Tagebuch Freitag, 8. Oktober 2021 – Mit Kutteln kochen
Normalerweise klingelt mein Wecker um 7.30 Uhr, damit ich ausgeschlafen, geduscht, entspannt, nach einem frisch gesiebträgerten Flat White und einem Blick in die Twitter-Timeline unhektisch um 9 am Schreibtisch sitzen kann. Gestern wollte ich aber morgens flugs noch zum Metzger, um eine Bestellung abzuholen. Da ich leider nicht weiß, wann meine Biokiste tagsüber geliefert wird, bleibe ich den Rest des Tages an die Wohnung gefesselt. Daher klingelte der Wecker um 7, aber ich war netterweise schon um 6.57 wach, ha!
So ging ich geduscht und entspannt und unhektisch zum Metzger nebenan und holte die Dienstag bestellten Kutteln ab. Die kamen in einer großen Menge in Plastik eingeschweißt, ich bekam meine Winzmenge von 250 g abgewogen und musste das Zeug nicht mehr säubern oder stundenlang auskochen. Theoretisch jedenfalls. Praktisch wollte das Suppenrezept, das ich ausprobieren wollte, sowieso, dass sie mit anderen herrlichen Zutaten fünf Stunden lang rumköcheln.
Ich verstaute alles erst einmal im Kühlschrank und nutzte dann später die Mittagspause, um mich den unbekannten Kutteln zu nähern, die ich, ich erwähnte es vor einigen Tagen, noch nie essen wollte. Erstmal vorsichtig dran riechen – und sofort zurückgezuckt: Die rochen wie ein Aschenbecher in einer Kneipe, in der seit 20 Jahren nicht gelüftet wurde. (Fun fact: In der Nachbarschaft der Hamburger Agentur, die mich gerade gebucht hat, war zu meinen Juniortexterinnentagen genau so eine Kneipe. Gibt es längst nicht mehr, aber den Geruch, der aus der Tür trat, wenn man zufällig dran vorbeiging, werde ich nie vergessen.)
F. schrieb auf meine Aschenbecher-DM übrigens launig zurück: „You say that like it’s a bad thing.“ Funny man.
Ich würfelte Zwiebeln, Knoblauch und eine Paprika und briet sie mit Pfefferkörnern in Öl an. Darauf kamen die mundgerecht zerteilten Kutteln sowie ein ebenso zerteiltes herrliches Entrecote. Ich hatte kurz überlegt, die Kutteln einfach zu verklappen, weil mir der Rest der Zutaten so leid tat, aber da war schon alles im Topf. Kurz angebraten, alles mit Rinderbrühe aufgegossen und dann simmerte alles für zwei Stunden vor sich hin. Der Zigarettengeruch wich langsam einer gewissen Rauchigkeit, die mich aber auch noch nicht restlos überzeugte.
Praktischerweise war die Biokiste ebenfalls in der Mittagspause gekommen, so dass ich gleich den winzigen Kürbis, der sich auch in ihr befand, zerteilen konnte. Nach zwei Stunden Kochzeit gab ich also ein paar Kartoffeln, eine Möhre, ein paar Spalten Kürbis und eine einzige grüne Chili mit Kernen dazu, nach weiteren 90 Minuten noch eine große Handvoll Spinat sowie ein halbes Bund frischen Koriander. Nachdem alles eine weitere halbe Stunde gesimmert hatte, entnahm ich wenige Kartoffelstücke, zerstampfte sie auf einem Teller und gab sie als Brei wieder in die Suppe. Das gab eine gewisse Sämigkeit, ich hatte nun ein schönes Mittelding zwischen einer Brühe mit Dingen drin und einer komplett sämigen Samtsuppe. Das gefiel mir sehr. Ich traute mich außerdem, endlich mal zu kosten, allerdings nur die Brühe: Das war ausgesprochen gut, sehr würzig und angenehm scharf.
Bevor F. zur Date Night auflief, buk ich noch Maisbrot und rührte eine schnelle Honigbutter an. Und dann gab es Philadelphia Pepper Pot Stew, über den ich vor wenigen Tagen in „High on the Hog“ gelesen hatte.
Die Suppe bringt eine sehr angenehme Grundschärfe mit – F. nannte es „hat Wumms“ –, war dabei aber eher warm-pfeffrig als chili-scharf. Da ich noch nie mit Kutteln gekocht hatte, kann ich nicht beurteilen, was genau ihr Job in der Suppe war. Viele Stücke waren zerfallen bzw. so cremig-weich gekocht, dass man sie kaum zerbeißen konnte, da waren sie schon die Speiseröhre runter. Ich weiß nicht, ob auch diese Zutat für die Sämigkeit des Ganzen gesorgt hat. Die größeren Stücke waren allerdings noch durchaus spürbar, wenn auch weit weg von bissfest, und da musste ich mich doch etwas überwinden, dieses gallertartige Zeug zu kauen. Mein übliches Meeresfrüchte-Kau-Erlebnis-Problem, denke ich. Das ist einfach eine Konsistenz, die ich mir nur bei Weingummi gefallen lasse. Geschmeckt haben die Kutteln schlicht nach dem Eintopf, in dem sie gekocht wurden.
Beim nächsten Mal, und es wird ein nächstes Mal geben, das war wirklich äußerst schmackhaft, lasse ich die Kutteln weg und gucke mal, was es mit der Suppe macht. Bis dahin verweise ich euch auf das Rezept da oben im Link sowie die spannende Stadtgeschichte dazu.
(Und sieht meine Biokiste nicht aus wie ein zufälliger Cotán? Herzaugenemoji!)