2023 revisited

(2022, 2021, 2020, 2019, 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004, 2003.)

1. Der hirnrissigste Plan?

Zu glauben, dass wir alle dasselbe Internet kennen.

2. Die gefährlichste Unternehmung?

E-Mails schreiben.

3. Die teuerste Anschaffung?

Zwei neue Billy-Regale mit Aufsatz fürs Arbeitszimmer, damit ich nicht weiter über Bücherstapel stolpere. Oder die drei Frühstücke in Amsterdam für F. und mich. Müssten ungefähr genauso viel gekostet haben, du schöne, überlaufene Touristadt.

4. Das leckerste Essen?

Der erste Krug-Champagner im Brothers. Der Oger-Champagner von Benoit Marguet im Waltz, von dem ich ernsthaft geträumt habe. Die zwei, drei Hellen mit Schwester und Schwager im Obacht. Alle Cocktails in der Bar Tantris. Der Volnay, mit dem uns das Tantris DNA ins Burgund schickte, aus dem wir nicht wieder herauskommen.

Der frittierte Blumenkohl in der Schreiberei. Alle Saucen im Tantris und im Tantris DNA. Jeder einzelne Gang bei Tohru und im Alois. Das Kaiseki-Menü im Masa in Frankfurt. Das vegetarische Menü im Flore in Amsterdam. (You had me at Kohlrabi.) Jede Erdnusssauce, die ich über meinen Gemüsereis geschlotzt habe. Das bei Niedrigtemperatur gegarte Rindfleisch, das der Schwager zu Weihnachten servierte.

5. Das beeindruckendste Buch?

Sachbuch:
– Anatol Regnier: Jeder schreibt für sich allein. Schriftsteller im Nationalsozialismus
– Gregor Hofmann: Mitspieler der „Volksgemeinschaft“. Der FC Bayern und der Nationalsozialismus
– Steffen Mau: Lütten Klein. Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft

Fiktion:
– Klaus Mann: Mephisto. Roman einer Karriere
– Colson Whitehead: The Nickel Boys
– Bernardine Evaristo: Girl, Woman, Other

6. Der ergreifendste Film?

Die Frage könnte ich auch mal streichen. Ich schaue kaum noch Filme, gehe quasi überhaupt nicht mehr ins Kino, weiß nicht mehr, was gerade angesagt ist. Ich gucke Serien, das war’s, gerne Altbekanntes, das nebenbei läuft. Ich merke da aber auch, dass sogar die Lieblinge mich nicht mehr so mitnehmen. Selbst „Masterchef Australia“, jahrelang ein Garant für gute Laune, war mir in diesem Jahr irgendwie egal.

Ich ersetze die Frage durch:

6. Was hast du 2023 gelernt?

Dass ein Job, der wie ein Traum klingt, nicht immer ein Traumjob sein muss. Dabei aber auch festgestellt, dass ich bisher von dieser Erkenntnis verschont wurde, das ist ja auch mal schön, das zu merken. Dass unverhofft Pläne um die Ecke kommen, von denen ich nicht mal wusste, dass ich sie habe, weil ich mit Menschen geredet habe anstatt alleine auf dem Sofa vor mich hinzuhadern. Dass ich nie genug Bücherregale haben werde. Okay, das wusste ich vermutlich schon vor diesem Jahr.

7. Die beste Musik?

Die 80er-Jahre-Playlist, die ich auf dem Weg von Düsseldorf nach Hause immer höre.

8. Das schönste Konzert?

Moderne Musik mit „Der gelbe Klang“, Mahlers 2. Sinfonie in der Isarphilharmonie, natürlich die Wiener Philharmoniker, vor allem weil Dvořák, Daniil Trifonov und Igor Levit, beide eine Liga für sich und doch absolut unterschiedlich. Aber eigentlich ist jedes Konzert mit F. toll, weil wir meist über Neues sprechen können und manchmal, nur manchmal, danach noch irgendwo auf ein bis fünf Getränke einkehren.

9. Die tollste Ausstellung?

Die ständige Sammlung im Dresdner Albertinum hat mir sehr gefallen, wobei ich mich da auf meine Zeit (20. Jahrhundert) beschränkt habe. Ignacio Zuloaga in der Kunsthalle. Charlotte Salomon und Turner im Lenbachhaus mochte ich sehr, das kann aber auch daran liegen, dass ich gerade bei Salomon dauernd unten war, weil’s halt ging, einfach in der Mittagspause kurz rein. In Amsterdam waren wir für Vermeer, das war schön, aber noch mehr beeindruckt hat mich Keith Harings „Amsterdam Notes“, das nach Jahrzehnten mal wieder im Stedelijk hing. „(K)ein Puppenheim“ im Münchner Stadtmuseum war wild und bunt und zu groß, hat mich aber gut unterhalten. Porzellan im Zwinger geht immer, genau wie die Moritzburg in Halle, wo die Dauerausstellung zum 20. Jahrhundert zu meinen liebsten gehört. Geht da mal hin! Und ins Stadtmuseum Kaufbeuren, da kann man dauernd Dinge hochheben, aufdecken, an Zeug ziehen, Knöpfchen drücken und überhaupt ist das dort alles eine totale Entdeckungsreise. Vorsatz fürs nächste Jahr: öfter in Stadtmuseen gehen. Gibt ja genug davon.

10. Die meiste Zeit verbracht mit …?

… mir und dem Nachdenken darüber, wie ich in diese Welt passe.

11. Die schönste Zeit verbracht mit …?

… backen und kochen und essen und Wein trinken. Das ist meine Komfortzone und aus der muss ich mal so überhaupt gar nicht raus.

12. Vorherrschendes Gefühl 2023?

Hä, was?

13. 2023 zum ersten Mal getan?

An einer Universität gelehrt. In einem Museum gearbeitet. Einen Forschungsantrag … fast fertig ausformuliert; hier hätte ich gerne „abgeschickt“ eingetragen, aber ich bastele lieber noch ein paar Wochen. Eine Fortbildung zu Provenienzforschung absolviert. In Sterneläden den Wein flaschenweise geordert und nicht mehr gläserweise. Champagner auch. Ein armenisches Kochbuch besessen. Koriander in Bohnensalat geworfen. Die guten weißen Stoffservietten im Alltag benutzt, denn wozu habe ich sie sonst, mache ich mit dem Silber ja auch. Hebräisch gelernt. Meinen Patenonkel beerdigt.

14. 2023 nach langer Zeit wieder getan?

Wochenlang nicht gebloggt. Zweimal erkältet gewesen (immer noch kein Covid gehabt, darf gern so bleiben, es ist inzwischen pure Glückssache, glaube ich, trotzdem: Tragt Masken). Regelmäßig Romane aus der Stadtbibliothek geliehen anstatt sie zu erwerben. Eine KZ-Gedenkstätte besucht. Vorstellungsgespräche gehabt. Festangestellt gewesen. Geflogen (erstmals nach März 2020). In Berlin, Amsterdam, Düsseldorf und Dresden gewesen. Dafür nach Jahren regelmäßiger Besuche mal nicht in Wien, das fehlt total.

15. Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?

[Kann ich hier nicht schreiben 1]. [Kann ich hier nicht schreiben 2]. Selbstzweifel, schlaflose Nächte und überflüssige Tränen durch [Kann ich hier nicht schreiben 1 und 2].

Wasser im mütterlichen Keller zu Weihnachten.

Das Erstarken rechter und rechtsextremer Parteien in Deutschland und dass einige demokratischen Parteien gefühlt nur zugucken und manche Medien Öl ins Feuer gießen. Wie dünn muss das Drahtseil über dem Abgrund denn noch werden? (Ich habe wochenlang nicht gebloggt, hier liegen noch ein paar Metaphern und Verallgemeinerungen rum.)

16. Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?

Mich selbst, dass Kapitalismus halt so funktioniert und ich gut gelaunt mitspielen muss, um nicht unter einer Brücke zu enden.

17. Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

Das Mütterchen regelmäßiger anzurufen, auch wenn’s eigentlich gerade nichts zu erzählen gibt. Gibt es dann nämlich doch immer.

18. Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?

Besuch von Schwesterchen und Schwager in München sowie alle Essens- und Konzerteinladungen durch F. Ich würde ohne ihn verhungern (naja) und verblöden.

19. Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?

„Bei dir fühle ich mich sicher.“

20. Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?

„Danke für deine Hilfe.“

21. 2023 war mit einem Wort …?

Verwirrend.