Tagebuch Montag, 22. November 2021 – Erholen von der Erholung

Ich brauche immer mindestens einen Tag, um mir den Norden aus den Knochen zu schlafen bzw. rauszukochen und der war gestern.

Blöderweise konnte ich nicht ausschlafen, da die gute Hausverwaltung mir für 8 Uhr morgens einen Monteur angekündigt hatte, der sich meines gerissenen Riemens der Außenjalousie annehmen wollte. Seit Beginn der Pandemie war praktisch nur F. mal länger in meinen heiligen Räumen, einmal, wenn ich mich richtig erinnere, unser Podcastmitstreiter, und irgendwann wurden mal die Heizkörper und Rauchmelder überprüft, aber das dauerte nur fünf Minuten. Gestern war der Herr aber eine gute Stunde beschäftigt – immerhin mit Maske reingekommen und danach sofort die Fenster aufgerissen, was natürlich auch damit zu tun hatte, dass er an den Außenrolladen ranwollte. Wie praktisch. Der Herr durfte auch meine Toilette benutzen, während ich ein Zimmer weiter weg am Rechner saß, die ganze Zeit mit FFP2-Maske. Sobald er gegangen war, setzte bei mir die totale Übersprungshandlung ein, ich riss alle Wohnungsfenster groß auf, die bisher gekippt waren, desinfizierte so ziemlich alles, was der Herr angefasst haben könnte und trug die Maske noch mindestens eine Stunde, also bis kurz vor dem Erfrierungstod. Ich kam mir völlig bescheuert vor, betrachte aber auch heute noch Tür- und Fenstergriffe misstrauisch und finde mich total überspannt. Danke, Corona, du verdammte Nervensäge. Als ob ich nicht schon anstrengend genug wäre.

Aber immerhin musste ich nicht vor die Tür, bis auf den kurzen Gang zum Briefkasten, um die Zeitung zu holen. Denn: Meine freitägliche Biokiste war netterweise von meiner Nachbarin entgegengenommen worden. Ich hatte ihr als Dankeschön für das nutzlose Runterscheuchen vor dem Levit-Konzert zwei Äpfel aus meiner Kiste an die Tür gehängt. Die haben ihr so gut geschmeckt, dass sie seitdem auch Kisten-Abonnentin ist, und daher konnte meine Kiste einfach an sie geliefert werden, während ich noch im Norden war. Die stand dann Sonntag, als ich ankam, vor meiner Tür, und gestern wurden daraus ein paar Mohrrüben zu Ofenmohrrüben. Bei Masterchef hatte ich gerade ein kleines Kartoffeltörtchen gesehen, das wurde spontan nachgekocht: Einfach Kartoffelbrei mit Schalotten und wer mag noch einem Eigelb (bei mir ohne) in einen Servierring quetschen und in Butter braten. Bei mir lagen noch ein paar Thymianzweige und Knoblauchzehen in der Butter.

Beim Vorbereiten der Karotten freute ich mich über eine Idee, die ich vor wenigen Wochen gehabt hatte. Meine Gewürze liegen fürchterlich ungeordnet durcheinander in einer Kiste. Ich habe kein Regal oder eine große Schublade und fieserweise keinen Platz für irre kluge und ästhetisch ausgewogene Dosensammlungen, alles liegt halt in der Box, die ich komplett durchwühlen muss, um Chilipulver oder Zimt oder die vermutlich lose rumfliegenden Sternanisnupsis zu finden. Aber jetzt nicht mehr, denn ich habe die Gewürze neuerdings thematisch in kleineren Boxen versammelt und kann diese einzeln aus der großen Box heben. Und so brauchte ich nicht nach drei Döschen oder Gläschen zu suchen, sondern nur nach der orientalisch-indischen-Ottolenghi-Box, um mit einem Griff Koriander, Kreuzkümmel und Kurkuma zu haben. Es hätte auch die italienische-Kräuter-Box werden können oder die asiatisch-scharfe oder die süße mit Vanille, Zimt und eben den Sternchen. Das ist schön, wenn Zeugs funktioniert. Oma Gröner kauft jetzt weiterhin Mövenpickeis, nur um an die Boxen zu kommen. Ich werde wie meine Mutter enden, mit achthundert leeren Dosen in einem Kellerabteil.

Ach, und noch was hat funkioniert: Ich habe mich jahrelang nicht getraut, Omas Geschirr mit dem Goldrand in den Geschirrspüler zu stellen. Das 60er-Jahre-Geschirr, wie oben auf dem Foto zu sehen, ist mir aber schon diverse Mal in knuffig-szenigen Kneipen oder Bistros aufgefallen, und irgendwie glaube ich, dass kein Gastrobetrieb Geschirr verwenden würde, das nicht maschinell gespült werden kann. Also wagte ich gestern den Test und stellte den Teller, von Kartoffelkuchen und Möhren befreit, in den Geschirrspüler. Heute morgen konnte ich feststellen: Goldrand ist noch vollständig dran. Zweiter Gedanke: 20 Jahre nutzlos mit der Hand gespült, ich Honk. Aber Omis Blümchengeschirr kann bestimmt nicht in die Maschine! Jedenfalls probiere ich das nicht aus.