahr war das einzige, wenn ich mich richtig erinnere (also vermutlich nicht), in dem meine Deutschnote schlechter als 2 war, weil ich keine Lust hatte, mich zu beteiligen.

Es hat mir Hesse allerdings nicht verleidet, in meinem Regal finden sich bis heute mehrere Werke von ihm. Ich habe „Narziss und Goldmund“ in China gelesen, im Urlaub. „Das Glasperlenspiel“ steht hier bis heute unberührt, und an den „Steppenwolf“ kann ich mich nicht erinnern, nicht mal, ob ich ihn durchgelesen habe. Vermutlich eher nicht. Könnte man mal reingucken.

Bertolt Brecht, irgendwas. Vermutlich „Mutter Courage und ihre Kinder“, keine Erinnerung. Im Schultheater haben wir einige Szenen aus „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ aufgeführt. Auch hier hat die Schule mir den Autor nicht verleidet. Gerade beim Gang am Regal entlang dachte ich: Könnte man mal wieder reingucken.

Max Frisch, „Homo Faber“.

Oder „Andorra“? Ich weiß es nicht mehr, aber Frisch mag ich bis heute gerne. Oder: Ich glaube, ich mag ihn gerne, ich habe jedenfalls danach noch einiges von ihm gelesen, und ein Schuber mit seinen gesammelten Werken steht im Regal. Könnte man mal wieder reingucken.

Goethe, „Faust I“

Ich meine, dass wir den 2. Teil auch noch angefangen haben, aber wenn, dann habe ich da nur Königs Erläuterungen quergelesen. „Faust“ war Thema meiner Abiklausur im Deutsch-Leistungskurs. Ich habe danach auch noch mehrere Werke von Goethe gelesen, aber ein Liebling wird er nicht mehr werden. Viel spannender fand ich seine Biografie und den Besuch seines Wohnhauses, den ich noch zu DDR-Zeiten erlebte – auf einer Gruppenreise von Jugendlichen aus dem Landkreis Hannover in den Süden der DDR, die ich dreimal mitmachte. Das Goethehaus in Weimar sah ich nur einmal, die Gedenkstätte Buchenwald oberhalb der Stadt allerdings auf allen Fahrten. Daher ist Goethe fieserweise in meinem Kopf immer sehr mit deutscher Geschichte verbunden. Sein Frankfurter Haus besuchte ich ebenfalls vor einigen Jahren, was mir erst wieder einfiel, als ich nach dem Stichwort „Buchenwald“ im eigenen Blog googelte.

„Die Leiden des jungen Werther“ lasen wir auf jeden Fall, aber ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern, ob mir das Buch gefiel.

Jakob Wassermann, „Das Gold von Caxamalca“

An das Buch kann ich mich überhaupt nicht erinnern, aber an die Reaktionen meiner Klasse darauf. Ich weiß den Jahrgang nicht mehr, aber irgendein Deutschlehrer hatte mal die eigentlich gute Idee, uns über die nächste Lektüre abstimmen zu lassen. Einige Freiwillige lasen daher Bücher und stellten sie der Klasse vor, diese stimmte dann ab, was alle lesen würden. Ich stellte „Das Gold von Caxamalca“ anscheinend spannender vor als irgendwer das rosa Kaninchen, das von Hitler gestohlen wurde (bis heute nicht gelesen), und so lasen wir alle Wassermann. Und alle fanden es fürchterlich langweilig. Außer mir. Ich hätte viel früher merken müssen, wie gut ich werben kann.

Friedrich Schiller, „Don Carlos“

„Geben Sie Gedankenfreiheit!“ Mehr weiß ich nicht mehr. Aber an das Reclamheft erinnere ich mich noch, das bestand quasi nur aus fünf verschiedenen Textmarkerfarben. Schade, dass ich es weggeschmissen habe.

Ich bin mir sicher, dass ich von Kafka in der Schule etwas gelesen habe, vermutlich einige der kürzeren Erzählungen. Nicht die „Verwandlung“, keinesfalls einen der Romane. Ich wüsste sonst nicht, wie ich an Kafka herangekommen sein könnte wenn nicht in der Schule. Sein Gesamtwerk steht bei mir im Schrank. Danke, Schule.

Horvaths „Jugend ohne Gott“. Auch hier: danke, Schule, Horvath ist großartig. Es folgten viele Theaterbesuche und weitere Bücher.

Theodor Fontane, „Irrungen, Wirrungen“

Keine Erinnerung, außer: langweilig. Ich habe Fontane danach noch Chance um Chance gegeben, weil mich das 19. Jahrhundert irgendwann interessierte, aber ich glaube, ich habe außer der Schullektüre nichts mehr von ihm beendet. Auch nicht „Effie Briest“, mehrfach begonnen, irgendwann nicht mal mehr quergelesen, einfach auf dem Kindle ignoriert.

Lenz’ „Deutschstunde“? Oder hab ich das privat gelesen?

Vermutlich gelesen: Theodor Storms „Der Schimmelreite“, danach las ich noch freiwillig „Pole Poppenspäler“, aber mehr wollte ich dann nicht lesen. („Es muss was Lebendiges in den Deich!“ ist allerdings ein Krachersatz.) Ich meine, den „Zerbrochenen Krug“ von Kleist gehasst zu haben und ich kenne auch nichts anderes von ihm. Büchners „Dantons Tod“ könnten wir gelesen haben. Ich erinnere mich auch an „Frühlingserwachen“ von Wedekind, aber das mag eine Theateraufführung als Schulbesuch gewesen sein. „Nathan der Weise“?

An englische Lektüre aus dem Leistungskurs erinnere ich mich noch weniger. Ich behaupte „Of Mice in Men“ in der Schule besprochen zu haben, und von Herrn Steinbeck stehen hier noch … Moment, ich gehe zählen … fünf weitere Bücher im Regal, unter anderem natürlich „Grapes of Wrath“. Da hat die Schule solide Grundlagenarbeit geleistet.

Im Hinterkopf sind noch Arthur Millers „Death of a Salesman“ (toll) und Tennessee Williams’ „The Glass Menagerie“ (mir egal). Ich glaube, wir haben ein paar Shakespeare-Verfilmungen angeschaut, und ich habe „Romeo and Juliet“ zu Schulzeiten gelesen, aber vermutlich freiwillig. „Room at the top“ steht hier und sieht nach Schullektüre aus, aber ich habe keinerlei Erinnerungen daran.

Jetzt denke ich über die Frauenquote bei Schullektüre nach.

Für mich spannend: die Aufzählung bei Kittykoma, die in der DDR aufwuchs. Viele der dort genannten Bücher stehen bei mir als Leipziger Reclam-Ausgabe im Regal, für die ich die zwangsumgetauschten Ostmärker ausgab.