2019 revisited

(2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004, 2003.)

1. Der hirnrissigste Plan?

Im Nachhinein: mir Ende 2018 die größere Wohnung gegönnt zu haben. Dieses Jahr war finanziell mal so richtig beschissen, weil mir gleich drei Kunden auf einmal weggebrochen sind – was nicht an mir gelegen hat, sondern an dortigen internen Vorgängen –, die ich naiverweise eingeplant hatte. (Alle anderen Selbständigen so: *patsch*) Daher war ich in diesem Jahr fast konstant damit beschäftigt, meine teure Wohnung zu hassen und sie gleichzeitig zu lieben, weil sie mich theoretisch (THEORETISCH!) um so vieles entspannter sein lässt als die kleine, günstigere Schnuffelbutze.

2. Die gefährlichste Unternehmung?

Radfahren im normalen deutschen Straßenverkehr. Selbständig sein.

3. Die teuerste Anschaffung?

Anschaffung ist gut. Im Mai gönnte ich mir nach wochenlangen Zahnschmerzen eine finanziell nicht eingeplante Wurzelbehandlung. Die kam echt genau im falschen Jahr. Ansonsten war ich sehr sparsam, das zweitteuerste dürfte die Bahncard gewesen sein. Da ich jetzt regelmäßiger in den Norden fahre, schien mir das eine gute Investition.

4. Das leckerste Essen?

Zwei Sterne im Werneckhof zu F.s Geburtstag. Keinen Stern, aber wie immer liebevollst umsorgt gefühlt im Broeding. Neu auf der Liste: das MAST in Wien, bei dem ich jeden Wein und jeden Gang hätte heiraten wollen. Und jedes Käsebrot, das unter meinem Grill zur blubbrigen Delikatesse wird.

5. Das beeindruckendste Buch?

Sachbuch: Albert Speer: Eine deutsche Karriere von Magnus Brechtken (hier am Anfang des Blogeintrag erwähnt). Stamped from the Beginning: The Definitive History of Racist Ideas in America von Ibram X. Kendi (Besprechung). Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers von Stefan Zweig (ganz unten im Blogeintrag erwähnt).

Fiktion: The Remains of the Day von Kazuo Ishiguro, quasi in einem Rutsch durchgelesen. Genau wie Saša Stanišićs Herkunft. Etwas länger gedauert haben Heinrich Manns Der Untertan und Yoko Ogawas The Memory Police, aber die waren genauso toll.

6. Der ergreifendste Film?

Ich war nur zweimal im Kino, Frozen II und Star Wars: Rise of Skywalker. Der letzte war ärgerlich, der erste immerhin unterhaltsam. Ergreifend war keiner. Bei Serien würde ich gerne ein paar Folgen von This is Us und The Good Place in den Ring werfen.

Das Geld, was ich im Kino gespart habe, trug ich ins Theater. Da hat mir Miranda Julys Der erste fiese Typ ähnlich gut gefallen wie Hamlet in der Inszenierung von Christopher Rüping.

7. Die beste CD? Der beste Download?

Keine CD gekauft, nichts runtergeladen. Dafür weiterhin Spotify Premium genossen (gönn dir!) und die „Year of Wonder“-Playlist rauf und runter gehört. Dazu die tollen Klassik-Playlists von Gabriel Yoran. Neben Bohuslav Martinů viel Dvořák gehört. Vorsatz fürs nächste Jahr: noch mehr tschechische Komponist*innen entdecken.

8. Das schönste Konzert?

Die Nachtmusik der Moderne mit Anna Thorvaldsdottir; an den Chor in der Rotunde der Pinakothek der Moderne, der auf mich runtersang, musste ich noch lange denken. Aber der Parsifal in der Bayerischen Staatsoper war auch toll, unerwarteterweise. Der Tannhäuser in Bayreuth ja eh. Und ich persönlich habe mich gefreut, spontan an einem Sonntagmorgen ein bisschen Martinů hören zu können; genau die letzte Karte gekriegt.

9. Die tollste Ausstellung?

Ganz weit vorne, weil noch nie sowas gesehen: El Anatsui im Haus der Kunst. Ganz knapp dahinter jemand, von dem ich dachte, ich hätte ihn schon viel zu oft gesehen, nur um in der Albertina vor drei Tagen festzustellen: nix hab ich gesehen, ich kenne Albrecht Dürer überhaupt nicht. Wird noch verbloggt. Falls ich mein stilles Staunen irgendwie in Worte fassen kann.

10. Die meiste Zeit verbracht mit …?

Der Dissertation, am Schreibtisch, in Archiven, in Bibliotheken.

11. Die schönste Zeit verbracht mit …?

Der Dissertation, am Schreibtisch, in Archiven, in Bibliotheken.

Gleichauf damit: jede Zeit mit F., egal wo, egal wie.

12. Vorherrschendes Gefühl 2019?

2018 war irgendwie einfacher.

13. 2019 zum ersten Mal getan?

Ein Elternteil gefüttert. Sieben Monate später ein Elternteil im Rollstuhl durch die alte Heimat geschoben. Einem Zwei-Sterne-Koch die Hand geschüttelt. Einen Blumengießdienst organisiert, weil ich ein paar Tage weg vom eigenen Balkon war. Einen benutzbaren Balkon besessen. Eine Generalprobe in Bayreuth gesehen. Ein Drittligaspiel gesehen (in Würzburg, auch vorher noch nie dagewesen). Einen der Monty Pythons live gesehen. In der Schweiz gewesen (okay, nur durchgefahren). In Liechtenstein gewesen (okay, nur einen Tag). Auf 1600 Höhenmeter gestanden. Eine Dauerkarte für die FCB Damen besessen – aber es dann zu kaum einem Spiel geschafft, weil da dauernd was Wichtigeres war. F. meinte: „Sieh es als Sportförderung an.“ Bei einem Doktorandenkolloquium mein Thema vorgestellt. Angefangen, eine Dissertation zu schreiben und nicht nur Stoff zu sammeln, Dinge zu notieren und theoretische Überlegungen anzustellen. Das ist erstaunlicherweise etwas anderes.

14. 2019 nach langer Zeit wieder getan?

Tintenfinger gehabt (schreibe neuerdings mit Papas altem Füllfederhalter). In Bayreuth im Festspielhaus gewesen. Ein ehemaliges Konzentrationslager besichtigt. Meinen Geburtstag groß gefeiert.

15. Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?

Auf persönlicher Ebene: Papas Schlaganfall. Der Rest ist egaler Kleinkram.

Auf nicht ganz so persönlicher Ebene: der Mord an Walter Lübcke, nach dem der Staatsapparat so gar nicht durchdrehte wie bei der RAF und nach dem immer noch keine Fahndungsplakate mit rechtsextremen Terrorist*innen an allen Bahnhöfen hängen.

Der Tod von Okwui Enwezor.

Der Selbstmord von Marie-Sophie Hingst.

16. Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?

Papa, dass er keine Angst haben muss, er ist zuhause, es ist alles gut (den Umständen entsprechend gut). Und ich mich selbst, dass 2020 wieder besser wird.

17. Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

Zeit zu haben, in den Norden zu fahren und meiner Mutter wenigstens ein bisschen Arbeit abnehmen zu können. Hat die Buchungsflaute auch ihr Gutes.

18. Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?

Dass F. mich finanziell ein bisschen ausgehalten hat, damit wir weiter gut essen und in die Oper gehen und ab und zu mal ein Wochenende woanders sein konnten. (Und dass er sich jeden Sugardaddy-Kommentar verkniffen hat.)

19. Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?

„Fangen Sie an zu schreiben.“

20. Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?

„Hallo, Papa.“

21. 2019 war mit einem Wort …?

Herausfordernd.