Tagebuch Donnerstag, 7. September 2023 – Glocken
Wir saßen gestern abend in der Isarphilharmonie und hörten Mahlers 2. Sinfonie. Ich kannte das Stück noch nicht – und wurde völlig von ihm überrumpelt. Das Ding dauert 90 Minuten, hat fünf Sätze, wird ohne Pause gespielt (perfekt, Pausen nerven), und ich war keine Sekunde abgelenkt. Das ist mir in klassischen Konzerten vermutlich noch nie passiert. So sehr ich diese Art Musik liebe – irgendwann schweife ich dann doch mal ab, denke ans Essen oder das Universum oder mir fällt auf, dass die Hüsterchen im Saal wieder zunehmen, aber gestern war mein Kopf so gut wie ausnahmslos vorne auf der Bühne, wo ein riesiges Orchester, ein ebenso riesiger Chor und zwei Solistinnen alles zwischen Pianissimo und Fortissimo von sich gaben.
Es gab acht Kontrabässe, zwei Harfen, die vier (?) Percussionisten waren deutlich sichtbar beschäftigt, mir ist die Pikkoloflöte noch nie so oft aufgefallen, zwischendurch mussten zwei Bläser mal hinter die Bühne fürs Fernorchester, dann kamen zwei Schlagzeuger für einen schönen Trommelwirbel auf die Bühne, der Chor erhob sich nach Stimmen getrennt und natürlich gab es neben einem riesigen Gong auch Glocken, warum auch nicht, GLOCKEN, WIR HABEN GLOCKEN! Die Wall of Sound ist ein Kindergarten dagegen.
Das Ding ist eine einzige Wundertüte, bei der ich nie wusste, wo es hinging, und ich habe mich gerne in alle Richtungen mitnehmen lassen. Falls dieses Zauberwerk mal in eurer Nähe aufgeführt wird – geht ruhig mal hin. Wer dazu keine Gelegenheit hat, mag vielleicht dem Symphonieorchester und dem Chor des Bayerischen Rundfunks unter Zubin Mehta zuhören.