Mittwoch, 18. Januar 2023 – Radeln und Rauschen
Fahrrad vom Schrauber abgeholt. Mein Hinterreifen hat jetzt ein Dunlop-Ventil, weil ich für die blöden Sclaverands zu grobmotorisch bin (habe mir das Ventil beim letzten Aufpumpen total verbogen). Außerdem kann meine Klingel jetzt wieder klingeln. Bezahlt habe ich für diese guten Dienste 21 Euro, und wenn ich das auf meinen eigenen Stundenumsatz umrechne, die Kosten für Schlauch und Klingel, die ich anscheinend zum Einkaufspreis bekommen habe, und mein Talent für schlechte Laune bei DIY-Projekten, bin ich damit extrem zufrieden. Dinge, die nerven, auslagern zu können, ist ein großer Luxus.
Ich muss auf dem Fahrrad auch sehr oft an diesen Tweet von 2008 denken, als ich gerade in Berlin gebucht war:
Radfahrer vor Fenster, enthusiastisch brüllend: „Das ist so geil, mit aufgepumpten Reifen zu fahren!“
— Anke Gröner (@ankegroener) April 26, 2008
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Ich lese gerade „White Noise“ von Don DeLillo, weil ich durch die Verfilmung daran erinnert wurde, dass das Buch noch ungelesen in meinem Regal steht. Ich dachte so, na, das wirst du wohl vor zehn Jahren gekauft haben. Meine Amazon-Historie sagte mir aber: 2001. Upsi. So gelblich sieht es leider auch schon aus, aber egal, dann macht es nichts, wenn es im Rucksack ein paar Schrammen abbekommt. Ich transportiere meine Bücher immer in einer kleinen Plastiktüte im Rucksack, aber so irre viel hilft das auch nicht.
Jedenfalls: Bis jetzt lese ich es recht gerne, auch wenn ich mich die ersten 100 Seiten gefragt habe, wo das wohl alles hingehen soll. Einen Abschnitt fand ich sehr schön; dort wartet die Hauptperson, ein Familienvater, am Flughafen auf seine Tochter, als eine Gruppe Menschen auftaucht, die keinen guten Flug hatten. Ihr Flugzeug sackte kilometerweit ab, alle dachten, sie müssten sterben, Chaos an Bord, aber der Pilot konnte die Maschine noch herumreißen, sie überlebten und landeten quasi wie geplant, und nun erzählt einer der Passagiere dem Vater, was an Bord passiert ist. Um ihn herum stehen die anderen Passagiere.
„By the time the narrator reached this point in his account, many people were crowded around, not only people who’d just emerged from the tunnel [in the airport] but also those who’d been among the first to disembark. They’d come back to listen. They were not yet ready to disperse, to reinhabit their earthbound bodies, but wanted to linger with their terror, keep it separate and intact for just a while longer. More people drifted toward us, milled about, close to the entire planeload. They were content to let the capped and vested man speak on their behalf. No one disputed his account or tried to add individual testimony. It was as though they were being told of an event they hadn’t personally been involved in. They were interested in what he said, even curious, but also clearly detached. They trusted him to tell them what they’d said and felt. […]
I’d been pushed away from the narrator by people crowding in to listen, well over a hundred of them, dragging their shoulder bags and garment bags across the dusty floor. Just as I realized I was almost out of hearing range, I saw [my daughter] Bee standing next to me, her small face smooth and white in a mass of kinky hair. She jumped into my embrace, smelling of jet exhaust.
“Where’s the media?“ she said.
“There is no media in Iron City.”
“They went through all that for nothing?”“
Don DeLillo: „White Noise“, New York 1999, S. 91/92.