Samstag, 29. Oktober 2022

Auf einem ersten Geburtstag gewesen. Ein Biskuitrezept abfotografiert. Schöne Gespräche geführt. F. beim Fotografieren fotografiert. Eigentlich ein guter Tag, aber ich musste mich über ein Buch aufregen.

Da habe ich beim Klappentext in der Buchhandlung anscheinend auch nur quergelesen, als ich das Ding spontan kaufte. Extreme Kurzfassung: ehemals überzeugte Nationalsozialistin verknallt sich in jüdischen untergetauchten Maler, dessen Frau und Kind deportiert wurden. Ja, ich weiß auch nicht mehr, warum ich der Meinung war, dieses Buch lesen zu wollen und ich will es auch gar nicht ernsthaft rezensieren, weil oh dear god, aber auf ein paar Sätze möchte ich doch kurz eingehen.

Ehefrau wendet sich an jüdischen, latent abstrakt arbeitenden Maler, damals noch nicht untergetaucht, mit den Sätzen: „Sieh dir doch das das Geschmiere dieser Nazimaler an, nichts als züchtige dicke Mütter und heroische Herrenmenschen, alles flach und unbedeutend.“ Äh. Nein. Übelster Porno statt züchtig, schlank statt dick, und es gab nicht nur Abbildungen der Frau als Mutter. Einfach mal „Frau“ in die Suche einzugeben hätte für die Recherche schon gereicht.

Zwei Zeilen weiter: „Ihr habt die tödliche Langeweile des Realismus überwunden.“ Äh. Nein. Der Realismus hat im 19. Jahrhundert die tödliche Langeweile der Schlachtengemälde, der betulichen Genremalerei und der verkitschten Romantik überwunden. Eine Wikipedia-Suche hätte für die Recherche schon gereicht.

Zwei Seiten weiter: „[Er] verfolgte den Stil des Bauhauses und der Neuen Sachlichkeit, zwei Kunstrichtungen, die konträr zur völkischen Ideologie der Nazis standen.“ Äh. Fast nein. Bauhaus nicke ich ab, aber die Künstler der Neuen Sachlichkeit haben teilweise einfach da weitergemacht, wo sie vor 1933 schon waren (Christian Schads „Isabella“ hing 1937 auf der GDK), während andere sich latent anpassten. Wie ich seit Jahren vor mich hinblubbere: Das Bild, das im Komplex Autobahnmalerei in diversen Publikationen als stilbildend von der NS-Presse und -kunstliteratur hochgehalten wurde, Wilhelm Heises „Mangfallbrücke im Bau“, ist klar neusachlich (hier im dritten und vierten Bild immerhin zu erkennen, leider nicht auf der Website). Eine OPAC-Suche nach so simplen Schlagworten wie „Neue Sachlichkeit Nationalsozialismus“ hätte für die Recherche schon gereicht.

Damit will ich mal wieder nicht die Kunst des NS verteidigen – WIRKLICH NICHT –, aber mir geht diese falsche und/oder verkürzende Vereinfachung und Reduzierung auf den Zeiger. Netterweise gingen mir der Rest des Buchs bzw. seine alberne Handlung und sein treudoofer Schreibstil genauso auf den Zeiger, daher kommt es jetzt ins Altpapier.