Montag, 11. März 2024 – Nachwehen
Den ganzen Tag weiter über die Opernaufführung vom Sonntagabend nachgedacht, viele DMs mit F. ausgetauscht. Er schickte Rezensionen zurück, unter anderem die Münchner Abendzeitung, die SZ und die FR. Die wohlwollende Besprechung in der FAZ ist noch nicht online, aber heute im Blatt.
Am Samstag hatte ich Volker Weidermanns Ostende 1936. Sommer der Freundschaft durchgelesen. Das ging viel zu schnell, das las sich zu gut weg, ich bestellte quasi während des Lesens auf Booklooker diverse alte Bücher, auf die sich Weidermann bezog oder die er erwähnte.
An eine Stelle musste ich während der Oper denken bzw. danach, als ich wieder denken konnte:
„Und deswegen will Hermann Kesten vor allem das bei ihrem Gespräch in Brüssel von ihr [Irmgard Keun] wissen: Wie ist es in Deutschland heute? Wie schlimm ist es? Wie ist die Stimmung unter den vernünftigen Menschen? Gibt es Hoffnung, Anzeichen dafür, dass es endet, irgendwann? Sie erzählt lebendig, originell und anschaulich, ja. Aber was sie erzählt, ist im Grunde fürchterlich und bietet keinerlei Hoffnung auf ein Ende. Sie erzählt ‚von einem Deutschland, in dem Kolonialwarenhändler und Feldwebelwitwen Nietzsches Philosophie vollstreckten. Einem Deutschland mit unfrohen rohen Gesängen und drohenden Rundfunkreden, mit der künstlichen Dauer-Ekstase von Aufmärschen, Parteitagen, Heil-Jubeln und Feiern. Ein Deutschland voll berauschter Spießbürger. Berauscht, weil sie es sein sollten – berauscht, weil man ihnen Vernunftlosigkeit als Tugend pries – berauscht, weil sie gehorchen und Angst haben durften, und berauscht, weil sie Macht bekommen hatten.‘“
Volker Weidermann: Ostende 1936. Sommer der Freundschaft, München 2015, S. 62/63.