Tattoo
Die Idee fand ich schon immer gut – ein unverwechselbares Zeichen, nur für mich. Bei Bildern im Fernsehen von Flugzeugabstürzen habe ich immer gedacht, wenn ich mal darunter bin und keine Erkennungsmarke um den Hals trage, wer soll dann wissen, dass ich es bin? Die Muttermale, die ich habe, sind nicht von ungewöhnlicher Farbe oder Form. Aber eine bunte Narbe macht mich zu etwas Besonderem.
Ich ging also in ein Tätowierstudio und schaute mir Bücher an. Die Männer neben mir unterhielten sich über Runen und Muster, die ihre Rücken verzieren sollten. Sie beschrieben in allen Einzelheiten die rituellen Bedeutungen, die ihr Tattoo haben sollte: Es sollte sie schützen, sie zu einer Gruppe zugehörig machen, ein Zeichen von Macht sein.
Ich wollte einfach nur erkannt werden, wenn ich tot im Schnee lag.
Ich entschloss mich zu einer Sonne, weil die Sonne ein gutes Zeichen ist. Sie ist bis jetzt immer da gewesen, wenn ich aufgewacht bin. Sie wird immer noch da sein, auch wenn ich nicht mehr aufwache.
Der Tätowierer zeichnete eine Sonne auf ein Stück Papier, ich bejahte, er legte das Papier auf meinen Arm und bestrich es mit einer scharf riechenden Flüssigkeit. Dann zog er das Papier weg, aber die Sonne war noch da. Schwarz umrandet lag sie auf meinem Arm. Ich nickte, und der Tätowierer tunkte seine nadlige Pistole in die Farbe und begann. Es tat nicht weh, aber bei jedem Zug, den der Tätowierer machte, war mir bewusst, dass ich von nun an gezeichnet war. Was meine Eltern und ihre Gene nicht geschafft hatten, brachte nun ein Mann mit farbigen Fingern fertig, der eine Stunde lang meinen Arm in seiner Hand hielt. Nach dem Schwarz füllte er die Sonne mit Blau.
Ich trage den Himmel am Körper.
Manchmal wache ich in der Nacht auf und fühle, ob sie noch da ist – meine Sonne. Sie leuchtet nicht im Dunkeln, aber man kann die Narbe noch spüren. Manchmal fasse ich die gezackten Strahlen an und versuche, das Bild abzuziehen, wie ein Rubbelbild aus den Kaugummis. Meine Verwunderung darüber, dass das Bild nicht verschwindet, hält nicht lange.
Manchmal bin ich glücklich.
Manchmal denke ich an den Schnee.
(1998)
Wenn es Dir wirklich nur um die eindeutige Kennzeichnung gegangen wäre, hättest Du Dir auch Deine Ausweisnummer tätowieren lassen können, und zwar auf jedes (abstehende) Körperteil. So eine Sonne können auch mehrere Menschen haben.
Dr. Waters am 21. February 2005
P.S. Der Körper ist doch sowieso nur eine ärgerliche Hülle. Weg ist weg, sach ich mal.
Dr. Waters am 21. February 2005
(Johnny can’t read.)
Anke am 21. February 2005
.makes my day
dein schreibstil is einfach genial ;-)
@nan am 21. February 2005
ja, eine sonne am körper hat sehr viel kraft.
und die entscheidung, eine sonne am körper zu tragen auch; es ist ein moment, der etwas endgültiges in sich hat.
Christian am 21. February 2005
Liebe Anke,
in Zeiten der DNA-Analyse hättest Du Dir eigentlich ein anderes Argument einfallen lassen müssen… ;-)
Sei´s drum, eine Sonne als Zeichen Deines frohen Gemüts und Deiner lebensbejahenden Einstellung ist sicherlich eine gute Wahl (wenngleich sie ja auch als Identifizierungsmerkmal im Falle des Ablebens dienen soll).
Wie wäre es denn mit einem Foto vom Tatoo, damit wir Dich ggf. auch schnell identifizieren können, wenn wir Dich mal sehen – tot oder lebendig – wobei mir lebend immer lieber wäre… :-)
Liebe Grüße,
pepperman
P.S. Der erste Blogeintrag von mir mit dem ersteigerten 17´´ Powerbook, yipieh (sieht alles so hübsch aus jetzt)!
pepperman am 21. February 2005
Zu allererst mal Glueckwunsch zur Studiowahl. Das man Dir ein extra Motiv entworfen und nicht einfach die 08/15 Sonne uebergestochen hat ist viel wert, denn die haettest Du spaetestens dann gehasst wenn Du sie zum zwanzigsten mal am Strand gesehen haettest. Und ausgerechnet die dicke Mutti aus Oer-Erkenschwick mit ihren vorlauten Blagen und dem unmoeglichen Mann hat sie auch… Das hat sich schon bei vielen geraecht die dem jeder-muss-ein-Tattoo-haben-Wahn von vor ein paar Jahren verfallen sind.
Und nun warte mal ein paar Tage. Vielleicht setzt dann bei Dir auch die Sucht ein. Wie bei den meisten. Denn es macht, wie Du ja festgestellt hast, sehr gluecklich. Ein zusaetzliches kleines Tattoo an der Fessel/Schulter/Leiste/you name it kann ja nicht schaden. Und sei es nur um sich von den jeder-muss-ein-Tattoo-haben-Juengern abzusetzen. Denn die haben ja nur eins ;o)
Jens am 22. February 2005
Erstens bin ich auch dick, zweitens ist die Geschichte (die Geschichte, die Geschichte, die Geschichte, kein Tagebucheintrag, keine autobiografische Notiz voll tiefer Wahrheiten, die Geschichte, die Geschichte, die Geschichte) von 1998. Wieviele Tage sollte ich noch warten, deiner Meinung nach? Sollte ich auch noch eine Geschichte über mein zweites Tattoo schreiben und darauf hoffen, dass keine Kommentare kommen, die mir dafür auf die Schulter klopfen? Sollte ich sie gleich deaktivieren? Achwurscht. Und morgen schiebe ich diesen Kommentar wieder auf den Eisprung oder eine von den anderen Mädchenausreden. No one does it like I do.
Anke am 22. February 2005
Du solltest bis nach dem Eisprung warten und dann die zweite Geschichte schreiben :)
Jens am 22. February 2005