Tagebuch Montag, 21. August 2023 – Gelernt:
Bisher habe ich Muhammara, einen meiner liebsten Dips, nicht allzu oft zubereitet, weil das Rösten und Abziehen von Paprika manchmal nervt. Bei 30 Grad noch mehr. Aber: Meine liebste Vegan-YouTuberin bastelte das herrliche Zeug neulich mit, wer hätte es gedacht, Paprika aus dem Glas. Davon hatte ich sogar eins. Nachgebaut, probiert, mache ich jetzt immer. (In mein Muhammara kommt kein Granatapfelsirup.)
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Eine andere Dame, der ich gerne auf YouTube zuschaue, kocht auch ab und zu in ihren Videos. Im neuesten zeigt sie Tofu, was mich jetzt nicht überraschen konnte, aber: Ihre Frühlingszwiebeln kamen schon vorbereitet in Ringe geschnitten aus der Plastikbox.
Ich preppe meine Möhren nach dem Kauf immer, schäle sie und schneide sie so zurecht, dass sie in meine Box passen, die im Gemüsefach steht. Wenn ich sie verwenden will, muss ich sie nur noch in Juliennes verwandeln. Es ist vermutlich zeitlich ein ähnlicher Aufwand, alle Möhren erst bei der Zubereitung zu schälen, aber ich mag das, immer fertige Sticks zu haben. Und weil meine Frühlingszwiebeln gerne mal trockene Blätter bekommen, ganz egal wie oft ich sie in asiatisch angehauchte „Alles muss raus“-Teller werfe, preppe ich jetzt auch meine Zwiebeln.
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Außerdem gelernt, wie groß mein Kopfumfang ist. Werde wohl doch allmählich einen Fahrradheln kaufen wollen.
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Die Geschichte von Baťa, via dieses Tröts.
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Es ist 2023. Ich vergesse seit der offiziellen Pandemiezeit echt manchmal, welches Jahr wir haben, weil die letzten drei Jahre ineinander schwimmen. Dass es 2023 ist, merkte ich mal wieder an einer Rezension von Michael Wildt, die sich mit Büchern zum Jahr 1923 beschäftigt. Ich schätze Wildt sehr, und hier erinnert er erstens daran, dass es meist Männer sind, die über Geschichte schreiben bzw. die publiziert und rezensiert werden, und zweitens, dass es heute auch andere Möglichkeiten gäbe, sich mit Geschichte und ihrer Darstellung auseinanderzusetzen.
Rezensionsessay: 1923 als Kristallkugel?
„Das Jahr 1923 macht auf dem Büchermarkt Furore. Das mag zum einen an der „Jubiläumitis“ (Marco Demantowsky) liegen, die uns mit einem 100-Jahre-Schlepptau immer neue Anlässe bietet, Aufmerksamkeit und Kaufverhalten zu stimulieren. Zum anderen bündelt dieses Jahr wohl wie kein anderes die Stereotypen von der Weimarer Republik, die medial derzeit en vogue sind: Babylon Berlin, Grusel und Faszination, Tanz auf dem Vulkan. Und in der Tat entsprechen eine Reihe von Neuerscheinungen zum Jahr 1923 exakt diesen Erwartungen, indem sie – frei nach der so erfolgreichen Vorlage von Florian Illies‘ „1913“ – wie im Zeitraffer kurze Episoden, biografische Abrisse, Ereignisse aus der Welt der Kultur präsentieren, meist sogar mit der chronologischen Struktur des Kalenders, um ein Zeitbild dieses Jahres einzufangen. Es ist aber auch eine erstaunliche Vielzahl von geschichtswissenschaftlichen Büchern erschienen, die den Anspruch erheben, im Jahr 1923 gewissermaßen den Nukleus der Ambivalenz der Weimarer Republik zu erkennen, eben nicht als Menetekel ihres Scheiterns, sondern auch als Möglichkeit, der Krise zu entkommen. […]
Alle vier Bücher von Jones, Longerich, Reichel und Ullrich offenbaren ein grundsätzliches Problem der Narration. Denn die Fokussierung auf ein Jahr, in dem sich so viel parallel ereignet, lässt sich kaum in die Form einer linearen Erzählung, die ein Buch darstellt, bringen. […] Vielleicht ermuntern die eingangs erwähnten, konventionell konzeptualisierten feuilletonistischen „Jahresbücher“, die zweifellos vor allem einer Marktlogik folgen, dazu, auch wissenschaftlich neue, kreative historische Erzählformen zu finden, weit stärker als bisher mit visuellem Material oder mit digitalen Elementen zu arbeiten, um die strenge lineare Narration zu durchbrechen und mit hybriden Hypertexten zu experimentieren.“