Freitag, 31. Mai 2024 – Solo-Bar
Gestern gelernt: Man kann auch sehr entspannt alleine in eine Bar gehen. Jedenfalls wenn es die vom Tantris ist, wo ich mich ja immer wohlfühle. Gestern merkte ich, dass es nicht nur an der Begleitung liegt, dass es mir in dem Laden immer gut geht, sondern dass es vor allem die hervorragenden Drinks, das wenige Geplänkel mit dem Barkeeper und die für mich genau richtige chillige Musik sind, die mich runterkommen lassen.
Ich hatte gestern ein Buch dabei, natürlich hatte ich ein Buch dabei, ich gehe ja nicht mal ohne Buch in einen Baumarkt, man weiß ja nie, wie lang die Kassenschlange ist, also las ich ein bisschen, trank ein bisschen und guckte dann aber doch lieber einfach so in der Gegend herum.
Es war leerer als gewohnt – „Pfingsten und Brückentag, ab nächste Woche sind wieder alle in der Stadt“ –, daher hatte ich nicht ganz so viel zum Gucken wie sonst. Aber ich verfolgte interessiert und aus den Augenwinkeln das Paar neben mir: Der Herr ließ erst einmal einen teuren Chablis dekantieren, bevor er fragte, wann man denn rüber ins Restaurant gehen könnte. Durch Nachfragen des Barkeepers wurde klar, dass die beiden keine Reservierung hatten und einfach mal so im Sterneladen aufgekreuzt waren. Das kann natürlich funktionieren, aber vielleicht sollte man mit dem Wein doch warten, bis klar ist, ob es noch einen Tisch gibt, an den man ihn mitnehmen kann. Den gab es gestern nämlich nicht mehr.
Die beiden waren etwas muksch, ich wollte mich schon rüberlehnen und vom hervorragenden Barfood erzählen, aber das übernahm natürlich auch der Barkeeper. Sie orderten ein Charcuterie-Board, bei dem ich innerlich sehr wimmerte, das sah sehr gut aus und ich hätte vielleicht doch etwas essen sollen, bevor ich zum Trinken herkomme. Dazu gab es einen meiner derzeitigen Lieblinge auf der ständig wechselnden Bar-Karte: Goujonnettes mit Sauce Tatar, vulgo: Fish ohne Chips auf Speed. So gut! Die beiden meckerten leise über „Gemüse!“ auf dem Board, knabberten alles an, ließen es dann stehen, genau wie die halbvolle Karaffe Wein und murmelten was von „noch mal beim Italiener reinschauen“. Es war inzwischen 22 Uhr, viel Glück damit.
Ich genoss derweil zunächst einen Deauville – auf dem Weg in die Bar war ich mir sicher, dass ich etwas mit Rum wollte, aber als ich nochmal durch die Karte blätterte, blieb ich beim Cognac hängen. Danach wandte ich mich an den Barkeeper und bat um einen guten Folgedrink, der dann ein Vieux Carré wurde. Ich wurde gewarnt, dass der erst einmal fies süß sein werde im Vergleich, aber das lege sich dann. War auch so, der Whisky kam schnell durch, und mich begeisterte der totale Schmelz am Gaumen. Das war wie ein netter hochprozentiger Film, der den gesamten Mund auskleidete.
Eigentlich wollte ich mir nur zwei Drinks gönnen, die hätten vermutlich auch gereicht, denn das Ziel meines Barbesuchs – Woche abschütteln, entspannen, spritige Self Care – war bereits erreicht. Aber der Carré lief so gut, dass ich noch um einen leichten Absacker bat. Das wurde dann ein aufgebohrter Adonis; ich weiß nicht mehr genau, worin das Aufbohren bestand, aber er schmeckte weniger nach Alkohol als gewohnt und war genau der richtige Rausschmeißer.
Demnächst gerne wieder mit F., der gestern etwas unpässlich war, aber das war schön zu merken, dass man nicht nur alleine essen, sondern auch in Ruhe trinken gehen kann.
(Nach dem Heimkommen noch ein schnelles Konter-Käsebrot geschmiert. Ebenfalls eine sehr gute Idee.)