Tagebuch Donnerstag, 7. Oktober 2021 – Zupfbrot und nochmal Kevin Kühnert

Lather, rinse, repeat, arbeiten, kochen, essen, Crossword lösen, Serien gucken, lesen, schlafen. Die Doku über Kühnert habe ich jetzt durch und wiederhole meine Empfehlung von gestern.

Ich las irgendwo auf Twitter, dass die Serie zeige, wie unglamorös Politik sei und eben nicht so wie in US-amerikanischen Serien. Ich glaube nicht, dass irgendjemand geglaubt hat, im Bundeskanzleramt, im Willy-Brandt-Haus oder in Kommunalverbänden ginge es so zu wie in „The West Wing“, aber ja, falls doch, dann ist diese Serie ein gutes Gegenmittel. Ich mochte die vielen Reden, die vielen Gespräche, die Sätze, die eben mehr als pathetisches Wortgeklingel sind, sondern Ziele aufzeigen, Ideen, Veränderungswünsche. Ich mochte auch, dass Kühnert offen davon spricht, Macht besitzen zu wollen, mit der Erläuterung, dass, wenn jemand etwas bewegen möchte, er dafür eben Macht brauche, die in einer Demokratie glücklicherweise auf Zeit verteilt wäre.

Was mich bei der letzten Folge, die von der Bundestagswahl vor gerade zwei Wochen berichtet, allerdings etwas erstaunt hat, war die innerparteiliche Wahrnehmung, dass es an der tollen SPD gelegen habe, dass sie sich vor der Union platzieren konnte. Ich war bisher eher der Meinung, dass es an der unterirdischen CDU/CSU inklusive ihres unbeliebten Spitzenkandidaten gelegen habe. Aber die Wählerwanderung gibt mir nicht recht: Von bisher Unions-Wählenden entschieden sich mehr Abwander:innen für die SPD anstatt für die näherliegende FDP. Umgekehrt sieht das allerdings nicht so aus: Abtrünnige FDPler:innen gingen mehrheitlich zur Union anstatt zur SPD. Vielleicht ist aber trotzdem was dran an der These, dass der Laden sich seit zwei Jahren wirklich bemüht, nach außen geschlossen zu erscheinen bzw. zu kommunizieren, dass man durchaus unterschiedliche Strömungen – wie Kühnert vs. Scholz – unter einem Dach vereinen kann. Und dass die Partei deswegen auch wieder für unterschiedliche Vorlieben interessant wird.

Zum Abendbrot gab’s noch ein Restchen Chorizo mit einem Berg Gemüse dazu aus der Pfanne und wie in den letzten Tagen latent gezwungenermaßen Salat. Ich glaube, ich ändere meine Biokiste „Obst und Gemüse“ in „Kochgemüse“, dann muss ich keinen Salat mehr essen, aber dafür Obst dazu bestellen. Es ist kompliziert. Trotzdem ein netter Nebeneffekt von den Salaten der letzten Wochen: Ich hatte mal wieder Lust auf ein jogurtbasiertes Dressing anstatt des üblichen Essig-Öls, aber ehe ich Quatsch zusammenpantsche, fragte ich ein uraltes Jamie-Oliver-Kochbuch – ich glaube, das erste gekaufte nach dem Foodcoaching von … 2009? – und stieß auf die wunderbare Mischung Jogurt, Senf, Öl, Zitrone und Gewürze.

Zum Nachtisch gab’s Schokoladen-Zupfbrot. Hefeteig ist ja herrlich Home-Office-kompatibel: In der Mittagspause ansetzen, ruhen lassen, irgendwann in einer Teepause zum Laib formen und backen, und zum Feierabend ist es ausgekühlt und kann mit Espressoglasur bekleckert werden..

„Ted Lasso“ and the Limits of American Optimism

Wer „Ted Lasso“ noch nicht gesehen hat, möge das bitte dringend nachholen. Das Finale der zweiten Staffel landet heute auf Apple+ oder in Ihren Ecken des Interwebs, und soweit ich weiß, wird es nur noch eine dritte Staffel, aber sonst nichts mehr geben.

Ich hatte ein paar Probleme mit der zweiten Staffel, und einige werden auch im Podcast (plus Transkript) des Atlantic angesprochen, aber das hier hatte ich nicht auf dem Schirm, nicke es aber total ab:

„I think there’s something quietly genius about making this show that is about team sports not about the sport at all. The sport functions in this show so much like a metaphor, and it becomes a way for the show to talk about very fundamental questions of how the individual should act with the collective; how individuality becomes either rugged or toxic and where the lines are between those two things; what we owe to each other as individuals but also as fundamentally teammates.

Those are the questions that undergird public policy, that undergird our economic systems, our education system — everything, really. And this show is getting at them in this very quiet, subtle, but very powerful way. The show’s optimism is connected to the idea that we can never do anything on our own. We are always going to need some kind of team.

I watched the show when the mask mandates were a big debate in American culture, and people were refusing to act in any way that might be selfless. And I think, to watch a show like this, especially at a moment like that, where it was very easy to feel despair about our ability to just be human to each other—the show just felt kind of revelatory in that way.“

Es geht außerdem um den ewigen Optimismus, der in der ersten Staffel ansteckend und in der zweiten nervig war, weil er verhüllt, dass auch ein gut gelaunter Lasso Traumata mit sich herumschleppt. Der Podcast kommt kurz auf die anstrengende Prämisse zu sprechen, nach der es, gerade in der US-amerikanischen Kultur, in deiner ganz eigenen Verantwortung liegt, verdammt nochmal glücklich zu sein oder zu werden, und wie zerstörend diese Anforderung manchmal sein kann.

Ich mag an der Show, dass Fußball quasi nur das Grundrauschen ist oder eine Vorlage für schöne Witze über das Wembley Stadium, aber hier hat der Podcast sehr recht:

„The one thing that the show doesn’t get into because it’s a comedy — though it’s been getting into serious issues in Season 2 — is there is a lot of toxicity around soccer fandom. And this show gets into it a little bit. […] There is a particular violence ingrained in the culture of soccer that the show gets at a little bit with Jamie’s dad more than anything. The tribal aspect to it. The massive investment in whether a team wins or loses. That, particularly in this season, has been underplayed a lot.“

Im Transcript steckt ein Link zu Jezebel, in dem sehr gut beschrieben wird, warum die Show so gut funktioniert:

The Fantasy of a Locker Room Where Men Don’t Act Like Total Assholes

„The more Rebecca inserts herself in the locker room, the less time the audience sees locker-room antics like hazing and body shaming; a forewarning, perhaps, of what real-life locker rooms might expect if ever a woman were in a position to own a football club. This shift in behavior when the men are being watched is indicative of men’s self-awareness—they know what is and isn’t acceptable outside the closed space of the locker room. […]

Without trying too hard, the show weaves together various archetypes of masculinity and creates a perfect locker room in which they can all work together, even through the insane notion of having a woman in charge. The magic of Ted Lasso is that although it is set in the locker room, it removes some of the worst factors of the space—overt sexism, homophobia, emotional and physical abuse—and instead reimagines a space where those dark and dirty behaviors are relics of the past. These men and this locker room are more evolved than the men and locker rooms that the audience is familiar with, and that’s accomplished through the simple addition of empathy. Ted Lasso is empathetic to the struggle of each man on his team and toward Rebecca as well. This empathy that trickles down to the rest of the locker room is what sets the show on a different path than any other series that follows men into locker rooms.“