Dienstag, 21. Mai 2024 – Gutes Futter
Als wir am Wochenende so gegen 12 Uhr mittags frühstückten, fiel mir beim Tischdecken wieder auf, wie schön das ist, einfach gutes Zeug im Haus zu haben.
Eigentlich wollten wir nur Brot und Käse essen, was vom Vorabend als Weinbegleitung übrig geblieben war. F. wollte keinen Kaffee, daher konnte ich mir aussuchen, welche der vielen möglichen Zubereitungsarten ich für mein morgendliches Heißgetränk anwenden wollte. Ich zückte Opas gute alte Kaffeemühle, zerhackte frische Bohnen und goss heißes Wasser durch den liebevoll bestückten Kaffeefilter. Nur Käse und Brot schienen mir dann doch zu frugal, ich fragte, ob hier noch jemand Rührei wolle, es wollte jemand, also schlug ich zwei Eier auf. Dann merkte ich, dass mir irgendwie was Gemüsiges zu Brot und Ei fehlte und warf schnell ein paar Tomätchen und Gurkenscheiben in ein Dressing und teilte eine Avocado. Aber während der Kaffee durchlief und ich Servietten bereitlegte, merkte ich, dass ich eigentlich warmes Gemüse möchte. Also ließ ich meine Pfanne schön heiß werden und briet blitzschnell ein paar Brokkoliröschen und grüne Spargelstangen in Olivenöl an. Währenddessen schob ich das Rührei in einer zweiten Pfanne launig hin und her, brachte alles halbwegs gleichzeitig auf den Teller und freute mich über alles.
Einen Tag später freute ich mich über Pflaumenkuchen zum Frühstück, der dann auch mein Hauptnahrungsmittel über den Tag verteilt blieb. Auch hierfür deckte ich den Tisch, nahm die Stoffservietten, die Silbergabel und zündete eine Kerze an, einfach weil sie dekorativ auf dem Küchentisch rumstand und ich in Laune war. Das postete ich als Insta-Story, bis mir einfiel, was für Reaktionen ich gerne auf solche Küchenstillleben bekomme: „Das sieht immer so hübsch bei dir aus! Für mich allein mache ich mir die Mühe nie.“
Erstens: Das sieht nicht immer so hübsch bei mir aus, Pflaumenkuchen schmeckt auch ohne Kerze direkt aus der Tupperdose. Auf Insta ist meist alles toll, aber ich poste auch nicht jedes Käsebrot oder Snickers, das ich esse.
Zweitens: Wenn ich das nicht für mich hübsch mache, für wen denn sonst? Du ziehst dir vielleicht ein besonderes Kleidungsstück an oder trägst die geerbten Ohrringe, um dich gut zu fühlen – ich zünde Kerzen an und nutze Stoffservietten und gebe Geld für Geschirr aus, von dem ich schon viel zu viel im Schrank habe. Weil ich mich immer und immer wieder über schönes Geschirr freue. Aber weil vieles nicht in den Geschirrspüler darf, esse ich durchaus auch von den guten, alten weißen Ikeatellern.
Im SZ-Magazin stand ein Artikel darüber, wie man in Sternerestaurants essen geht. Für mich war nicht viel Neues dabei, aber ich mochte den Ton des Artikels, der einen nochmal daran erinnert, dass es beim Essen um Genuss und Wohlfühlen geht. (Beim Artikel ohne Paywall lautet die Ãœberschrift lustigerweise „Kleckern oder Krümeln ist menschlich“, während im Magazin „Einmal im Sternelokal essen – aber wie geht’s entspannt?“ steht.)
Ein paar Sätze, die ich mochte:
„Ein Mittag- oder Abendessen in einem Sterne-Restaurant kostet mehr als eine gewöhnliche Mahlzeit beim Italiener um die Ecke. Dafür ist ein Menü im Sterne-Restaurant ein Erlebnis, an das man sich lange, vielleicht sein Leben lang erinnert.“
Ja. Ich erwähne das dauernd, aber F. und ich sprechen noch von einem Lamm mit Polenta vom Oktober 2017.
„Bei vielen Restaurants kann man bereits bei der Reservierung angeben, ob man mit Fisch und/oder Fleisch, vegetarisch oder vegan essen möchte. Die meisten Restaurants haben ihr aktuelles oder ein Beispiel-Menü auf ihrer Webseite. Wenn man ein bestimmtes Lebensmittel partout nicht mag, das dort auftaucht, kann man das sagen. »Wir überreden niemanden, etwas zu probieren. Aber wenn wir eine Grundneugier spüren und das Gefühl haben, dass wir da minimal konfrontationstherapeutisch rankönnen, dann ermutigen wir die Leute schon«, sagt Ilona Scholl. »Gäste, die die Konsistenz von Pilzen nicht mögen, haben es nämlich trotzdem schon gerne, wenn sie einer Sauce eine schöne Umami-Tiefe verleihen.«“
Wir sagen grundsätzlich, dass wir alles essen. Bei mir persönlich sind Austern oder generell Meeresfrüchte totale Tagesform, vor allem letztere bestelle ich extrem selten von allein. Wenn ich sie dann auf dem Teller habe, finde ich sie aber meistens toll. Daher bin ich ganz froh, wenn mich jemand ein winziges bisschen aus der Komfortzone schmeißt.
Noch was zu Dresscode und ähnlichem, das fand ich schön auf den Punkt:
„Was andere Leute in der U-Bahn stört, stört auch im Restaurant. Das bedeutet, man sollte weder ungeduscht noch nach zu viel Parfum riechen, schließlich geht es um die Aromen auf dem Teller, nicht um die vom Nachbartisch.“
Ich verzichte inzwischen bei Restaurants völlig auf Parfum, weil ich weiß, wie intensiv wie uns inzwischen mit Wein beschäftigen. Und ja, wir sind die seltsamen Menschen, die ihre Nase sehr dicht über den Teller halten, sobald der vor uns steht.
Und was gelernt habe ich auch:
„Sobald alle Gäste Platz genommen haben, legt man die Serviette einmal quer gefaltet auf den Schoß, mit der offenen Seite zum Körper. Man benutzt nur die Innenseite, damit die Serviette außen sauber bleibt. »Vor dem Verlassen des Tisches lässt man die Serviette gefaltet neben dem Teller zurück. Niemals putzt man sich damit die Nase oder legt sie auf den Teller mit Sauce«, sagt Vincent Moissonnier. »Für einen Teller Spaghetti darf man die Serviette ins Hemd oder die Bluse stecken, damit die Kleidung sauber bleibt.«“
Das mit der Innenseite wusste ich noch nicht, das haben wir gleich mal am Küchentisch geübt, wobei F.s Falttechnik dem schon sehr entgegenkam. Meine ist jetzt neu.
Mittach von gestern. Ohne Serviette auf dem Sofa genossen.